Aurora und Tithon Die Göttin, die der Ost verehrt, Sie, deren Rosenwagen Den jungen Tag zur Erde fährt, Aurora, kurz zu sagen, Sah oft den Lenz in Tellus Arm Und niemals ward das Herz ihr warm Beym Anblick ihrer Küsse. Einst hatte sie zur Hälfte schon Die graue Bahn durchzogen, Da fiel ein Fant, wie Venus Sohn Bewehrt mit Pfeil und Bogen Und auch so schön, nur nicht so klein, In einem hohen Cedernhayn Auf einmal ihr ins Auge. Prinz Tithon war es, den die Jagd Des Morpheus Arm entrückte, Und welcher kaum die Göttermagd Im Karriol erblickte, Als er ins goldne Hüfthorn stieß Und ein Trompeterstückchen blies, Das Fräulein zu begrüßen. Aurora gafft und horcht und läßt Die Füchse sachter traben; Ihr blaues Aug hängt klettenfest Auf dem so holden Knaben; Sein Flammenblick durchbohrt ihr Herz Und plötzlich kocht ein süßer Schmerz In allen ihren Adern. Das Hüfthorn schweigt. Ein Seufzer spricht Beredter als die Flöte Des Latous. Im Angesicht Der Göttin glüht die Röthe Des höchsten Purpurs. Amor winkt; Der Buhle fleht; der Wagen sinkt Und Eos läßt sich küssen. Der erste Kuß gieng auf die Hand, Ein zweyter auf die Wangen, Der dritte blieb voll Minnebrand Auf ihren Lippen hangen; Wohin der vierte sich verlor, Weiß niemand, weil sie Cypripor Mit Myrthenzweigen deckte. Kurz, eh der Mond die Erde grüßt, Erschallt in allen Ohren Die Zeitung: Junker Tithon ist Verplempert mit Auroren. Die Hochzeit folgt am Abend drauf; Denn bey den Göttern geht der Lauf Der Dinge nach Secunden. Adonis konnte süßre Lust In Cypris Arm nicht fühlen, Als Tithon an Aurorens Brust Bey Hymens reinern Spielen, Und sie rief oft im Wonnerausch: Ich würde, selbst für einen Tausch Mit Juno, mich bedanken. Nun bringt die Lady jede Nacht, Die sie als Miß verloren, Mit Wucher ein, und wenn die Macht Des Chronos durch die Horen Sie dann zur Morgenrunde ruft, So füllt mit Seufzern sie die Luft Und weinet helle Thränen. So schien ein halb Jahrhundert kaum Mehr als ein Sommermährchen, Mehr als ein süßer Morgentraum Dem liebetrunknen Pärchen; Doch Eos wird zuerst gewahr, Daß Runzeln sich und graues Haar Beym armen Tithon zeigen. Sie bebet und zum erstenmal Erblasset ihre Wange, Ihr Herz zernaget stille Quaal, Gleich einer Feuerschlange. Wie, rief sie, trift der Menschheit Loos, Auch selbst in einer Göttin Schooß, Den Liebling ihrer Seele? Mein Tithon sterblich! Nein er soll Nicht sterben. Schweigt ihr Klagen, Versiegt ihr Thränen! Hofnungsvoll Besteigt sie schnell den Wagen Und jaget durch das Sternenfeld Zum Zevs, der unter seinem Zelt Ein Pfeifchen Knaster schmauchte. Sir! sprach mit einem tiefen Kniks Die Göttin: hilf mir Armen! Dein Machtwort wandle des Geschicks Entrüstung in Erbarmen; Mein Tithon altert; schon umzieht Der Reif sein Haupt und schon verblüht Der Purpur seiner Lippen. Sie fällt auf ihr entblöstes Knie: Ach Vater! hör mein Flehen! Sie seufzt ihr Halstuch weg, ah sieh In Thränen mich zergehen; Ein Wort, so krönt Unsterblichkeit Den Mann, dem ich mein Herz geweiht Und der mein Herz verdienet. Die Göttin schweigt. Mit stummer Lust Betrachtet Zevs die Miene, Das Rosenknie, die hohe Brust Der reitzenden Blondine. Doch schnell, man weiß er ist galant, Faßt er die Schöne bey der Hand Und hebt sie von der Erde. Der Wollust süße Thräne nur Soll Eos Aug entsinken, Um auf dem Busen der Natur Als Diamant zu blinken, Sprach Zevs: ich hebe deine Pein, Dein Tithon soll unsterblich seyn Und dich als Jüngling küssen. Allein, so wills der Aisa Schluß, Den selbst die Götter ehren, So oft du ihm den Vollgenuß Der Liebe wirst gewähren, So oft, mein Kind, nimmt das Geschick Fünf Jahre von der Zahl zurück, Die es ihm wieder schenket. Unsterblich er, der lange mir Ein Gott schon war! Wie danket O Zevs! Wie danket Eos dir. So lallet sie und wanket Und stürzt mit frohem Ungestüm Aufs Angesicht und küsset ihm Voll Inbrunst den Pantoffel. Zevs reicht ihr seine Wange hin; Wie frischgepflückte Veilchen Schmeckt ihm der Morgenkönigin Entzückungsvolles Mäulchen. Er hebt sie in den Phaeton Und wie ein Stern rollt sie davon Durch die saphirne Straße. Nun denkt sie erst auf halbem Lauf An des Geschickes Willen; Da brausen in ihr Seufzer auf, Die ihre Stirn umhüllen. O, Liebe! sey du selbst mein Schutz, So rief sie, daß kein Eigennutz Je mein Geschenk entweihe. Froh hält sie, blos von Tithons Glück Erfüllt, vor seiner Grotte. O Wunder! Schon ihr erster Blick Verwandelt ihn zum Gotte. Die Runzeln fliehn, der Schnee zerschmelzt Auf seinem Haupt und Hebe wälzt Zwölf Lustern ihm vom Rücken. Selene, keusche Göttin, leih Dem Pinsel deine Schatten, Damit er wahr, doch nicht zu treu, Den Jubel beyder Gatten, Des neuen Gottes rasche Glut Und deiner Schwester Heldenmuth Fein züchtig schildern möge. Nur Wieland malt mit voller Kraft Was Junker Tithon fühlte, Als das Ferment der Götterschaft Sein ganzes Ich durchwühlte, Und als er in dem nahen Quell Sein Angesicht, so glatt, so hell, So rosenroth erblickte. Auch sie traut ihren Augen kaum, Auch sie glaubt nicht zu wachen Und läßt, was thut man nicht im Traum? Ihn so viel Schwänke machen, Daß, eh sie völlig zu sich kam, Der neugeborne Bräutigam Um fünf Jahr älter wurde. Nun stößt sie zärtlich ihn zurück; »Ach, Freund, laß dich belehren: Von nun an heißt uns das Geschick Der theuren Lust entbehren.« Und itzt thut sie mit leisem Mund Die Worte des Orakels kund, Das allzuwahr gesprochen. Ihr Götter, welch ein harter Spruch! Rief er mit lautem Zagen, Ha, brächte mir der schwerste Fluch Des Schicksals größre Plagen, Als diese Wohlthat? Nein, die Pein Des Tantalus muß Wollust seyn Mit meinem Loos verglichen. Wie, stets Gemahl des holdsten Weibs Soll ich sie nie besitzen? Was würde des verjüngten Leibs Unsterblichkeit mich nützen? O Zevs! nimm dein Geschenk zurück Und gönne mir das süßre Glück In ihrem Arm zu sterben. Bethörter, du erschreckest mich, Sprach Eos, die mit Zittern Den Mund ihm zuhielt: hüte dich Das Schicksal zu erbittern. Ich schätze besser seine Huld, Nie, nie sollst du durch meine Schuld Zum andernmal veralten. Die höchste Wollust bleibt uns doch, Mein Tithon! unsrer Seelen Umarmung. Diese können noch In Liebe sich vermählen, Und was uns, Freund, die Sympathie Verweigert, kann die Phantasie Den Sinnen leicht vergüten. Es sey! kann Tithon sich dem Schluß Aurorens widersetzen? Nur, Kind! laß ihn mit einem Kuß Von deinem Mund sich letzen. Du zauderst? Himmel! Kannst du dir, Grausame Gattin, kannst du mir Den Abschiedskuß versagen? Der Fall war kitzlich. Endlich bricht Ihr zartes Herz. Sie reichet Dem holden Bettler ein Gesicht, Dem nichts an Reitze gleichet. Er stürzt in ihren Arm und sie Erhebt im Drang der Sympathie Den Jüngling zu fünf Lustern. Schnell fährt sie auf. Voll Zorn und Schaam Schließt sie sich, trotz der Schwüre Des Frevlers, ein. Am Abend kam Er flehend vor die Thüre. Was war zu thun? Vom Himmel fiel Ein Wolkenbruch, die Nacht war kühl Und Amor half ihm klopfen. Ihr Gruß war eine Homilie Von der Enthaltung Tugend. Ah, Kind! so unterbrach er sie, Mir bangt vor meiner Jugend. Wie leicht kann das Verhängniß mir Auch seinen Flattersinn mit ihr Ins Blut gegossen haben. Dann würd ich, von dem Zauberschein Der Sinnenlust bethöret, In fremdem Arm ein Herz entweihn, Das dir allein gehöret. Ach, Eos, rette, rette mich! Ein Wink von dir kann mich und dich Dem größten Schmerz entreissen. Fünf Jahre nur, so bin ich Mann, So hat er ausgesprühet Der unauslöschliche Vulkan, Der meine Brust durchglühet; So wird ein neues Rosenband Mein Herz, geheilt vom Unbestand, Auf ewig an dich fesseln. Vernunft, wie groß ist deine Kraft, Wie werth sind deine Lehren, Wenn sie der süßen Leidenschaft Geheimen Wunsch gewähren! Aurora horcht voll Andacht zu; Bald zittert sie für Tithons Ruh Und bald für seine Treue. Wohlan, aus Klugheit und aus Pflicht, Heil ich den armen Kranken: So denkt ihr Herz und ihr Gesicht Verdollmetscht den Gedanken. Es zeigt bey Lunens mattem Strahl Dem zärtlich lauschenden Gemahl Den ganzen Himmel offen. Er fliegt – doch Luna hüllt sich ein Und Amor schließt die Scene. Wohlan, ich will verschwiegen seyn; Doch daß die kluge Schöne Zum Schutz für Tithons Unbestand Zehn volle Jahre nöthig fand, Das darf ich nicht verhehlen. O, wohl dir, trautes Paar! Nun ist Dein letzter Wunsch erfüllet. Ach nein, der Hunger, der sie frißt, Wird nicht so schnell gestillet. Gleich wie den Strom der Wetterguß, So schwellt im Busen der Genuß Der Wollust heissen Strudel. Bald reizt der Zauber seines Flehns Die Göttin zum Erbarmen; Bald findet sie sich unversehns Des Nachts in seinen Armen; Bald sinkt sie matt in seinen Schooß Von langem Ringen athemlos, Mit unter auch vom Lachen. Noch hält ihr Auge Cypris Sohn In Rosendunst gehüllet; Sie merken nicht, wie sehr sich schon Des Schiksals Spruch erfüllet; Herr Tithon dahlt so lang er mag Und kurz ihn weckt der dritte Tag Als Greis von achtzig Jahren. Aurora siehts, wird roth und blaß Und weint und senkt die Blicke; Doch Tithon macht kein Auge naß: Laß, ruft er zum Geschicke, Der Jugend Lenz mir zehnmal blühn Und auch zum zehnten werd ich ihn An Eos Brust verscherzen. Das Compliment war fein und süß; Ob es der Göttin Klagen Gestillet? weiß ich nicht gewiß. Doch melden alte Sagen, Daß sie sich einen Jockey nahm, Den kleinen Zephyr, der den Gram Ihr von den Wangen küßte.