6. Der Nordwind schnaubt durch das Gefild Und bricht die Zweige im Gehege. Des tiefsten Seelenjammers Bild Sitzt eine bleiche Frau am Wege. Die welken Hände in dem Schoß Und aufgelöst die grauen Haare, Versteinert, stumm und regungslos Sitzt sie schon da seit manchem Jahre. Nur wenn ihr müdes Aug' von fern Des Wegs sieht einen Wandrer kommen, Da scheint's, als sei ein Hoffnungsstern In ihrer finstern Nacht erglommen. Doch wenn er dann vorübergeht, Verfällt auf's neu sie ihrem Leide Und banger als zuvor durchspäht Ihr Blick auf's neu die öde Haide. Was grimm an ihrem Herzen nagt, Was sie erlitt, vielleicht gesündigt, Sie hat es keinem je geklagt, Und selbst dem Priester nicht verkündigt. Man weiß nur, daß ein schwerer Schlag Sie in des Wahnsinns Nacht verstoßen: Es haben ihr die Sassenagh Zu Stirling ihren Sohn erschossen. – – Wer durch die stille Haide geht Und sieht sie kauern auf der Erde, Der murmelt wohl ein fromm Gebet, Daß ihrem Herzen Friede werde. Doch dunkel loht's aus ihrem Blick: Im Leben nicht und nicht im Sterben! Er war mein Stolz, er war mein Glück, Und ich – ich stieß ihn in's Verderben!