Einem jungen Mädchen Durch finstre Gräuel der Verwüstung schwebt Dein Lied zu mir, wie eine Friedenstaube! Um meine blitzversehrte Stirne webt Den Kranz des Lichts dein kindlich frommer Glaube! Dein Traum, umspielt von gold'gem Nebelduft, Er zeigt mich dir in heil'gen Tempelhallen, Und deines jungen Herzens Sehnsucht ruft: »O wäre mir ein gleiches Loos gefallen! O lebte ich wie du, der Welt entrückt, In seliger Gemeinschaft mit dem Schönen! O hätte ich die Macht, was mich beglückt Und was mich quält, melodisch auszutönen! Vermöcht' ich, wie der Glocke reines Erz, Des Segens Klänge weithin zu entsenden! O wäre, wie das deine, auch mein Herz Nur eine Harfe in der Gottheit Händen!« Mit heißer Inbrunst sprichst du so zu mir; Mich aber halten Schauer kalt umschlungen. Du unglückselig Kind! so ist auch dir Der lockende Syrenenruf erklungen? Ophelia! mit frohem Jugendmuth Ziehst du hinaus um Kränze dir zu winden, Weh dir! wie bald wird in der dunkeln Fluth Entseelt man deine schöne Leiche finden! – Der See, der tiefen, gleicht die Poesie. Süß ist's sich ihrem Kosen hinzugeben, Auf blauen Wellen hinzugleiten, die Im heitern Spiel sich senken und sich heben. Erquickend kühlt sie deine heiße Brust, Tiefsel'ge Träume fühlst du dich umwogen, Und ehe dir noch die Gefahr bewußt, Hat dich der Abgrund schon hinabgezogen! – Es schreckt dich dieß Verhängniß nicht zurück? So mächtig treibt es dich nach jenen Schätzen, Daß du bereit des Lebens Lust und Glück Im kühnen Wagniß hoffend einzusetzen? Erfahre denn des Liedes ganzen Preis! Mit leisem Schauer mög er dich erfüllen! Zu oft nur muß des Lorbers grünend Reis Ein düstrer als des Schmerzens Maal verhüllen! Noch zeigt dein unentweihter Glaube dir Des Dichters Bild in erdentrückter Ferne, Hoch über all dem irdischen Gewirr Hinwallend gleich dem leuchtendsten der Sterne. Du wähnest ihn geläutert und befreit Von jedem Fesselband der Creaturen, Von jedem Flecken trüber Sinnlichkeit, Von aller Schlacken menschlicher Naturen. Ich aber sage dir: Wohl werden ihm Momente wie den Seligen, Verklärten; Hochheil'ge Stunden, wo die Cherubim Sich um ihn reih'n als strahlende Gefährten; Entzückungen, in deren reinem Licht, Die Blüthen sich erschließen ew'ger Lieder! Da schwindet seine Kraft, die Schwinge bricht Und in die dunkle Tiefe stürzt er nieder! O wüßtest du, was solche Stunden sind Wo Erd und Himmel sich in uns bekämpfen, Die trübe Kenntniß, du bethörtes Kind! Sie würde deiner Sehnsucht Flamme dämpfen! O könntest du den doppelschneid'gen Stahl, An dem verblutet sein geheimstes Leben, Der Sühnung Weh, der Läutrung heiße Qual, Vor seinem Loose würdest du erbeben! – Genug, genug! Ich habe dir gesagt, Mit welchem Preise sich das Lied erkaufet! Dir zu verkünden habe ich gewagt Wie streng der Geist, der nur mit Feuer taufet! Bleibt unerschüttert selbst noch jetzt dein Herz, Und wandellos das Dürsten deiner Seele, So nimm denn Theil an allem Glück und Schmerz Der ihren Gott umschlingenden Semele.