Bedrängniß Es ist nicht schwer der Pflicht den Zoll Des eignen Glückes darzubringen, Doch gräßlich ist's und schauervoll Wenn sich die Pflichten wirr verschlingen. Wenn, was die eine von dir heischt, Verrath und Frevel an der zweiten; Wenn dein verzagend Herz zerfleischt Von ihrem grimmen sich Bestreiten. Wenn du bedrängt, umstrickt, gequält, Nicht mehr vermagst zu unterscheiden, Ob gleichen Anspruchs Recht sie stählt, Ob eine heiliger von beiden! – Es scheint der Boden, der dich trägt Dir unter deinem Tritt zu wanken, Zu tiefst in deine Seele schlägt Der Zweifel seine Tigerpranken. Und durch den schaurigen Tumult Aufstöhnt dein Inn'res, schmerzlich leise: »Nicht ohne Flecken, ohne Schuld Entrinn' ich diesem Zauberkreise!« – Da frommt die Weisheit nicht der Welt, Kein Grübeln und kein klug Bedenken. Vom Bogen rasch der Pfeil geschnellt! Die Hand des Ew'gen wird ihn lenken. Anstatt des Zweifels gift'gen Keim In dir zu pflegen und zu dulden, Stell' dein Beginnen Gott anheim, Vertrau' den Ausgang seinen Hulden! Mag auch die Welt, vom Schein beirrt, Den Schuldigen dich beigesellen, Das Unrecht, das geschah, er wird Es nicht auf deine Rechnung stellen. Dann löset sich der Widerspruch, Den Geist erquicket Sabbathstille, Denn über allem Schicksalsfluch Steht reine Kraft und reiner Wille!