Wartburg 1. »Hier, diesen Harnisch hat ein Weib getragen«, Sprach in der Burg der alte Kastellan. Wohl gilt's jetzt nicht, das Herz in Erz zu schlagen. Daß nicht ermordend ihm die Feinde nahn! Mein weiblich Herz wollt ihr mit Gift verwunden – Wohl bitter hat es euer Thun empfunden! Doch mag es nimmer andern Schirm und Schild, Als die Begeistrung, die vom Herzen quillt. Hoch am Himmel stand die Sonne, Gleich einem Engel mit goldenen Flügeln Ausgesendet vom Thron des Höchsten, Zu segnen die Erde mit Glanz und Wärme. Und der Engel breitete Die strahlenden Arme weit aus – Und es war als zög er die aufatmende Erde Näher dem Himmel, näher der Gottheit. Goldene Strahlenringe zog der Engel von seinen Fingern, Verteilte sie dahin und dorthin; Und die Ringe wurden zu Heiligenscheinen, Zu Himmelsglorien auf den Gipfeln der Berge, Dahin sie der Engel geworfen. Und solch eine Himmelsglorie, Solch ein Heiligenschein krönte noch einmal Die Krone der Burgen des Thüringer Waldes: Die uralte Wartburg . Ich stand und schaute. So lange ich daheim verweilt Ein spielendes Kind, eine sinnende Jungfrau An den Ufern der Elbe, wo uralte Burgen Verwitterte Klöster unheimlich mahnen An des Mittelalters eiserne Gestalt : An den Ufern der Elbe, wo grünende Reben Mit reifenden Trauben verheißend mahnen An der neuen Zeiten gärende Gewalt . So lang ich daheim verweilt an den Ufern der Elbe, Den reben- und burgbekränzten, so lange auch weilte Die Sehnsucht in meiner Brust nach der Krone der Burgen Des Thüringer Waldes: der uralten Wartburg. Nun stand sie in Himmelsglorie mit dem Heiligenschein Vor den trunkenen Blicken. Meine Hände waren gefalten, Thränen mir in den Augen wallten, Nieder ein Tropfen fiel: Ich war am Ziel .