Ernte und Saat Zum Frauentag 1891 Gekommen ist die Erntezeit, Schon wird das reife Korn gehauen, Und garbenbindend steht bereit Die Schar der Schnitter und der Frauen. Sie haben alle ihren Teil Am liederfrohen Erntefeste Und rufen jubelnd: »Dank und Heil! Der Himmel gab dazu das Beste.« »Der Himmel segnete das Mühn', Das ackernd, säend uns verbunden Im Wettersturm, im Sonnenglühn – Nun haben wir den Lohn gefunden!« Schön war das frische Saatengrün, Schön war das Feld im Aehrenwallen, Die Wiese schön im Blumenblühn – Doch nun sind Blüt und Halm gefallen. – Der Baum, nur spärlich noch belaubt, Wirft statt der Blüten Früchte nieder Und schüttelt lächelnd noch das Haupt, Singt man für ihn auch Erntelieder. So ist es wohl ein Hochgefühl Zu ernten selbst gesäte Saaten. Der Arbeit Lohn, ein Kranz am Ziel, Wenn, was man pflegte, wohlgeraten. Auch manchen, die nicht selbst gesät, Ist Erntesegen doch gekommen; Sie haben dafür früh und spät Ein heilig Erbteil übernommen. Sie mögen nun mit voller Hand Den Samen streun, den sie empfangen: Des alten Werkes Segenspfand Soll er zu neuer Frucht gelangen. Und bleiben jetzt am Stoppelfeld Wehmütig unsre Blicke hangen – Bald wieder wird es neu bestellt Im Grün der Wintersaaten prangen, Scheint einmal alles still und tot, Wächst selbst noch unterm Schnee verborgen Die junge Saat zum neuen Brot Kommt doch für sie ein Ostermorgen. Drum frisch an's Werk und nicht verzagt! Beim Ernten denkt an's Samenstreuen! Denn wer da müßig steht und klagt Kann keiner Ernte sich erfreuen!