Der Heiland Im Prunkschloß nicht, in goldner Königshalle: in enger Krippe und im niedern Stalle ist einst der Strom des ewigen Lichts entsprungen, der Lebenschöre Vollakkord erklungen. Nicht im Gewand von Goldstoff oder Seide: mit nackten Füßen und im härenen Kleide ging einst der Christ in seiner Freunde Schar hinauf zum Haus, das seines Vaters war. – Und als am Kreuz, verblutend, wegbestaubt er sterbend neigt' das schmerzgekrönte Haupt, da weinten um des künftigen Heils Verkünder die Armen nur, die Zöllner und die Sünder . . . Doch nicht am Kreuze kann der Geist verbluten, und was aus Gott entsprang, muß rastlos fluten. Und heut, nachdem Jahrtausende verflossen, durchbebt die Welt ein heimlich Glühn und Sprossen: im Volke wandelt, segnend, unerkannt der Heiland schon im dürftigen Gewand. Und wieder schaun des nahen Heils Verkünder Enterbte nur, die Siechen und die Sünder, indes der Fromme hohnvoll fragend geht, »was Gutes kommen kann aus Nazareth –?« Das Kind, dem einst der Engel Loblied scholl, der Friedenskönig, der da kommen soll, aus dessen Mund ertönt das zweite »Werde«, ihr ahnt ihn nicht, ihr Mächtigen dieser Erde. In seinem hagern Antlitz lest ihr nur die tiefe Sehnsucht aller Kreatur: den Trieb nach Glück, den heißen Durst nach Licht – die Gottesglorie aber seht ihr nicht. Der Armen fürchtet ihr, der Sklaven Heer, das ihn umdrängt mit zitterndem Begehr, und vor dem Schrei, der aus der Tiefe hallt, verschließt ihr eure Ohren mit Gewalt, und flüchtet euch in eurer Schlösser Schutz und ruft die Söldner auf zu Wehr und Trutz und schickt vom Schloßhof schon mit Spieß und Stangen die Häscher aus, den Fremdling einzufangen – Und laßt beim ersten blassen Morgenschimmern durch eure Knechte schon den Kreuzstamm zimmern. Ich aber sag euch, daß, noch eh die Hallen im Frührot glühn, in Staub die Balken fallen, und daß die Nägel rosten, eh zur Qual des Menschensohns erhöht der Marterpfahl, – ich aber sag euch, was die Bibel lehrt: wenn der von Gott Gesandte wiederkehrt, dann wird erlöst, was unfrei, krank und dumpf, dann wird die Schärfe eurer Waffen stumpf. Die Kette klirrt, das letzte Kreuz zerbricht, in alle Kerker strömt das Sonnenlicht – ein Liebeslächeln, ach, ein Freiheitsstrahl fällt in den staubigsten Maschinensaal . . . Und kommt ein Frühling, dessen Blütenpracht dem ärmsten Kind mit tausend Wonnen lacht, – und eine Flamme, die, was Spreu, verzehrt, wenn Christ der Herr als König wiederkehrt . . . Dann wird das Kleid, das seinen Leib umschließt zu lauter Licht, darin die Welt zerfließt – und aus des Dornenkranzes bitterem Hohne erblüht der Liebe rote Rosenkrone.