Der heilige Lenz Durch Alltagslärm und Fabrikenstaub leuchtet ein Tag voll Licht und Laub. Leuchtet ein einziger Tag im Jahr: rote Rosen im blonden Haar. In Wanderschuhen, im Festgewand schreitet der leuchtende Tag durchs Land. Und wo er wandert durch Feld und Dorn, da blühen die Schlehen und treibt das Korn. Und wo er rührt an des Armen Haus, lockt er lachende Menschen hinaus. Viel jubelnde Kindlein laufen mit – hart auf der Erde dröhnt sein Schritt: Bis in die Tiefen der ewigen Nacht, zu den schwarzen Gesellen im Kohlenschacht. Da sinkt der Hammer zum letzten Schlag – und sie steigen empor und grüßen den Tag. Und grüßen das Licht und das blauende Meer . . . Ueber die Wogen rollt es daher. Heim ziehen die Schiffe in freudiger Hast – der rote Wimpel fliegt am Mast. Und über der Menschheit, erlöst und frei, leuchtet der große, der heilige Mai! O Mai der Menschheit, du Traum voll Glück! – Eine Träne feuchtet den Mannesblick . . . O Tag der Zukunft, voll Glanz und Grün, wann wird deine strahlende Sonne glühn? O Fest der Freiheit, du blühender Mai, kein Sinnen und Träumen sehnt dich herbei. Dich hegt das Dunkel, dich schirmt die Macht – und wir müssen hindurch durch den Kampf und die Nacht! Die weichliche Träne versiegt und erstarrt, und es ruft deine Zukunft: »Mein Volk, werde hart! Werde hart und sei wach, du, und schlage den Schlag, dein harrt ein fruchtschwangerer Sommertag! Und wählst du gut, wie das Los dir fällt, so ist dein die Macht und die blühende Welt – Und über Woge und Flur und Tor dämmert der heilige Lenz empor!«