Auf Lessings Tod Klagt, ihr Musen, klaget! schmucklos walle Aufgelöst das Haar am Busen schwer; Dämpft die Leier, daß sie traurig schalle, Lessing, ach der Edle! ist nicht mehr. Umgestürmt so von des Eurus Flügel, Kracht und sinkt die Tanne mir Gewalt, Sie, die Zierd', der Schmuck vom nahen Hügel, Sie, die Königin vom hohen Wald. Gleich der Pallas sitzt die hehre, schöne Melpomene an der Urn' und weint, Von Thalias Wange rinnt die Träne, Schwesterlich in ihren Schmerz vereint. Und der holde Schutzgeist des geliebten Teuern Vaterlandes klaget laut, An den Fels gelehnt, gleich dem betrübten Bräutigam, am Grabe seiner Braut. »Ach Camönen! eure Augen gießen Schmerzen um den Edeln nicht allein, Tausend, tausend! heiße Tränen fließen, Seht hinunter am gehörnten Rhein, Wo Lyäus aus der goldnen Schale Unter Lauben selig Nektar trinkt, Und vom Mainstrom, wo zum frischen Mahle Froh Pomona jedem Gaste winkt, Bis zur Donau und der Elbe breiten Ufern und hinauf bis an das Meer, Wo sich Phöbus golden am beschneiten Eisberg spiegelt, und das blaue Heer Blasender Tritonen mit bereiften Bärt'- und Schultern durch die Wellen gehn, Bis wo rechts und links die weitgeschweiften Bögen sich des weißen Nordpols drehn, Höret ihr die Klage weit erschallen. Lessing, Lessing! seufzt der Nachhall schwer, Ach, ein Edler, Teurer! ist gefallen, Ach, ein Teurer, Edler! steht nicht mehr. Und er schwieg, ein banges, tiefres Stöhnen Schloß in mir die Pforte jedem Laut, Mich durchströmend nur ein heißres Sehnen, Seinem Geist zu nahen mich, vertraut; Einen Blick in seinen Blick zu senden, Nun entfesselt ganz vom Sinnentrug, Ihn zu flehn, voll Mitleid mir zu spenden Einen Strahl aus höherm Sternenflug. Ach umsonst! die Zaubermelodieen Stillten augenblicklich nur das Herz, Bang' erwachend, sinkt bei deren Fliehen Neu und mächtiger auf mich der Schmerz, Qual und Jammer, ungeheuern, schweren Felsen ähnlich, sinken sie herab: Ach, du bist dahin! o fließt, ihr Zähren! – Doch umsonst, ihr findet nicht sein Grab. Wo, ach wo? um Romas Mauer hallet Meine Klage, Teurer! fern von dir, Fern von deines Grabes Hügel wallet, Irrt mein Fuß in Schutt und Trümmern hier. In die Wölbung alter Bögen schlagen Diese Seufzer hohl; die rege Luft Trägt mit leichtem Fittich meine Klagen Zu den Nymphen in die Felsenkluft. In die Tiber rinnen meine Zähren, Hier am Ufer sitz' ich, fremd, allein; Nacht umhüllt mich; meinen Harm zu nähren, Rötet Luna ihren Silberschein. Hofft' ich das, als du, noch stark und munter, Mich in deine Arme schlossest, frei Angelobt mit mir zu leben unter Welchem Stern und Himmel es einst sei? O, ihr grünen Neckartäler! Sitze Meiner Fürsten; moos'ger Mauernring, Wolfsbrunn, und du Jettas Felsenspitze Saht's! wie ich an seinem Halse hing, Wie er mich, ich ihn zum Freund erkoren, Daß ich's nicht vergessen soll, noch kann! Ach er war so ganz für mich geboren, War so ganz, so ganz! ein Mann, ein Mann! Aller frohe Scherz der Lippen, Bester! Jener Augen Blitz, dein reiner Sinn, Jene freie Stirne und dein fester, Wohlgebauter Körper ist nun hin! Hin die Hoffnung, die mir so geschmeichelt Mit der frohsten Zukunft goldnem Schein, Ach! es war vom Glücke nur geheuchelt, Alles sinkt in Nacht, ich steh' allein; Gleich dem armen Schiffer, der nach tausend Fehlgeschlagner Müh' ein Schiff erbaut; Stark an Mast und Segel geht es, sausend Spielt der Wind im Wimpel; fröhlich schaut Der Erbauer, über blaue Wellen In Gedanken eilend an den Strand, Wo Fortunas Hörner üppig schwellen, Goldner Plutus thront auf Perlensand. Schon im voraus erntend, hängt entrücket Er im Traumgenuß am Schattenglück; Ha, ein Blitz, der schnell hernieder zücket, Trifft das Schiff und schmettert ihn zurück. Nackt und elend an die Klippe wieder, Ärmer als er je dem Tod entrann, Und Verzweiflung schlägt ihn zweifach nieder – Ha, wie töricht, töricht ist der Mann, Der sich warmer Seele hin zum Guten, Edeln, allzu nahe drängt im Feu'r! Seht! wie mir jetzt Herz und Ader bluten – O die Wonneblicke kauft' ich teu'r. Besser, ha! dem Edeln gleich entfliehen, Eh' ein wallend Herz sich fest verstrickt, Als sich solchen hungrigen Harpyen Überlassen, so die Seel' zerstückt! Dreimal selig, ha! zurückgezogen Hinters Schild der rauhsten Stoa fest, Wie die Muschel in dem engen Bogen, Wie die Schneck' in ihrem Felsennest. Einsam, ha! nur ruhig; sich versagend Alles, schauend, schaudernd weg sich drehn Vor dem Edeln, als hernach so klagend, So entwurzelt und zerrissen stehn. Ha, wo schwank' ich! o Vernunft, du reine, Hohe Götterjungfrau! stählst mein Herz, Ja ich sänk' in Staub hinab, wenn deine Starke Rechte mich nicht hielt im Schmerz. Leise lispelst du und überschwänglich Strömet Trost, die bange Brust erbebt, »Alles,« rufst du, »alles ist vergänglich, Was vor deinen Sinnen lebt und schwebt. Der Gestalten steter Wechsel schlinget Neue Schönheit in der Schöpfung Kranz, Immer neu'res Leben quillt und springet In der Dingen vollsten Reihentanz. Ist der Wechsel dir ein ewig Scheiden? Weckt der Übergang aus Klang in Klang Bei der großen Harmonie dir Leiden? Schauderst du beim schönsten Übergang? Harmonie dir alles! alles strebet, Hebet und bewegt sich nur durch sie; Jener helle Stern dort oben, klebet Mit dem Erdenstaub in Harmonie. Ganz verschließet nicht des Grabes Hügel, Was ein sterblich Auge hier beweint – Bleibst du nicht umfaßt vom Allmachtsflügel Immer noch mit deinem Freund vereint? Grüble nicht was eitel sein kann, reiße An dem Schleier nicht, den Vorsicht wand; Der vollendet seinen Lauf nur weise, Der sich leiten läßt an Vaterhand. Er, der Ewige! Wer mag ihn nennen? Born der Kraft, der Weisheit er allein! Tausend Sonnen, die dort flammend brennen, Sind von seinem Licht nur Wiederschein.«