99. Die nächtliche Trauung. In einem Dorf in der Gegend von Apenrade, das in der Nähe der Ostsee liegt, ward der Prediger in einer Nacht von zwei fremden Matrosen geweckt, die zu ihm in die Stube gedrungen waren. Der eine hatte einen großen Beutel mit Gold in der Hand, der andre einen Säbel, und sie sagten zu ihm, entweder solle er ihnen folgen und in der Kirche sogleich eine Traurede und eine Leichenpredigt halten und dann den Beutel erhalten, oder er müsse sterben. Der Prediger stand auf und folgte. Als er zu der Kirche kam, die ein wenig vom Dorfe ablag, war sie erleuchtet und voll von fremden bewaffneten Seeleuten. Er ward zu einem Herrn in einer prächtigen Uniform geführt, an dessen Seite bleich und zitternd eine junge Dame stand. Wie ihm befohlen ward, verrichtete er nun die Trauung und wie diese geschehen, hielt er auch die Leichenrede. Darauf eilte er, so schnell er konnte, davon. Aber kaum war er eine kleine Strecke von der Kirche entfernt, als er einen Pistolenschuß hörte und gleich darauf einen kurzen Schrei. Dem Prediger war es verboten das Geschehene zu erzählen. Aber am folgenden Morgen ging er mit zween guten Freunden zur Kirche und sie fanden da in einem offnen Grabe die Leiche der jungen Dame, die er in der Nacht getraut hatte. Draußen auf der See segelte ein großer Dreimaster. Danevirke 1844, Jan. n. 57. – Derselbe Vorfall soll auch in Lunden in Norderdithmarschen sich ereignet haben. Nur bleibt der Prediger in der Kirche und der Pistolenschuß fehlt. Ein großer glänzender Zug von prachtvollen Kutschen hält in den Straßen des Ortes und geht nachher der Eider zu, wo ein Schiff die unbekannten Fremden aufnimmt. – Bekannt ist Henrik Steffens meisterhafte Novelle, die eine Bearbeitung der seeländischen Version dieser Sage ist, die auch auf Anholt zu Hause ist. Thiele, Danm. Folkes. I, 194.