Die Natur An Gerstenberg. Saht ihr, in stiller Sommernacht, den Mond Durch melancholische Zypressen schaun, Wann ringsumher die feiernde Natur In Schlummer sank und kaum zu athmen schien, Und jedes Herz in süsser Wehmuth schmolz? Saht ihr, vom goldnen Abenddämmrungslicht Sanft angestralt, in stiller Majestät, Helveziens beeiste Gipfel glühn? Saht ihr, wie dort vom schroffen Fels der Rhein, Gleich immerdonnernden Gewittern, sich In hochgethürmte Schaumgebirge stürzt? Ha! selbst der hundertjähr'gen Eiche Stamm Ist seinen Riesenwogen hier ein Spiel! Saht ihr, vom Sturm empört, den Ozean, Mit ungezähmter Wuth, bald himmelwärts Verschlagne Flotten schleudern, bald hinab Zur schwarzen Tiefe stürzen, donnernd sich Noch einmal heben, und die Leichen dann Hochbrandend schmettern an das Felsgestad? Saht ihr dies alles, so beschwör' ich euch, O Dichterlinge! bei den Grazien Und Musen! bei des Mäoniden Geist! Bei jenen Höh'n, die Klopstocks Genius Zuerst erschwebte! bei dem Harfenklang Von Fingals Barden! bei Petrarkas Quell! Beim Lorbeerbaum der Maros Grab umrauscht! Bei jenem Paradies der Feeerei Wo einst Rinaldos Heldenkraft erlag! Bei Miltons Lichtgruß! bei dem düstern Flor Um Dantes Nachtstück: Ugolinos Tod! Bei Hamlets Seyn und Nichtseyn! beim Erguß Des Vaterherzens an Narzissas Gruft! Bei Wielands rosenfarbner Zauberwelt! Bei Uzens Sonnenflug, bei Allem was Dem Dichter heilig ist, beschwör' ich euch: Entweihet nicht das Allerheiligste Der göttlichen Natur, in Red' und Sang, Durch leeres Wortgeschäum von Seelensturm, Von Schwung und Allkraft, Drang und Hochgefühl! Denn wisset, es verschmäht die Göttliche Der Dichterlinge Kainsopfer, winkt Dem Sturm der Zeit, lautzürnend, zu verwehn Den schwarzen Dampf, der ihr ein Gräuel ist!