Neu-Thermopylä Rechts unten da winkt hinter gähnendem Spalt Das zwanzigste, neue Jahrhundert, Auf zackiger Klippe zusammengeballt Stehn ruhig die jungen Dreihundert, Dazwischen auch manch strammer Berserkergreis Mit schlachtnarbig ruhmvollem Leib, Und rosenwangig und händeweiß Manch stolzes und geistkühnes Weib. Hoch bannert das heilige Fahnentuch, Es brausen die heiligen Psalter, Und kummerlos stehen trotz Schmähspruch und Fluch Die trotzigen Bannerhalter. Die rechte Hand preßt des Revolvers Schaft, Weh dem, der nahe sich wagt, Die Linke umklammert mit mannhafter Kraft Den Fahnenstiel unverzagt. Von links her stürmen mit rohem Geschrei Der Feinde wutspuckende Horden, Mit allem, was niedrig und ekelhaft sei, Die heilige Schar zu ermorden. Ein Sprenggeschoßhagel fällt dicht auf uns ein, Umflötet uns Helme und Haupt, Kein einziger weicht aus den kampffrohen Reihn, An den Sieg jeder Mitkämpfer glaubt. Und wenn einer fällt und wenn auch sein Haupt Zersplittert vom Bleikugelschauer, Laßt liegen, sein Tod uns die Hoffnung nicht raubt, Es ist keine Zeit für die Trauer, Er starb wie er kämpfte mit trotzigem Mut, Gelobt sei er und benedeit – Haut kräftig drauf los und watet im Blut, Sein Blut hat uns alle gefeit. Schon türmt sich von Leichen ein herrlicher Wall, Des Feindes Kadaver uns schützen, Auf krachende Schädel mit knirschendem Schall Die harten Gewehrkolben blitzen, O wonniges Fechten im spritzenden Blut, Die brechenden Augen zu schaun, Zerplatzt ist des Feindes mordgrimmige Wut Und es packt ihn des Unsieges Graun. Der Sieg ist unser – hinab in die Gruft Die Leiber mit siegfrohem Blicke, Füllt aus des gestorbnen Jahrhunderts Gruft, Aus Feindleichen baut euch die Brücke, Stimmt an das neue Befreiungslied Im leuchtenden Frühsonnenschein, Mit klingendem Spiele die Treuschar zieht In das neue Jahrhundert hinein! Münster, Mai 1890