Das Bild des Pharao Ist einer, der Judith Josephi sah Und sein Herz blieb stumm und lau? Schöner war einst in Samaria Keine Hammoriterfrau; Ihr Angesicht ist rot und weiß Wie Linnen, getränkt in Bordeaux, Ihre Augen, blau wie Ehrenpreis, Sind liebessiegesfroh. Im Völkermuseum ein Bildnis starrt Geformt aus grauem Stein, Seine kalten Züge stehen hart Im warmen Sonnenschein; Düster droht das hehre Uralte Königsbild, Seine Augen sind mit Leere, Seine Lippen mit Schweigen gefüllt. Judith Josephi steht vor dem Stein Des großen Pharao: »Das soll ägyptische Bildkunst sein? Ich finde es plump und roh!« Einen Nasenstüber Versetzt sie dem grauen Gesicht: »Wissen Sie was, mein Lieber? Sie imponieren mir nicht!« Das graue Bildnis kraust die Stirn, Ein Schauder sie erschreckt; »Es braust mir wohl noch im Gehirn Von heute Nacht der Sekt.« Aber dann rauscht sie weiter, Ihre seidenen Röcke weh'n, Wo hell und hold und heiter Die Götter der Griechen steh'n. »Ach ja, die Nacht war toll und lang!« Die Augen werden ihr schwer; Sie gleitet auf die Ruhebank, Still ist es um sie her. Es sinken ihre Lider, Lauter ihr Atem weht, Langsam auf und nieder Ihre Spitzenbluse geht. Längst erlosch an der roten Wand Der gelbe Sonnenschein, Im grauen Spinnewebegewand Tritt der Abend ein; Die Töne der Glocke verklangen, Schweigen bricht ringsum hervor, Der Wärter ist gegangen, Es schloß sich Tür und Tor. Eine eherne Stimme das Schweigen stört: »Judith Josephi, tritt her!« Aus ihrem Schlummer empor sie fährt, Ringsum ist's stille und leer; Rundum ihre Augen spähen, Das Schweigen atmet tief, Niemand ist zu sehen, Der sie mit Namen rief. Des Pharao Bildnis starrt sie an Mit leerem Gespensterblick, Zieht langsam sie in seinen Bann, Ihr Herzblut tritt zurück; Und wiederum schallt die Stimme Und hallt so tief und schwer, Die schreckliche, die schlimme: »Judith Josephi, tritt her!« Auf ihrer Stirne liegt der Schweiß Und brennt des Fiebers Glut, Ihre Hände sind so kalt wie Eis, In den Schläfen braust ihr das Blut; Und abermals tönt die Stimme Und dröhnt so hohl und leer, Die grausige, die grimme: »Judith Josephi, tritt her!« Zitternd bricht sie in die Knie Mit schrillem Schreckensschrei, Aus tiefster Seele wimmert sie: »Jahve, stehe mir bei!« Unter Seufzen und Stöhnen Schleppt sie sich voran, Und hört die Worte tönen: »Steh' auf und sieh' mich an!« Der ehernen Stimme hohler Laut Ihren Willen in Stücke bricht, Sie hebt die Augen auf und schaut In das steinerne Gesicht; Dumpf und dröhnend hallen Die Worte auf sie herab, Gleich Schollen, wenn sie fallen In ein tiefes Grab: »Judith Josephi, du hast gelacht Ins Gesicht dem Pharao, Du, deren Volk einst ist zerkracht In meiner Hand wie Stroh; Wie eine Unwetterwolke Stand ich über dem Land, Die Hälfte von deinem Volke Trat ich in den Sand. Es schwirrte Israels Weheschrei Meinen Rossen voran, Ich schleppte in die Sklaverei Siebenzigtausend Mann; In grauen Bettlerröcken Ging eurer Großen Schar, Meinen Speichel mußten sie lecken Dreiunddreißig Jahr. In meinem Zelte die ganze Nacht Eures Königs Tochter schrie, Ihrer Tränen habe ich gelacht. Meine Lust versüßten sie; Es lag vor meinem Bette Ihr Vater mit grauem Gesicht An einer Hundekette, Seine Flüche trafen mich nicht. Judith Josephi, dein Leib ist schön Und süß ist dein Gesicht, Entgürte dich, ich will dich seh'n Nackend im Sternenlicht.« Die steinernen Hände greifen An ihres Gürtels Schluß, Die steinernen Lippen streifen Sie mit kaltem Kuß. Ist einer, der Judith Josephi sieht, Und dem das Herz nicht friert? Grauen aus ihren Augen glüht, Als hätte der Tod sie berührt; Ihre roten Lippen erbleichten, Sie wurden nie mehr froh, Seitdem auf ihnen keuchten Die Küsse des Pharao.