Der Aufbruch der Hunnen Man sagt, zum Lager des Nomadenstamms Kam wandernd einst durch die verbrannten Strecken Ein großer Hirt im grauen Elenwams. Sein Antlitz war entstellt von Pockenflecken, Sein Leib verzehrt und elend; um ihn schwamm's Und kroch's von Raupen, Mäusen und Heuschrecken, Die er mit dorngeflochtner Geißel hieb Und fluchend vorwärts durch die Heide trieb. In seinen hohlen Blicken lag ein tiefer, Jahrhundertalter Gram, ein grauer Bart Hing lang und wirr vom abgedorrten Kiefer; Um seine Schultern saß nach Jägerart Ein Tierfell, doch zersetzt, voll Ungeziefer, Und wie sein Scheitel, grau und dünnbehaart. Um seine Lenden bei der Ledertasche Hing wie bei Pilgern eine Kürbisflasche. Indem er vor die Lagerwälle saß Und Dorne zog aus seinen nackten Füßen Und seine Herde rings die Flur zerfraß, Sprach er zum Volk umher: Ich soll euch grüßen. Ich bin der Hunger; Moos und dürres Gras, Gefallner Tiere Fleisch lernt' ich genießen. Die Wurzel, die ich aus der Erde riß, Dünkt meinem Gaumen noch ein Leckerbiß. Ich wohne bald am unfruchtbaren Meere, Bald, wo taglang am toten Dromedar Die Schakals nagen in der Menschenleere, Wo nie der Sand ein Sonnenkind gebar. Auch mach' ich oft mit einem Siegesheere Vor aller Welt mein Dasein offenbar Und lass' in Städten, die sich täglich füllen, Die Menschen wütend durch die Straßen brüllen. Zu euch jetzt! Wandert aus von euren Sitzen! Zieht aus und fort, von mir hinausgeschreckt! Durch ferne Länder sollt ihr niederblitzen, Wie Hagel, der die Saaten niederstreckt, Und wie ein Wolkenbruch in Felsenritzen Versiegt und in die Tiefen sich versteckt, So sollt auch ihr im großen Völkerbrunnen Versiegen gehn. Und jetzt – fort! vorwärts, Hunnen! Er sprach's, da ward von unzählbaren Nagern Die Heide bald ein ödes Heidegrab. Der Hunne sah die Herde täglich magern Und einen Boden, der ihm nichts mehr gab. Und also zogen sie aus ihren Lagern Vom Steppenhochland Asiens herab Und wälzten, Volk um Volk in sich begrabend, Verheerend sich von Morgen gegen Abend. Sie kommen, wie das Herbstlaub von den Ästen, Das aufgehäuft im Sturm von dannen fliegt. Am Tanais und wo in den Morästen Des Schwarzen Meers der große Strom versiegt, Entfliehn solch nie gesehnen Schreckensgästen Teils unterjocht und teils noch unbesiegt Nach Süd und West sich rastlos fortbewegend, Die namenlosen Stämme jener Gegend. So muß es sein, wenn in den Tropenzonen Durch Urwaldnacht ein plötzlich Feuer leckt; Im Flug ergreift's die höchsten Gipfelkronen, Aus Höhlen, die kein Lichstrahl noch entdeckt, Fliehn alle Tiere, die den Forst bewohnen; Der Adler, von dem neuen Tag erschreckt, Verläßt sein Nest am tausendjähr'gen Stamme Und rauscht empor, ein Phönix aus der Flamme. Zu Boden stürzen uralt dunkle Rüstern, Die Äste fliegen prasselnd auf, es blitzt Aus Säulen Rauches, die den Himmel düstern; Es kocht der See, Fels, Sumpf und Erde schwitzt; Die Steppenrosse mit weit offnen Nüstern, Die Mähnen hoch, die Adern aufgeschlitzt, Fliehn fort und fort, verfolgt vom Feuerstrudel, Und ihnen nach der Antilopenrudel. –