Gleim, Im Lager bei Prag [Johann Wilhelm Ludwig Gleim:] Im Lager bei Prag . Unter dem Artikel von Berlin haben wir, auf der vorhergehenden 404. Seite, zwei Siegeslieder eines preußischen Officiers angeführt; und unter diesem wollen wir dem Leser zwei ähnliche aber weit bessere Gesänge mitteilen, die einen gemeinen Soldaten zum Verfasser haben. Der erste, welcher uns nur geschrieben zu Händen gekommen, ist bei Eröffnung des diesjährigen Feldzuges, von ihm gesungen worden, und heißt ein »Schlachtgesang«. Der zweite ist ein »Siegeslied« nach der Schlacht bei Prag (den 6ten Mai 1757) und man hat ihn auf einem Bogen in Quart abgedruckt, dessen Titel den oben vorgesetzten Ort angibt. Sie könnten beide weder poetischer noch kriegrischer sein; voll der erhabensten Gedanken, in dem einfältigsten Ausdrucke. In der gewissen Überzeugung, daß sie gefallen müssen, und daß sich unsre auswärtige Leser nicht an Dinge stoßen werden, die der Verfasser als ein Mann sagt, der die Gerechtigkeit der Waffen seines Königes voraussetzen muß , rücken wir sie hiermit ganz ein: Auf, Brüder, Friedrich unser Held, Der Feind von fauler Frist, Ruft uns nun wieder in das Feld, Wo Ruhm zu holen ist. Was soll, o Tolpatsch und Pandur, Was soll die träge Rast? Auf und erfahre, daß du nur Den Tod verspätet hast. Aus deinem Schädel trinken wir Bald deinen süßen Wein Du Ungar! Unser Feldpanier Soll solche Flasche sein. Dein starkes Heer ist unser Spott, Ist unser Waffenspiel; Denn was kann wider unsern Gott Th*** und B*? Was helfen Waffen und Geschütz Im ungerechten Krieg? Gott donnerte bei Lobesitz, Und unser war der Sieg. Und böt uns in der achten Schlacht Franzos und Russe Trutz, So lachten wir doch ihrer Macht, Denn Gott ist unser Schutz. Victoria, mit uns ist Gott, Der stolze Feind liegt da! Er liegt, gerecht ist unser Gott, Er liegt, Victoria! Zwar unser Vater ist nicht mehr, Jedoch er starb ein Held, Und sieht nun unser Siegesheer, Vom hohen Sternenzelt. Er ging voran der edle Greis, Voll Gott und Vaterland! Sein alter Kopf war kaum so weiß, Als tapfer seine Hand. Mit muntrer jugendlicher Kraft Ergriff sie eine Fahn, Und hielt sie hoch an ihrem Schaft, Daß wir sie alle sahn. Und sagte: »Kinder, Berg hinan, Auf Schanzen und Geschütz!« Wir folgten alle, Mann vor Mann, Geschwinder, wie der Blitz. Ach, aber unser Vater fiel, Die Fahne fiel auf ihn. O, welch glorreiches Lebensziel, Glückseliger Schwerin ! Vielleicht hat Friedrich dich beweint, Indem er uns gebot; Wir aber stürzten in den Feind, Zu rächen deinen Tod. Du, Heinrich , warest ein Soldat, Du fochtest königlich! Wir sahen alle, Tat vor Tat, Du junger Löw auf dich! Der Pommer und der Märker stritt, Mit rechtem Christenmut. Sein Schwerd ward rot, auf jeden Schritt Floß schwarz Pandurenblut. Aus sieben Schanzen jagten wir Die Mützen von dem Bär; Da, Friedrich , ging dein Grenadier Auf Leichen hoch einher! Dacht in dem mörderischen Kampf, Gott, Vaterland und dich ; Erblickte schwarz von Rauch und Dampf, Dich, seinen Friederich ; Und zitterte, ward feuerrot Im kriegrischen Gesicht; (Er zitterte vor deinem Tod, Vor seinem aber nicht.) Verachtete die Kugelsaat, Der Stücke Donnerton, Stritt wütender, tat Heldentat, Bis deine Feinde flohn. Nun dankt er Gott für seine Macht Und singt: Victoria! Und alles Blut aus dieser Schlacht Fließt nach Th*** Und weigert sie auf diesen Tag Den Frieden vorzuziehn; So stürme, Friedrich, erst ihr Prag, Und dann führ uns nach Wien!