3. Palinodie Was scheibst du armer Persifflant, was lärmst du doch? Es gilt ja nichts, geh schweig' und lerne noch! Herunter mit dem Herzen! mitgeschworen Zur bunten Fahn' der klaßischen Autoren, Geh lern' gemeinen Sinn 1 , geh lern' Geschmack, Betäub' dein reges Hirn mit Rauchtoback, Die linke Hand beständig in den Hosen – Nur so gelingt es dir, den Ohren liebzukosen. Beym dritten Wort Schäsmin, beym vierten Grazien Macht Herz und Augen zu Ergiessungen, Mit Noten ohne Zahl von Sylph und Faunen Machst du die Journalisten staunen. Ach sey ein grosser Mann und lecke wer dich leckt, Associire dich, sonst wirst du nie geschmeckt. Das deutsche Publicum weiß nimmer aufzuhören; Rennt's einmal einen Weg, so ists nicht umzukehren. Wer's einmal an sich zog, der schwatz und stelle sich Mein'thalben auf den Kopf, er zieht es ewiglich. Sobald es ihm gefällt das Mäulchen krumm zu machen, So lacht's und lacht's ein unauslöschlich Lachen 2 Und wenn er's wieder dann zusammen zieht, Sind's alle Nioben, die weinen in sein Lied. Es steht ja nur bey dir dich mit ihm einzudrängen; Häng dich an ihn mein Sohn, sonst bleibst du hängen. Wer grad vor sich aus beyden Augen sieht, Hat Schlangen um den Kopf, die jeder flieht. Ein überspanntes Hirn nur darf sich trauen, Die scheußliche Medusa anzuschauen, Und wollte gar ein Kerl behaupten, sie sey schön 3 So wär' er ein Genie, wie wir das Wort verstehn: Ein Ungeheur mit funkelnd hohlem Munde Mit mehr als einem bösen Feind im Bunde, Ein wilder Gems der immer Hopsa springt Und Gaßner 4 selbst nicht mehr in Ordnung bringt. Schneid immer hübsch die Federn, eh du schreibest, Schlag die Excerpten auf, putz dir die Nägel, bleibest Du eine Stund' am Pult, so müßt' es schändlich seyn, Stieg' nicht mit Haus und Hof Apoll in dich hinein – Mit Gratien und Amoretten. Deine Lieder Wie werfen sie den Drachen Python nieder, In dessen rauhem Ohr die holde Melodie Unendlich sich verliert in tiefe Apathie. Er frißt dich nicht, du hast ihn überwunden, Er spielt mit dir in Dauungsstunden. Nur eines noch. Seit kurzer Zeit Treibt man das Ding mit mehr Verschlagenheit. Man nennt sein Tage nichts bey Namen, Man hustet, winkt – aus Achtung für die Damen, Die uns denn schon, sind ihre Seelen schön, Aufs Zehntheil eines Worts verstehn. Das giebt denn ein Gelächel, ein Geflüster Als wärens Herrenhuts Geschwister, Und gienge gleich mit Creutzluftvögelein Ins blaue Cabinet hinein. Gottlob und Dank es sind der schönen Seelen Soviele schon, daß uns die Sänger fehlen, Und wie den Sand am Meer schafft Frau Mama Natur Die Abonnenten zum Merkur. Sing ihnen nach und lecke deine Reime Wie Bären ihre Brut. An diesem Vogelleime Klebt jegliches Insekt, vertieft mit Wollust sich Und stirbt den süssen Tod und seegnet dich Noch schnappend, stammelnd, mit gebrochnen Augen Und glaubt Ambrosia zu saugen. Welch ein Triumph! in deinem Bernstein findt Die Nachwelt einst wie manches schöne Kind, Das deiner Influenz sich willig überlassen, Froh am Altar der Venus zu erblassen. Fußnoten 1 Sens commun. 2 Ein Ausdruck Homers. 3 Winkelmann will, die Alten hätten sogar ihre Medusenköpfe schön gebildet. 4 Wunderthäter zu Ellwangen.