Viertes Buch. Die Feuersnoth Schon verbreitet die Mitternacht das schwarze Gefieder Ueber den stillen Erdkreiß. Nun herrscht, von dienstbaren Schaaren Gaukelnder Träume umflattert, der Schlaf auf den reizenden Bogen Die das Auge sanftschmachtend ruhender Schönen umwölben: Oder er fesselt auf hartem Lager den schnarchenden Landmann, Der im verwirreten Traume dem langsamen Pflugochsen fluchet. Schwärzre Stille wohnet im Thal. Von rauchen Klippen Kochen Wasserfälle hinab, beständig eintönig, Und aus dem schaurvollen Wald ist der Vögel Stimme verschwunden. Doch welch blutiger Glanz steigt plözlich am finsteren Himmel Wechselnd empor, wird grösser, verliert sich, wächset von neuem: Jezo wallet er hoch auf. Mit gräßlichen Fittigen fliegen Rauchwolken bei ihm vorüber. Ein Sturmwind erhebet sich ostwärts Und sprüht feindliche Funken auf die umliegenden Dächer. Zitternd eilet mein Fuß dem wilden Schauspiele näher. – Ach ein wütendes Feuer in der entschlafenen Stadt frißt, Wie ein entfesseltes Unthier, was ihm begegnet. Die Häuser Stehn und können nicht fliehn, und bükken ihr Haupt aus den Wolken Nieder in Asche. Wie brauset der Nacht entweyhete Stille! Ueber die Flamme bläht sich der Dampf: die bleicheren Sterne Schwinden: den gläsernen Himmel wölkt ein irdisch Gewitter. – Plözlich erschallt die dumpfe Stimme der rasselnden Trommeln Durch die traurig erleuchteten Gassen; Sie scheuchet urplözlich Den so sichern Traum vom Lager des Hausvaters. Aengstlich Fährt er empor und wekket die zitternde Gattin: auch färbet Blässe die Wange des zärtlichen Mädchens, des weinenden Knaben. Von dem falben, fürchterlich wiederscheinenden Kirchthurm Brüllet die Feuerglokke hinunter: und alles wird rege. Menschen, in der Dämmrung unkenntlich, stehen von ferne, Ringen die Hände und rufen laut: Da ist keine Hülfe! Die entlegensten, schwärzesten Gassen durchmurmelt ein hohles Und verwirretes Sprechen: man klaget die Elenden, deren Häuser das flammende Monstrum verschlingt und fürchtet den Rachen. In den näheren Gassen zerstreut, verwirret, zerbrochen Liegt ausgeworfener Hausrath. Es wacht beim kleinen Vermögen Die tiefseufzende Hausfrau und sieht mit sehnlichem Blikke Ihrem Manne nach, der mitten ins Feuer sich waget Seiner Nachbarn Haabe zu retten; die Kinder stehn um sie, Zittern vom nächtlichen Frost und blikken kläglich zum Himmel. Unterdeß schwizzet und arbeitet ängstlich ihr größerer Bruder Auf dem zischenden Dach es fürs Entbrennen zu schüzzen. Schnell steigt wildes Geschrey zum Himmel, da ein Gebäude Krachend einstürzt. Es heult die kaum gerettete Gattin Um den vermißten Gemahl, und fragt mit ausschweifendem Schmerze Jeden, den sie erblikt: »Hast du ihn gesehen?« Aller Trost verstummt. Mit aufgelöseten Haaren Eilt sie die dunkle Gasse hinauf: – da sieht sie ihn stehen, Bloß, im Kleide der Nacht, ihr Kind an der bebenden Rechte, Ohne Empfindung steht er, an eine Mauer gesunken. Schnell, mit lautem Schreyn, ganz außer sich fällt sie ihm um den Hals: »Bist du es, Geliebter, o lebst du, o bist dus?« Ohnmächtig sinken sie beyde im Finstern dahin, bis ihr Freund sie In sein Haus nimmt und erquikt, daß sie weinend sich freuen. Aus der brennenden Hütte wird auf dürftigem Lager Ein Todkranker getragen. Er sieht mit dämmerndem Auge Furchtsam nach dem blutrothen Himmel. Die einzelne Träne Starrt, mit kaltem Schweisse vermischt, auf dem bleichen Gesichte. Unvermögend zu sprechen, dankt er mit sehnlichen, starren Blikken seinen Errettern und wimmernde Seufzer entfliehen Dem schon röchelnden Busen für seine leidenden Brüder. Ach wie zittern die magern, verwelkten, knöchernen Glieder In der Kälte der Nacht, da sie kaum Lumpen bedekken. Izt sezt man ihn draussen nieder. Dem brechenden Auge Schimmert die Flamme noch: er erhebet noch einmal Die gefaltene Hand und stirbt. Eine Gebärerin liegt noch kaum von der Bürd' entlastet, Die sie trug, betäubt und kraftlos. Alles verläßt sie Und vergißt die hülflose Kranke der Gluth zu entreissen. Ach sie hört das hohle Brausen des Feuers: schon dringt es Durch die plazzenden Fenster ins einsame Zimmer. Dreymal Hebt sie die sinkenden Arme empor: »Erbarmt euch! erbarmt euch!« Aber die eilende Flamme naht. Gestärkt durch des Todes Ihr nicht fremde Angst, raft sie die unwilligen Glieder Auf und eilet bis zur Thüre des Zimmers: hier weichen die lezten Kräfte, sie sinkt und ächzet und stirbt, eh Flammen sie tödten. Ach nun hat sich das Feuer schreklich verbreitet. Die hohen Palläste stehen entdekt, gefüllet mit Gluth; die dem Himmel Nachäffen wollten, sind Höllen geworden. Durch prächtige Fenster Schlagen wilde Flammen hinaus: die güldenen Leuchter Und die langen Spiegel tröpfeln von brennenden Wänden, Japans Schäzze zerspringen. Geweyhete Häuser und Tempel Schonet das wütende Element nicht. Hoch in den Lüften Steigt es die Spizzen der Thürme hinan: der erschrokkene Wandrer Zittert von fern bei dem Anblik. An Pfeilern kriecht es hinunter Und die Chöre fallen zu Boden. In gräßlichen Tänzen Hüpfen auf trauerndem Altar Flammen umher, und vom Lehrstuhl Predigt die Feuersäule in der sich der HERR offenbaret. Auch vermehrt sich die Stimme der Angst, die Stimme des Weinens Um den Sohn, um Vater und Mutter, die rauhere Stimme Sich zurufender Retter. Arme vernunftlose Schaaren Menschlicher Bestien rasen umher und jauchzen: sie hat das Feuer dem Haus' entrissen, das die lebend'gen Ruinen Unsers stolzen Geschlechts an warnenden Ketten bewahret. Schon kehrt auf ätherischer Bahn die treue Sonne Zur in Todesschatten verlassenen Erde zurükke Und entdekt sich zuerst dem Gipfel des frohen Gebirges: Da erblikt sie die schrekliche Morgenröthe; die Gegend Dampft von Schwefeldünsten und gräßliche Rauchwolken wollen Bey dem Einzug des Morgens der Finsterniß Herrschaft behaupten. Und nun verbirgt sie ihr tröstliches Licht; der blaue Himmel Trauret, weit umher trauret die Flur. Schwarzströmende Flüsse Rauschen gewaltig, und bieten ihr zu entferntes Gewässer Laut den rathlosen Rettern dar. Auch flüchten die Vögel Ohne Morgenlied, schüchtern in die verborgensten Büsche. Aber laß uns, o Muse! die unglükseligen Mauren Die die Gluth verödet, noch nicht verlassen; denn bängre Jammervollere Scenen müssen sich dort noch eröfnen. Damon, ein zärtlicher Gatte fährt, vom Schauder ergriffen, Plözlich im Arm seiner Lesbia auf, und lauschet und höret Das Geprassel der Flammen. Er rennt entkleidet, halb träumend Sprenget die Thür, und sieht sich schon mitten im Feuer. Schnell stürzt er Die verbrannten Stiegen der steilen Treppe hinunter. Aber ein grauser Gedanke fliegt wie ein Bliz in die Seele. »Lesbia!« – und nun will er zurük den Trost seines Lebens Seine treuste Geliebte zu retten. Zu langsamer Retter! Schon ist die Dekke des Zimmers in welchem sie ruht, eingesunken Tödtendes Unglük! er steht erstarrt, versteinert, noch zweifelnd Ob kein scheußlicher Traum ihn schrekke: ach! da ertönet Ihm die sterbende Stimme seiner gemarterten Gattin Und ihn dünkt seinen Namen zu hören: jezt rufet sie matter Bis sie nicht rufen mehr kann. »O Lesbia!« brüllt er, die Hände Und das verwilderte Auge gen Himmel, aus dem eine kalte Langsame Träne herabirrt; »Lesbia! Lesbia!« Plözlich Stürzt er ihr nach in die grausame Gluth. Dort ergreift die erschrokkene Mutter, umklemmet von Flammen Ihr geliebtes Kind und wirft es mit zitternden Händen Von dem hohen Stokwerk hinab. O Gott! daß ihr Auge Es hinstürzen sehen muß, ihr schwimmendes Auge, Daß es sehn muß das zarte Haupt zerschmettert am Ekstein Und das rinnende Blut in seinen goldgelben Lokken! Stumm, verzweiflungsvoll, sinnlos und stumm, mit verbreiteten Armen Bleibt sie stehen und läßt sich gern von den Bränden begraben. O erbarme dich, Himmel! Weinet mitleidige Wolken, Weint in die wüthende Gluth, die wie das Feuer zu Sodom, Schon viel Tage durch raset. Schaut der Menschen Bemühung Ist ermattet und der Löschenden Arme gesunken. – Ja dort eilt er vorüber, der Bothe des Friedens, das schwangre Schwarze Gewölk, der Retter, den Gott vom Himmel uns sendet. Jauchzt! er schüttet die Urne voll von kräftigen Wassern In die thürmenden Flammen. Vergeblich flattern sie scheußlich Oft noch empor. Auch ergießt sich der irdische Regen von neuem Und unterdrükket den feurigen Strom. Bald liegt er gedämpfet Wie ein übermanneter Bär. Die lodernden Brände Sprühen die lezten Funken. Ein dampfender Feuerheerd scheinet Izt die verwüstete Stadt. Die nakkenden Schornsteine drohen Und Elisäische Palläste sind zerrüttete Mauren. So liegen fleischleere Beine des schönsten Körpers, unkenntlich Bei durchlöcherten Schedeln, in denen vormals die braunen Siegenden Augen brannten, izt hohl und ein Abbild des Todes. Wie der Hölle entrunnen irren die Dürftiggewordnen Nur mit Lumpen bedekket um das Grab ihrer Häuser, Suchen zerschmolzenes Silber, erzehlen mitleidigen Fremden, Oder flehen sie an. Dort, schröklich Geschäfte! dort suchet Die Gebeine des Weibes ein trostloser Mann: sie hatte In die verschonende Flamme sich wieder verwegen gewaget: Grausamer Hang zu untreuen Gütern, der Leben und Freude Für ein Linsengericht hinopfert, du machst deinen Sclaven Selbst den Hunger nicht schwer und selbst die Flamme nicht schröklich. Dir flucht auch des Ehemanns Seufzer. Er kann ihn nicht seufzen. Kann nicht mehr weinen: dem Auge schimmern die Gegenstände. »Theurer Märtrer, so denkt die Wehmuth in ihm, was hilft mir Dein gerettetes Gold, da du der beste der Schäzze Nicht mehr bist, da ich dein blasses holdseliges Antliz Und dein gebrochenes Auge sogar nicht sehn darf, der Freude Auch der bitteren Freude mich nicht erfreuen kann, deine Kalten verschlossenen Lippen an die meinen zu drükken!« Oft am schlechten Kittel zupft ein neugieriger Reicher Ihn und forscht was ihm fehle. Er suchet fort, dann blikt er Gleichgültig auf, und sieht ihm lang ins Gesicht: mit erzwungner Schluchsender Stimme bricht er dann aus: »Sie starb! Ach sie such ich, Ach ich suche mein Weib.« Nun fährt er fort in der Asche Und im Schutte zu graben und findt, (o traurige Freude!) Findt die schwarzen Gebeine, und indem Ströme von Tränen Aus seinen Augen stürzen, liebkoset und drükt er sie an das Blutende Herz: »O Gott!« da verstummt er, bis sein Vertrauter Mitleidig zu ihm eilt, mit ihm den Ueberrest sammelt Und ihn mit tröstenden Freundschaftszären dem Sarge vertrauet. Lange herrschet die Armuth, auf dem dürftigen Throne Von Ruinen erbauet über die schüchternen Bürger. Steter Fleiß erhöht sie kaum zum vorigen Glükke Und wenn seltene Edle ihnen die Güter nicht liehen Die ihnen Gott erhalten, so würden sie nimmer dem Staube Sich entschwingen. Wie beben sie izt den flammenden Richter, Der Elemente Vater zum strengen Eifer zu reizen; Aber bald vergißt ihre Schwachheit der strafenden Allmacht Und mit emporgesträubtem Haupt, (o Greuel der Menschheit!) Spottet der krümmende Wurm der Ferse die ihn zerquetschte.