98. Hymne O du mit keinem Wort zu nennen, Den alle haben und verkennen, Den, selbst wer ihn mit Zwang verehrt, Auch vor ihm fliehend, noch begehrt. Selbst der, den du im sanften Bilde Des Weibs entzükst, wie jener Wilde Der gegen Todeswälle steigt Und dir, ja dir entgegen schweigt! O du wie anders als Schimäre Des Heuchlerdursts nach Pöbel-Ehre Dich, nein: nur sich der blöden Welt In deinem Kleide dargestellt, Und dennoch selbst in diesem Bilde Ihn nicht verlierst, den Stral von Milde Der im verzerrtsten Angesicht Noch Reste deiner Gottheit spricht. Alldulder! – dieser Ahndung Glük – Sonst alles – nimm es nie zurük! Laß mich es hegen, wie zuvor Als höchsten Reiz, den ich erkohr, An dem ich mich im stillen sonnte, Eh ich es wagen, sprechen konnte, Und dadurch mein Gefühl verlor. O du, dem alles, was wir geben Und geben können, Dank nur ist, Und doch der Ohnmacht im Bestreben Schon gleich mit Wohlthun nahe bist! Wer dankt dir, Gottheit – wenn wir brennen Daß wir dich Vater nennen können, Und der umfangne, der dich singt Nicht bang in Scheiterhaufen springt. Wer hält uns, solchen Werth zu fühlen, Wer zieht der Nerven Saiten nur So hoch, als zitternd die Natur Sie ausgesponnen, dich zu spielen! – Wer dankt dir, daß du Schwachheit trägest Und Stärke bei der Ohnmacht liegt, Daß du durch Menschen Stürme legest, Mit denen unsre Seele fliegt, Wenn Eigendünkel sie betriegt! – Und doch dieß Herz, wenn du es schlägest, Ein Zug von Stolz im Schmerz vergnügt, Mit dem es sich zu dir erhebet, Bis alle die Verwirrung fliehet, Und von der Höh' auf der er bebt Er eine Welt voll Segen siehet, Wo Demuth den Genuß belebt. O du, was ist, erschwäng, erhübe Sie gleich bis an den Himmel sich, Was ist des frömmsten Menschen Liebe Allsiegend Feuer! gegen dich? Giebts eine, die so wenig drükt So unabsichtlich groß entzükt, So vorbereitend vorbereitet, Nach jeder Fähigkeit beglükt Und wie die Sonne ausgebreitet Zu höherm Glükschwung jede leitet? Auch auf dem Hügel wo ich stehe Standst du, und Gott auf welcher Höhe Littst du, für das was ich von dir Erhielt – littst du den Tod dafür Den Tod und welchen! – welch ein Leben Dahinzuschleudern – welch ein Leben, Das Plan zu diesem Tode war, Ein langsam überlegtes Streben Nach unerbittlicher Gefahr! Bewußtsein – halte Gott! den Schwachen Nun Schritt vor Schritt den Weg zu machen Von dem kein Wesen wiederkam. Ach wo dich aus dem Todesnachen Verzweiflung in die Arme nahm. Sie that sich auf, sie eine Hölle, O liebenswürdger unter dir! Und Engel bebten an der Schwelle, Ach Engel bebten zu vergehen, Dich auf dem Weg dahin zu sehen, Und du, ein Mensch, du giengst ihn ab – Es schloß sich zu das geistge Grab; Und – Gott! mein Gott! nun über dir Und – Herr mein Gott – an meiner Stelle – Wer bin ich, der befreit vom Bann Das denken und noch leben kann!