B. Ein wohlgenährter Kandidat Der nie noch einen Fehltritt that, Und den verbotnen Liebestrieb In lauter Predigten verschrieb, Kehrt einst bei einem Pfarrer ein, Den Sontag sein Gehilf zu sein. Der hatt' ein Kind, zwar still und bleich Von Kummer krank, doch Engeln gleich Sie hilt im halberloschnen Blick Noch Flammen ohne Maaß zurück, All itzt in Andacht eingehüllt, Schön wie ein marmorn Heiligenbild. War nicht umsonst so still und schwach, Verlaßne Liebe trug sie nach. In ihrer kleinen Kammer hoch Sie stets an der Erinnrung sog, An ihrem Brotschrank an der Wand Er immer, immer vor ihr stand, Und wenn ein Schlaf sie übernahm Im Traum er immer wieder kam. Für ihn sie noch ihr Härlein stutzt, Sich, wenn sie ganz allein ist, putzt, All ihre Schürzen anprobiert Und ihre schönen Lätzchen schnürt, Und vor dem Spiegel nur allein Verlangt er soll ein Schmeichler sein. Kam aber etwas Fremds ins Haus So zog sie gleich den Schnürleib aus, That sich so schlecht und häuslich an, Es übersah sie jedermann. Zum Unglück unserm Pfaffen allein Der Lilie Nachtglanz leuchtet ein, Obschon sie matt am Stengel hing. Früh eh er in die Kirche gieng Er sehr eräschert zu ihr trat Und sie – um ein Glas Wasser bat – Dann laut er auf der Kanzel schreit Man hört ihn auf dem Kirchhof weit Und macht solch einen derben Schluß Daß alt und jung noch weinen muß, Und der Gemeinde Sympathie Ergriff zu allerletzt auch sie – S' ging jeder wie gegeißelt fort – Der Kandidat ward Pfarr am Ort. Obs nun die Dankbarkeit ihm that, Ein's Tag's er in ihr Zimmer trat, Sehr holde Jungfrau, sagt er ihr, Ihr schickt euch übel nicht zu mir, Ihr seid voll Tugend und Verstand, Ihr habt mein Herz, da nehmt die Hand – Sie sehr erschrocken auf den Tod Ward endlich wieder einmal roth, »Ach lieber Herr – – mein Vater – ich – Ihr findet bessere als mich Ich bin zu jung – ich bin zu alt –« Der Vater kroch hinzu und schalt, Und kündigt Stund und Tag und Mann Ihr mit gefaltnen Händen an. Wer mahlet diesen Calchas mir Und dieses Opfers Blumenzier, Wie's vorm Altar am Hochzeittag In seiner Mutter Brautkleid lag, Wie's unters Vaters Seegenshand Mehr litt als es sich selbst gestand; Wie's dumpf, nur ahndend seine Pflicht Entzog den Quaalen sein Gesicht, Und tausend Nattern in der Brust Zum Dienste ging verhasster Lust. Ach Männer, Männer seid nicht stolz Als wär't nur ihr das grüne Holz, Der Weiber Güt' und Duldsamkeit Ist grenzenlos wie Ewigkeit. Sie fand an ihrem Manne nun All seinem Reden, seinem Thun, An seiner plumpen Narrheit gar Noch was das liebenswürdig war. Sie dreht und rieb so lang dran ab, Bis sie ihm doch ein Ansehn gab, Und wenn's ihr unerträglich kam Nahm sie's als Zucht – für ihren Gram. Ihr einzig Gut auf dieser Welt Der Engel noch für Sünde hält. Dem Mann gelind, sich selber scharf Sie – Gott – nicht einmal weinen darf. Sie kommt und bringt ihr Auge klar Als sein geraubtes Gut ihm dar, Und wenn er schilt und brummt und knirrt Ihr leichter um das Herze wird, Doch wenn er freundlich herzt und küßt Für Unruh sie des Todes ist. Denn immer, immer, immer doch Schwebt ihr das Bild an Wanden noch, Von einem Menschen, welcher kam Und ihr als Kind das Herze nahm. Fast ausgelöscht ist sein Gesicht, Doch seiner Worte Kraft noch nicht. Und jener Stunden Seligkeit Ach jener Träume Würklichkeit Die, angeboren jedermann, Kein Mensch sich würklich machen kann.