Klara Hebert Ein Romanzenkranz Cisteron Welche Freude fühlt der Wandrer, Zieht er so im Frühlingsstrahle Durch die schönen, liedervollen, Wonnigen Provencertale! Heißer glüht der Kuß der Sonne Auf den blumenreichen Matten; Süßre Labung rauscht die Quelle, Kühler säuseln hier die Schatten. Voller tönt des Donners Stimme, Und die Sterne blinken heller; Rascher blüht die Frucht und reifet, Und die Liebe zündet schneller. Unbesiegbar und unendlich Ist der Liebe banges Sehnen, Und es nagen in die Herzen Tiefer ihre Spur die Tränen. Aber führt der Weg den Wandrer An den Ort, den ich besinge, Kann er nicht dem Schauder wehren, Daß er ihm das Herz durchdringe. Am Gestade der Durance Sieht er eines Städtchens Mauern, Grauberäuchert, hin und wieder Seine stillen Häuser trauern. Grausenhafte Felsenschlünde Sieht der Wandrer dicht daneben, Selten auf granitnem Blocke Einen Strauch im Winde beben. In dem nächtlichen Reviere Scheint der Tod sich zu ergehen Und den Leben nachzusinnen, Die sein Odem wird verwehen. Von den Klippen, wie verzweifelnd, Stürzt der Wildbach in die Tiefe, Und er brauset in den Schluchten, Ob er bang nach Hülfe riefe. Furchtsam ruht am Fuß des Berges Städtchen Cisteron geschmieget, Wie zu des Gebieters Füßen Weinend eine Sklavin lieget. Auf dem Berge ragt Gemäuer, Und in längst verblichnem Glanze Herrschten hier von ihrem Schlosse Einst die Grafen der Provence. Wie so traurig hier dem Wandrer Die verfallnen Türme winken: Alles Edle hier auf Erden, Alles muß am Ende sinken! An den Türmen, steil und plötzlich, Hebt sich eine Felsenmasse, Eine Herberg für die Wolken, Auszuruhn auf ihrer Straße. Und zuhöchst am Felsenhaupte Steht ein Häuschen, einsam, wüste, Wo der Heide mit dem Opfer Seine Götter einst begrüßte. Doch in unsern schlimmen Tagen Ward der Tempel zum Gefängnis, Wo die Tyrannei ihr Opfer Quält in heimlicher Bedrängnis. Ludewig, du böser König! Richelieu, du arger Priester! Wagt der König nicht den Frevel, Schon vollbringt ihn der Minister. Zu beklagen ist die Menschheit, Will ein Priester ihr gebieten; Statt den Himmel ihr zu geben, Raubt er ihr die Erdenblüten.