3. Clorinda wegen Abwesenheit ihres Himmlischen Daphnis gantz unruhig/ sucht denselben an allen Orten Indica mihi, quem diligit anima mea, ubi pascas, ubi cubes in meridie, ne vagari incipiam post greges sodalium tuorum. Cant. 1. v. 6. Sage mir an/ du/ den meine Seele liebet/ wo du weydest/ wo du ruhest im Mittag/ daß ich nicht hin und her gehn müsse nach den Herden deiner Gesellen. 1. Wer kan mir sagen/ Wo Daphnis sich Hab' hingeschlagen Mit seinem Wollen-Vieh? Ich bin vor Liebe kranck/ und schwach/ Ach aber ach! An keinem Ort der Winden Weiß ich Ihn mehr zu finden! 2. Sag' mir/ mein Leben/ Dem meine Seel Gantz ist ergeben/ Was für ein' dunckle Höhl Halt neidig dich geschlossen ein? Wilst du dann seyn Zu Mehrung meiner Sorgen Vor mir so lang verborgen? 3. Als Saul alldorten 1 Erlegen schier An allen Orten Auffsuchte seine Thier/ Hast du durch den Propheten ihn Geleitet hin/ Wo er in wenig Stunden Die Maulthier hat gefunden. 4. Der Magdalenen Hast dich gezeigt: 2 Wilst meinen Thränen Dann bleiben ungeneigt? Die mich frühe suchen finden mich: 3 (Seynd deine Sprüch') Wie wilt du der Clorinden Dann weigern/ dich zu finden? 5. Sag'/ was für Heyden Beziehest du? Wo wirst du weyden Zu der Mittages-Ruh? 4 Damit ich nicht geh hin und her Weit in die Fehr Nach deiner Hirten Herden Mit ängstigen Beschwerden. 6. Als des Narcissen Liebhaberin 5 Sich lang beflissen Irgends zu finden ihn/ Ist endlich nach vergebner Mühe Gesuncken sie/ Und/ weil er sie verachtet/ Vor Traurigkeit verschmachtet. 7. Ihr Leib verkehret In einen Stein Ligt jetzt bethöret/ Die schwache Stimm/ allein Noch übrig/ klagt durch Berg/ und Thal Ihr Liebes-Qual/ Kan aber auff der Erden Nicht mehr getröstet worden. 8. Als dort Oenone Den Paris hatt' 6 Gesucht/ und ohne Denselben worden matt/ Hat endlich sie in Uberfluß Der Kümmernuß Zu Clotho sich gewendet/ 7 Den Faden selbst vollendet. 9. Wer ohne Finden Muß suchen lang/ Dem wird geschwinden Vor grossem Liebes-Zwang: Hat Dido nicht den Tod erwehlt/ Sich selbst gefällt? Die Lieb ist gar unärtig/ Will stäts seyn gegenwärtig. 10. Will nicht verwiesen/ Nicht seyn veracht/ Zeigt gegen diesen Ein Herculi sche 8 Macht/ Wo sie einmal geschlichen ein/ Da will sie seyn/ Und solte sich entgegen Enceladus 9 auch legen. 11. Evadne rennte Mit vollem Rann/ Als man verbrennte 10 Ihr den verstorbnen Mann/ 11 Und stürtzte sich vor Liebes-Hitz/ Gantz ohne Witz Mit in des Ehemanns Flammen Zu bleiben stäts beysammen. 12. Ich auch desgleichen/ O Daphnis, nicht Von dir will weichen/ Weil grösser meine Pflicht: Will sterben hertzlich gern mit dir/ Wann du nur mir Vergönnest dich zu finden Vergessend meiner Sünden. 13. Was aber frage Ich immerzu/ Wo zu Mittage Du habest deine Ruh'? Das Creutz ist deine Ligerstatt/ Wohin gantz matt 12 Mit hertzlichem Verlangen Zu ruhen bist gegangen. 14. Ich kan nicht irren/ Dort auff dem Berg 13 Der bittern Myrrhen Am Holtz/ so überzwerg/ Werd ich dich finden ohne Krafft/ Wo du schmertzhafft In mitten scharffer Waffen Vor Lieb in Gott entschlaffen. 15. Da find' ich Schatten Bey grosser Hitz/ Wann mich abmatten Die Forcht- und Kummer-Blitz'/ Da wird mich/ wann mein Hertz gantz trüb/ Dein' grosse Lieb Mit deinen allergrösten Angsthafftigkeiten trösten. 16. Wann ich betrachte/ Wie dich/ ô Gott/ Mein Hochmuht machte Vor aller Welt zu Spott/ So weiß ich nicht/ wie daß ich soll/ Der Sünden voll/ Hergehn in Gold/ und Seyden/ Kein Unehr wöllen leyden. 17. Wann ich erwäge/ Wie schmertzlich dich Die Streich/ und Schläge Ankommen seynd für mich Wie du verwundet allerseits/ So muß mein Creutz Vor deinem Creutz sich schämen/ Mich zur Gedult bequämen. 18. Was kan mich schmertzen/ Wann deine Qual Ich führ' zu Hertzen/ Die ohne Maß/ und Zahl? Solst du dann leyden nur allein/ Ich frölich seyn? Wie kan sich das wohl schicken/ Ich lachen/ du ersticken? 19. Wann ich dich liebte/ Ich billich auch Mit dir gern übte/ Was mühelich/ hart/ und rauch; Bin oder besser ich/ als du? Wer glaubt es nu? Wer ohne Creutz dich liebet/ Sehr weit dich von sich schiebet. 20. So will ich ziehen Dem Berge zu/ Das Creutz nicht fliehen Dem Leib zu schaffen Ruh'; Dein Joch ist süß/ die Burd ist leicht: 14 Wer es nicht scheucht/ Und selbst sich überwindet/ Dich/ und die Ruh bald findet. Fußnoten 1 1. Reg. 9. 2 Ioan. 20. v. 16. 3 Prov. 8. v. 17. 4 Cant. 1. v. 6. 5 Echo. 6 Parthanius in Eroticis. c. 4. 7 Zum Tod/ hat sich selbst entleibt. 8 Risen-Macht. 9 Ein grosser Niß. 10 Ovid. lib. 3. de arte. 11 Den Capaneus. 12 Cornel. à Lapide hic Cant. 1. v. 6. 13 Calvari-Berg. 14 Matth. II. v. 30.