Boreas und Phöbus Windgott und Sonnengott sahn einen Reiter, Der gegen Wetterunbill sorglich ausgerüstet. Vorsicht tut not dem, den's im Herbst gelüstet Hinauszuziehn: bald ist es trüb, bald heiter; Und wenn sich Iris mit der bunten Schärpe brüstet, So ist's gescheiter, Den Mantel mitzunehmen als daheim zu lassen. »Unsichre Monde«, sagen die Lateiner drum Von jener Zeit. Und unser Reiter war nicht dumm: Er hatte seinen festen, dicken Mantel um Und bangte nicht vor Sturm und Regenmassen. »Für jeden Fall geschützt hält sich der gute Mann,« So sprach der Wind, »er ahnt nicht, wie ich blasen kann. Kein Knopf hält stand vor meinem Wehen! Zum Teufel muß der Mantel gehen, Wenn ich es will. Willst du es sehen? Wir hätten unsre Freude dran.« »Gut,« sagte Phöbus, »da du so gewiß es weißt, So laß uns wetten, wer von uns zuerst dem Mann Den Mantel von den Schultern reißt. Beginne du! Ich will so lange mich verstecken.« Der siegessichre Bläser stopft sich voll mit Luft, Bläht sich wie ein Ballon und tobt sodann Los wie ein Höllenschrecken Und saust und pfeift und braust und pufft, Hebt Dächer ab auf seiner Bahn, Versenkt im Flusse Schiff und Kahn. Um eines Mantels wegen alles dies! Der Mann gab acht und ließ Den Wind sich nicht im Mantel fangen. Das schützte ihn. Je mehr es um ihn braust und brüllt, Nur desto fester hat er sich hineingehüllt. So blieb der Mantel gut an seinem Platze hangen, Und wie der Sturm auch faucht und fegt, Der Kragen und die Falten wurden nur bewegt. Sobald der Wette festgesetzte Zeit vergangen, Verjagt die Sonne Sturm und Regen, Erfreut den Reiter, den sie bald erhitzt, Daß er im Wettermantel schwitzt, Und zwingt ihn so, den Mantel abzulegen; Fand ohne große Mühe ihn bereit. Sanftmut kann mehr als Heftigkeit.