241. Die keusche Nonne. Angelus: Annales Marchiae ad A. 1325. Im Jahre 1325 machten die wilden Polen und Litthauer einen Einfall in die Mark, und da geschah's, daß ein Baior dieses Haufens eine schöne Jungfrau aus einem Kloster raubte, und bald mit Bitten bald mit Dräuworten sie anging, ihm zu Willen zu sein, allein er konnte sie nicht erweichen. Deshalb unterstand er sich, Gewalt gegen sie zu brauchen, und wie sie nun einsah, daß sie würde unterliegen müssen, bat sie den Barbaren erst mit Thränen, dann mit Liebkosung, er wolle doch ihrer Ehre verschonen, dagegen wollte sie ihm eine Verehrung thun, davor er sich unter allen sterblichen Menschen wohl den glückseligsten in der ganzen Welt schätzen möchte. Jenem wurden von diesen Worten die Ohren so weit, daß er verwundert fragte, was köstliche Verehrung das wäre, worauf sie ihm antwortete, es sei eine bewährte Kunst, wenn sie ihm die lehre, so könne er die Tage seines Lebens mit keinen Waffen, Schwert, Spieß oder Pfeil an seinem Leibe verwundet oder versehrt werden. Da versprach er, sie bei Ehren zu behalten, wenn sie ihm diese Kunst lehren würde, und sie sagte jetzt: »Es sind nur wenige verborgene zauberische Worte, die ich dafür spreche, und damit du an solcher Kunst nicht mögest zweifeln, magst du sie an mir selbst zuerst versuchen.« Dies sprechend, kniete sie nieder, bekreuzte sich und betete den Vers aus dem 31sten Psalm: In manus tuas commendo spiritum meum. Diese Worte verstund jener nicht, sondern meinte, es wären die starken unverständlichen Zauberwörter, worauf die ganze Kunst beruhte. Da sprach die Jungfrau ferner mit ausgestrecktem Halse, er sollte nun getrost zuhauen, so würde er die sicherste Probe der Kunst erhalten; dies that er auch, hieb ihr das Haupt mit einem Streich herunter, und sah nun erst, daß ihr ihre Ehre lieber als ihr Leben gewesen sei.