Elegie 1778. Die du mich öfter am Arm der Freunde, beim blinkenden Kelchglas, Oefter an Jinny's Brust, öfter im Wald' ergriffst, Oefter mich im Rauschen der Kirchhofpappel besuchtest, Wenn ich mich ernst wie die Nacht unter den Todten erging – Süße, ernste, trauernde Wehmuth, wer bist du? wie hast du Heute so ganz mich umwölkt! Hast von des sprießenden Tags Frühsten Strahlen bis zu den Rosen des lächelnden Abends Deinen Sänger umhüllt. Aehnlich dem sinkenden Mond, Bin ich umher gewandelt in Dämmrung, und habe die Schöpfung Lächelnd angeweint, habe den Wald und die Flur Und den Wurm und den Vogel und meine Brüder, die Staube, Mit dem unsterblichen Geist doppelt liebend umfaßt, Habe nicht des Thoren gespottet, den Lasterhaften Nicht gehaßt, nur beklagt; habe mit doppelter Gluth Meine Freunde jenseit des Meers, und meine Geliebte Jenseit der Berge gedacht; habe das silberne Haar Und den wankenden Schritt des Greisen, die schwindenden Kräfte Und sein dunkleres Aug', und sein ersterbendes Herz, Und die letzte ringende Stunde, das Streben und Aengsten Und Aufraffen der hebenden bangen Natur, Und das letzte stammelnde Lebewohl, und das enge Ueberregnete, überschneiete Haus, Und das Wiedererwachen und Wiederersteh'n, und das Jubeln Deß, der den Sieg bestand, und des Getreueren Lohn Und die Amarantengefilde des ewigen Lebens, Hab' ich ernsteren Blicks, bleibenden, tiefern Gefühls Heute durchgeschaut und durchempfunden, als vormal – Wehmuth, die mich umwölkt, rede, du Heilige, dann, Rede, wer hat dich so mächtig in meine Adern gegossen! Liebe hat 's nicht gethan, Durst nach Entferneten nicht; Melancholische Wonne des Weins ist's auch nicht gewesen, Auch kein Heimgeleit' eines Geschiednen – auch nicht Schauer eines schmelzenden himmelanfliegenden Liedes, Wie es mein Klopstok es schafft, wie es mein Neefe singt. – Ha! ich weiß, ich weiß schon – du bist es, Liebling der Erde, Du, den die lauere Sonn', und die erduftende Flur Und das sprießende Moodelblümchen, die purpurbekränzte Knosp' am Haselzweig, und der geröthete Wald, Und das Spatzegezwitscher, und Lerchengetriller, des Hänflings Flöten, der gurgelnde Frosch, und das lebendigre Feld Mir verkünden. Ich bin von Rosen des schwellenden Morgens Bis zu den Sternen der Nacht, einsam und feierlich still Diesen ganzen lieblichen Tag umher gewandelt – Siehe, da rief mir der Wald, siehe, da duftet's die Flur, Siehe, da strahlt es die Sonn': Er kommt! Die linderen Lüfte Säuselten sich's: Er kommt! Von Trift zu Trift, von Gebüsche Zu Gebüsch' erscholl's, und von erjubelndem Thal Jubelt es über die Berge zu mir herüber. – Da glaubt' ich's, Daß du kämest; und wohl ward mir, so feierlich wohl! Also wird dem gramverdorrenden Dulder. Schon lange Lechzt' er nach Thränen, und lang' lechzte der Arme umsonst. Lang' blieb dürr und starr sein Gram, bis etwa die Mondnacht, Oder in heiliges Lied, oder die Freundschaft ihn schmelzt'. Jähling fühlt' er dämmern sein Auge. Ihm zittern die Wimper – Warum schau'st du so starr, Freund, in den blendenden Tag? – Siehe, wie schwellen, wie stürzen die Schauer labender Thränen Seine Wangen hinab, schwemmen sein schweigendes Lied Sanft hinweg – So wird mir. So fühl' ich, kehrender Lieber, Deine Wiederkehr. Sey mir, Holdseliger, dann, Sey mir in deiner ganzen süß schwermüthigen Schöne, Herzlich, herzlich, gegrüßt! Sey mir mit jedem Gefühl Meines Selbst, mit jeder von meinen unsterblichen Kräften, Mit der Denkerinn und mit der Dichterinn gegrüßt! Sey mir im Allerheiligsten meines Herzens, da, wo mir's Für die Liebe flammt, und für die Tugend und für Ihre vollbürtige Schwester, die Seherinn Gottes – da sey mir Herzlich, herzlich gegrüßt! – Blühender Sohn der Natur! Niederströmende Milde des Himmels, Buhle der Erde, Ach! wie soll dich mein Lied singen? Du sollst es nicht, Lied! Aber du, mein ganzer unsterblicher Wandel, du sollst es! Frühe vom Morgenroth bis zu den Sternen der Nacht Will ich hangen an deinem Busen, will athmend und stürmend, Wie der Jüngling die Braut, Freund, dich umfangen. Ich will Deines Thaues trinken, mich lagern auf deinen Blumen, Und die Blumen, die einst Freunde mein einsames Grab Ueberstreuen werden, gedenken! Den weißeren Winter Und das engere Haus, und die längere Nacht Und das Wiedererwachen und Wiedererstehn, und das laut auf- Weinende Wonnegeschrei des, der die Krone bestand, Und die Amarantengefilde des ewigen Lebens Will ich, kehrender Freund, während dein Flügel mir weht, Immer inniger denken, und immer lieber gewinnen, Daß mich der ewige Kranz tröste, wenn du mir verblühst.