Dritte Ekloge Die Uferfeyer Als nun der Speis' und des Tranks zur Gnüge genossen die Mägdlein, Stiegen beyd' auf den Erker des wohlgebaueten Hauses, An die Brüstung gelehnt des weit ausschauenden Erkers, Blickten sie rings um sich, und lächelnd sagte das Fräulein: »Fürchterlich braust die See, und die Wogen lärmen entsetzlich. Fast besorg' ich, es möge gehemmt durch die zögernden Fähren Heut' Amalrich nicht kommen. So hätte denn Jungfer Jucunde Sich vergeblich geschmückt ...« Noch sprach sie die scherzenden Worte, Als hersprengend mit Donnergetös' auf dem Pflaster der Hofflur Rudger der Rüstige kam. Zween hochgehalsete Braune, Weiß gestirnt und gehuft, stolzirten am zierlichen Wagen, Welcher behend und leicht und nur zweisitzig, zur Lustfahrt Diente bey heiterer Luft, und wohlgetrockneten Straßen. Froh nun eilten die Mägdlein. Vom weitausschauenden Erker Hüpften sie hurtig die Stufen hinab. Zur Schonung des Anzugs Hüllten sie in Staubmäntel sich ein. Der Sonne zu wehren, Knüpften sie über den Hüten die zartgewobenen Schleier, Saftgrün, zierlich geblümt, sanftwehend im Athem des Windes. Also geschürzt nun standen die Mägdlein fertig zur Abfahrt. Thecla von Thurn jedoch, bedacht, nach gelabtem Gemüthe Auch zu erlaben den Leib, den Immerbedürfenden, hieß noch Reichlich die Lade des Wagens versehn mit mancherley Vorrath, Welchen die Fülle des Gartens gewährt' und der Küch' und des Kellers. Birnen, die früher gereift, und Kirschen, die später gezeitigt, Brachte der Gärtner; es trug herbey manch würziges Backwerk Künstlich gezackt und verschürzt die Schaffnerinn; auch von dem Heiltrank, Welchen am Hoffnungs-Cap die tropische Sonne gekeltert, Brachte der Kellner herbey zwey harzversiegelte Flaschen. Alles hieß in die räumige Lad' einpacken das Fräulein, Tüchtig verwahrt mit Heu, der Stöße Gewalt zu brechen. Als sie hierauf noch dem Gärtner gemahnt, durch eilige Botschaft Sie zu beschicken, wofern, zwar wider Vermuthen, Amalrich Heimkomm', ehe sie selber vollendet die löbliche Betfahrt; Als dis alles das Fräulein gebührend bedacht und geordnet, Sprangen die Mägdlein behend' in den zierlichen Wagen; es schwang sich Hurtig der Bursch auf den luftigen Sitz, und mit Donnergeprassel Sprengete Rudger hinab den gepflasterten Hof, daß den Steinen Funken entstoben, und hochauf rauschten die Mähnen der Braunen. Hinter den Eilenden floh die grünende Juliusruhe Weichend zurück, es floh zur Rechten und Linken das Blachfeld, Rechts und links umwogt von der Goldflut reifender Saaten. Aber nicht lang', und es fehlte des Eylands Boden. Am Saum nun Rollten sie stäubend dahin des schöngebognen Gestades, Welches sich mächtiger thürmt mit jeglicher launischen Krümmung. Herrlich zu schaun war rings der Golf, und der Strand und die Dünen, Voll das geraümige Becken des Golfs in jeder Umufrung. Denn fernher aus dem Belt und dem Sund in das Becken des Golfes Wälzte des Ostwinds Kraft die unendliche Fülle des Meeres, Welches sich donnernd brach am ehernen Riff, daß die Brandung Ueber sich schlagend in Schaum zergohr und der Dampf in die Luft stob. Ueber der gährenden Tiefe, dem weitaufklaffenden Abgrund Rollten die Mägdlein dahin auf dem unterhöleten Abhang, Keine Gefahr besorgend, in süße Gespräche verloren. Manche flogen vorüber der traulich winkenden Schlüfte, Welche vom Schnee erwühlt, und des Frostes Strenge gespalten, Aber anjetzt Werkstätten bereits des organischen Lebens, Grünenden Grotten gleich einluden zur Ruh und Betrachtung, Auch das gethürmte Maal, das Rund der gewaltigen Steine, Wo die Väter vordem in des Meers Antlitz und des Himmels Pflegten des Rechts und des Raths, verfehlte zu zögern die Betfahrt. Vorwärts strebten die Renner. Vorüber in Wirbeln des Staubes Flogen die Dörflein, die hart am Saume des rauschenden Meeres Sicher schlummern, nicht achtend des nagenden Zahnes der Salzfluth, Welcher hinab einst nagen sie wird in den gährenden Abgrund. Links ab bogen die Rollenden jetzt vom gethürmten Gestade, Lenkten ins Innre des Landes, gewannen das Thal, wo in lieblich Grünenden Gründen ein Bach durch duftende Blumen die Flut rollt. Kühe weiden umher; und im Hintergrunde des Thales, Wo es ins Meer ausläuft, liegt traulich winkend die Vitte. Rudger hielt. Rasch sprang von dem Bock der muntere Leibbursch Niederzulassen den glänzenden Tritt. Und es eilten die Mägdlein, Auszusteigen; erreicht war schon der Ort der Versammlung. Viel schon waren der Hörer vereint. Von Wagen und Rossen Starrte das Thal. Rings glänzten in weithin schimmernden Reihen Rüstige Männer, geschaart mit festlich gekleideten Frauen. Sorglos irrten die Einen umher in der grünenden Thalschluft, Andere schauten herab von der Berge prangenden Gipfeln, Viele ruhten gelagert ins Gras. Vor den Hütten des Dorfes Saßen und standen, gewärtig des Worts, die friedlichen Hüttner. Aber die Mädchen, dieweil noch nicht der Vater gekommen, Wallten umher verschlungenen Arms in der grünenden Thalschluft, Freundlich grüßend das Volk, das zur Rechten und Linken des Wegs stand. Rechts und links wich ehrfurchtvoll die Menge den Mägdlein, Huldigend willkührlos der Macht der Güt' und der Schönheit. Leis' auch fragte wohl Einer, der etwa von ferne gekommen, Um die Predigt zu hören, den Nachbar: »Sage, wer sind sie, Die, wie die Bräute geschmückt, und so schön, wie die Engel, einhergehn?« Solchem erwiederte dann der kundige Nachbar und sagte: »Fräulein von Thurn ist die Eine, die Andere Pfarrers Jucunde, Beyde gar lieb und gut und nicht hoffärtig im mindsten.« Aber der Hüttner Einer, der Alternden, trat zu Jucunden Lüpfte den Hut und entblößte die glänzende Glatze des Hauptes. »Jungfer, sprach er, wo bleibt der Vater? Er wird doch gewiß auch Kommen? Viel Volks ist da, und meine Wohnung bereitet.« Ihm antwortete drauf des Pfarrers bescheidene Tochter: »Guter Vater, beschämet mich nicht, und setzet den Hut auf. Nicht von Hause für jetzt, von der grünenden Juliusruhe Komm' ich; es hatte das Fräulein mich losgebeten vom Vater. Aber gesund ist der Vater, und war entschlossen zu kommen, Als ich ihn frühe verließ; auch hoff' ich sicher, er kömmt noch!« Während die Jungfer noch sprach, erhub sich im Volk ein Gemurmel. Alle schauten die Straße hinauf, die vom Berg in das Thal streicht. Dann sprach Einer zum andern: Es kömmt der würdige Pfarrherr. Und Jucunde vernahm es, und eilte mit Theclen, die Ersten Zu begrüßen den Vater, den viel und sehnlich Erharrten. Freundlich nickend begrüßte die freundlichen Mägdlein der Vater. Laut auf jauchzete Thecla, die Pathinn und Schwester erblickend, Breitet' entgegen die Arme den Vielgewünschten. Herbeyflog Thecla die Aeltre und hob das niedliche Pathchen vom Wagen, Das nicht ersättiget ward, zu herzen die Ein' und die Andre. Und es sprach zu den Mägdlein, im Wagen noch weilend, der Vater: »So ists recht, ihr Kinder! So lieb' ichs! Wackeren Mägdlein Ziemt es, die Ersten zu seyn in der Kirch', und die Letzten im Tanzsaal.« Ihm antwortete drauf die schalkhaft lächelnde Thecla: »Frommer Vater, gar leicht ist so der Himmel erworben; Immer versprech' ich, die Erste zu seyn in der Kirch', und im Tanzsaal Immer die Letzte. Mich freut der Gesang, und des Wartens verdreust mich.« Aber es trat zum Wagen der alternde Hüttner. Vom Haupte Nahm er den Hut, und entblößte die silberfarbige Scheitel, Sprach sodann treuherzig mit laut erschallendem Handschlag: »Guten Tag, Herr Pastor! Ein feines gemächliches Wetter Hat Ihm der liebe Gott beschert zur Predigt. Der Wind bläst Ueber den Berg herüber. Auch ist viel Volk schon beisammen.« Ihm antwortetest du, ehrwürdiger Pfarrer von Medow: »Guter Vater, bedeckt euch! Wir werden alt, und den Kindern Müssen wir sparen die Väter. Das Wetter ist gut. Nur der Ostwind Predigt wohl fast ein bischen zu laut. Doch freut mich, von Hörern Wimmeln zu sehn die Kirche, die nicht mit Händen gemacht ist. Doch wie lebt ihr? wie geht es der Frau? was machen die Kindlein?« Ihm erwiederte drauf mit schlichten Worten der Hüttner: »Komm' Er selbst, Herr Pastor, und seh' Er! Wir warten schon lange.« Willig folgte dem Hüttner sodann der würdige Pfarrherr; Thecla folgte von Thurn, und Jucund', und die jüngere Thecla. Liebreich grüßte der Pfarrer zur Rechten und Linken. Mit Ehrfurcht Grüßeten alle den Lehrer, den Vielgeliebten, der öfter Still stand, diesem ein Wort zuraunt', und jenem die Hand bot, Fleissig sich auch nach der Frau und lieben Kindern erkundet', Auch nach dem Heringsfang, und dem nördlichen Sturm der den Fischern Samstags Nacht entführt wohl funfzig Faden der Netze. Also gelangten sie endlich zur engen Behausung des Hüttners. Festlich geschmückt war diese; die Diele gefegt und gesandet, Frisch geweißt mit der Kreid' Arkonens das trauliche Stübchen, Rein gescheuert der sichtene Tisch, das ehliche Bette Ueberbreitet mit Decken, geputzt die niedlichen Kindlein. Blöde wandten die Kindlein sich weg von dem ernsteren Pfarrer, Traueten kaum nur zu nahn den freundlich kosenden Mägdlein. Als nun Jucunde den Vater geschmückt mit dem faltigen Chorrock Als auch die Lieder der Küster auf schwarzer Tafel gekreidet, Als auch der Wirth umsonst genöthigt zum stärkenden Schlückchen, Zogen sie sämmtlich hinaus in Reih' und Glied, um in Andacht Anzubeten den Herrn im grünenden Thal' am Gestade. Thecla führte, geführt von des Pfarrherrn rosigen Töchtern; Solchen folgte, vom Küster gefolgt, der würdige Pfarrherr; Solchen folgten des Dorfs Einwohner, in Reih'n und in Gliedern, Männer und Weiber und Kinder. Und was nur immer zerstreut sonst Hiehin und dorthin irrt' im Dorf, im Thal', auf den Bergen, Alles schloß es gesellig sich an in Reihen und Gliedern. Schweigend wallte der Zug in das grünende Thal am Gestade, Das von den Bergen umher sich senkend gemächlichen Abhangs Ostwärts gegen das Dorf ausschaut, und gegen das Ufer. Zwischen den Schaaren, die schon im Thal' erharrten des Lehrers, Wand sich der Zug langsam hinan die steigende Bergwand. Mitten im Thal', in der Nähe des heiligen Steins, auf des Abhangs Halber Höhe, gebot der Lehrer zu setzen den Armstuhl, Und es ordneten rings um ihn her sich die Schaaren der Hörer. Schimmernd saßen zur Rechten die Reih'n der Frauen und Mägdlein, Hohe und niedere, festlich geschmückt. Die rüstigen Männer Standen zur Linken gedrängt. Wie am Tage der großen Versammlung, Stand bey dem Herrn der Knecht, zunächst dem Ritter der Knappe, Neben dem Jüngling der Greis, und hart am Reichen der Bettler. Zwischen den Drängenden saß im Armstuhl sinnend der Lehrer. Aber es hielt in die Runde des Dörfchens löblicher Schultheiß Hoch die gekreidete Tafel empor, auf daß die Gemeinde Schauen möchte die Nummer, und suchen im eigenen Buche. Als nun jeder die Nummer gesehn und gesucht und gefunden, Scholl der Gemeinde Gesang hinauf zum wölbenden Himmel Voll, stark, prächtig, harmonisch; es scholl in den heiligen Chorpsalm Laut die Posaune des Meers und des Sturms vielkehlige Orgel. Also scholl der Gesang der Gemeind' im Thal' am Gestade: Lob' o Seele den Herrn und du mein Innres, verkünd' ihn! Lobe den Herrn und vergiß nie, was er Gutes dir that! Deine Sünde vergiebt er, und heilt all deine Gebrechen, Rettet dein Leben vom Tod, kränzt dich mit daurendem Heil, Lehrt frohlocken dem Mund, verjüngt den Greis wie den Phönix, Schafft dem Bedrängten im Volk strenges gerechtes Gericht. Gut und gerecht ist der Herr, barmherzig, gnädig, geduldig, Hadert nicht lange mit uns, heget nicht ewig den Zorn, Nicht verfährt er mit uns, wie unsre Sünden verdienen, Nicht vergilt er es uns, wenn wir ihm wehe gethan! Sehet den Himmel! er ward hoch über der Erden erhöhet; Höher noch waltet des Herrn Gnad', o ihr Frommen, ob euch. Sehet den Osten! ihn trennt unermeßliche Ferne vom Westen; Ferner noch trennt von uns Sünden und Strafen der Herr. Wie sich ein Vater erbarmt der vielbedürftigen Kindlein, Also erbarmt sich der Herr derer, die kindlich ihn scheun. Denn er kennt das Geschöpf, das Er gemacht; er bedenket, Daß wir Staub sind, daß er uns aus der Scholl' erschuf. Wir sind Gras auf der Flur, sind Blumen im offenen Felde; Hauchet der Wind uns an, sind wir auf immer dahin. Aber von Ewigkeit währt zu Ewigkeit Gottes Erbarmen; Nimmer ermangelt der Herr denen, die kindlich ihn scheun! Unserer Kinder noch will er, der Kindeskinder gedenken, Wenn wir getreulich den Bund halten, den er uns gebeut. Schaut gen Himmel! im Himmel hat er den Stuhl sich bereitet; Ueber Wasser und Land breitet den Scepter er aus. Lobet den Herrn, ihr Engel, ihr Helden, die ihr geschürzt seyd, Rings zu verbreiten sein Wort, stracks zu vollziehn sein Gebot. Lobet den Herrn, des Herrn Heerschaaren, ihr dienenden Kräffte, Die ihr den Willen des Herrn treulich und willig vollzieht. Lobet den Herrn! des Herrn Kreaturen! Unendliches Weltall Lobe den Herrn, der dich schuf! Lobet, o Seelen, den Herrn! Also scholl der Gesang der versammelten Schaaren. Dazwischen Tönt' erhaben die Hymne des Meers und des Sturmwinds Päan. Aber als jetzt der Gesang erstummt' und Schweigen im Thal war, Als von dem Sitz sich erhob der andachttrunkene Lehrer, Als er gedrängt umher wahrnahm die lauschenden Schaaren, Als er senkte den Blick zum Thal hinaus in den Osten, Als er gewahrte die Hütten des Dorfs zerstreut in den Strandschlucht, Ueber die Schlucht hinaus des Golf wildtobende Fluten, Jenseit des tobenden Golf blaudämmernd Jasmund Gestade; Als er schaut' umher die prangenden Häupter der Berge, Ueber den Häuptern der prangenden Höhn des wölbenden Himmels Lautern Lasur, durchflammt von der Sonn' unendlichem Glutball. Als er vernahm zugleich das Rauschen der See, und der Brandung Dumpfes Geläut, durchbrüllt vom Gewieher der Roß' und der Rinder ... Schlug ihm das Herz in beklommner Brust. Es versagte die Kraft ihm, Den zu loben, ein sündiger Mensch, mit lallender Zunge, Welchen gewaltiger schon der erschütternde Psalm der Natur pries. Doch er ermannte sich, und sprach die geflügelten Worte. »Alles, was schön und gut, und was vollkommen hienieden, Kommt von oben herab; es kommt vom Vater des Lichtes, Welcher den Wechsel nicht kennt, noch des Lichtes Tausch mit dem Dunkel.« Meine Kindlein, erwägt das Wort des hohen Apostels! Schauet nach oben, ihr Lieben. Von oben nur kommt, was gut ist. Was nur labt und erquickt, was erhellt und erhebt und erheitert, Licht und Wärm', und Regen und Thau, und Leben und Athem, Wahrheit und Freiheit und Heil, es kommt von oben! von oben! Siehe nach oben schaut, was Trostes bedarf und Labsals. Himmelan schreyt der verdurstende Hirsch vom vertrockneten Brunnquell, Himmelempor brüllt schmachtend der Stier von verbrannter Steppe, Himmelan hebt der geängstete Mensch die gebrochenen Augen, Strecket die Händ' empor, sucht droben die Hülfe; denn droben Wohnt der erbarmende Vater, des Lichtreichs Vater, bey welchem Keine Veränderung ist, noch Wechsel des Lichts und des Dunkels. Was ist so süß, wie das Licht! wie der Tag so gewünscht! so erquickend Wie die erröthenden Schimmer im Ost! wenn träg und verdrossen Nun das Dunkel entweicht, die Flur sich erhellt, aus dem Meere Glanzreich, glorievoll die leuchtende Sonne hervortaucht. Schimmernd liegt, thauperlend, wie wiedergeboren die Schöpfuug ... Freundliches Licht, woher? ... Woher, ihr Kinder des Lichtes, Als von oben? vom Vater des Lichts? von dem Seligen, welcher Keine Veränderung kennt, noch den Wechsel des Lichts und des Dunkels! »Wüst und leer war die Welt am Anfang. Brütend und wärmend Webt' auf den Wassern der Geist des Herrn, und die Tiefe war finster. Und Gott sprach erbarmend: Es werde Licht! und es ward Licht!« Hoch auf sprang aus gediegener Nacht der ätherische Funke, Regte das Herz des All, der Natur nie ruhendes Triebwerk. Oben erglommen im lauteren Blau die Sonnen und Sterne; Unten entbrannten im düsteren Schacht die Metall' und die Steine; Oben und unten entspann der Farben fröhliches Spiel sich. Goldgrün glänzte der Taube Hals, glutschimmernd das Mohnhaupt. Jeglicher Grashalm trug den blinkenden Tropfen; in jedem Brannte verjüngt das Bild der allumleuchtenden Sonne, Die da ist selbst das versichtbarte Bild des verborgenen Vaters, Welcher wohnet im Licht, das jeden Nahenden blendet. »Alles, was schön und gut, und was vollkommen hienieden, Kommt von oben, es kommt vom Vater des Lichtes, bey welchem Keine Veränderung ist, noch Wechsel des Lichts und des Dunkels.« Meine Kindlein, gedenkt an die edle Gabe des Lebens! Edel ist diese fürwahr, und süß ist Seyn und Empfindung. »Alles opfert der Mensch, auf daß er das Leben erlöse!« – »Frommt' auch die Welt ihm wohl, wenn er einbüßte die Seele!« – Diese Gabe woher? Woher das Leben? Woher sonst Als von oben von ihm! vom Vater des Lichts und des Lebens! Ihn verdroß des leeren Nichts, der schaurigen Oede! Siehe da dehnte sein Herz sich aus in unendlicher Liebe. Siehe der Raum gebar. Die Leere kreißte. Bevölkert Ward im Moment das All mit lebenden lobenden Seelen. Kannst du zählen den Sand der Dünen, die Tropfen des Weltmeers! Also magst du auch zählen die Kreaturen des Schöpfers! Siehe die Bienen des Einen Stocks; die Gewürme des Einen Ameishaufens, die Motten nur Eines verwesenden Leichnams! Siehe die Schwärme der Mücken am Sommerabend; der Fische Nimmer zu zählende Züge, die fernher dir in das Netz fliehn. Oben und unten und rings um dich her, wohin nicht das Auge Dringt, die geschliffene Linse nicht reicht, nicht die Ahnung sich waget, Schlagen die Herzen, und schwellen die Lungen, und athmen die Seelen. Schau, auch das Sandkorn lebt! Auch im Tropfen wimmelts! Die Fäulnis Selber gebiert, es erblüht aus ihr neugrünendes Leben ... Fülle der Leben, woher? Woher, als von oben, vom Urquell Jegliches Guts, und jegliches Schön's, und jegliches Labsals? »Alles, was gut und schön und was vollkommen hienieden, Kommt von oben herab! es kommt vom Vater des Lichtes, Welcher den Wechsel nicht kennt, noch des Lichtes Tausch mit dem Dunkel.« »Gott sprach: Lasset uns Menschen erschaffen, ein Bild, das uns gleich sey! Nahm den Kloß des Feldes, befeuchtet' und knetet und formt' ihn, Blies ihn an, und der Mensch ward eine lebendige Seele« – »Wunderbarlich, o Herr, hast du den Menschen erschaffen, Hast ihn wie Milch gemolken, wie Rahm ihn lassen gerinnen, Hast ihn zusammengefügt aus Gebein und Adern, mit Haut ihn Ueberzogen und Fleisch, ihm Leben gegeben und Odem.« Wunderbarlich, o Herr, erschufst und erschaffst du den Menschen. Unter dem Herzen der Mutter erregst du das schlafende Pünktchen, Welches sich dehnt und streckt, rastlos, und wann es gezeitigt, Schön gebildet sich drängt an das Licht zur beschiedenen Stunde. Du Herr lässest den Stern des Aug's abspiegeln den Weltbau, Leitest die Welle des Schalls in des Ohrs kunstreiches Gekämmer. Schnellst die Kugeln des Bluts durch der Adern fernste Verzweigung Mittelst des schlagenden Herzens umher; verschränkest der Nerven Unausforschlich Gespinnst. »Ich danke dir, Vater, daß du mich Wunderbarlich gemacht und wunderbarlich erhalten. Wunderbar, ich weiß es, ist deiner Werke Geringstes!« Jegliches Gute fürwahr entsprang vom Vater des Lichtes, Jegliche Gabe verdanken wir ihm. So sagt nun, von allen Gaben, die Er uns beschert, die edelste, beste, wer ist sie? Daß wir dir gleich sind, Herr! daß du dein strahlendes Urbild Würdigtest, abzuspiegeln in unserm Sinn und Gemüthe. Herr, aus des Dumpfsinns Schlaf hast du uns geweckt zum Bewußtseyn; Hast den Gedanken in uns geregt, des Gewissens Gerichtshof Aufgeschlagen in Innern, den Funken ewiger Liebe In uns gezündet, den Brand der unauslöschlichen Sehnsucht Uns in die Brust gesenkt. Aufschaun wir sehnend. Es regt sich Göttliches in uns. Es sinkt das Irdische. Flügel der Ahnung Tragen empor uns zu dir. Mit unüberwindlicher Liebe Fallen wir dir in den Arm. Mit unüberwindlichem Glauben Trauen wir dem, was das Herz und die Schrift uns Großes verkünden, Suchen hienieden nicht mehr die Befriedigung, suchen das Rechte Droben allein bey dir, dem Vater des Rechts und der Wahrheit. Schauet nach Oben dann, ihr Lieben! Nicht auf den bunten Blühenden Kloß, der euch nährt, beschränket den Blick. In der Lüste Zähen Schlamm nicht lasset bekleiben die Flügel des Geistes. »Habt zu lieb nicht die Welt, noch der Welt vergängliche Freuden.« »Laßt was dahinten, und streckt euch einzig nach dem, was davorn ist!« »Das was drunten verschmäht, und trachtet nach dem, was droben.« »Droben thronet der Herr auf dem Stuhl der Herrlichkeit. Droben Waltet Jerusalem, die heilige, leuchtende, neue!« Schauet nach Oben, ihr Lieben, wenn euch beklommen das Herz ist, Wenn ihr erliegend den Schweißen des Tags und den Mühen des Lebens Schwer aufathmet, die Schläfen versengt und die Knie euch gelöst sind. Tretet ins Freye sodann, und schaut gen Himmel, und schlürfet Lüstern die Kühlung ein, die dorther wehet, das Labsal, Welches von jeglicher Pein herstellt, von jeder Ermattung. »Sehet, welch eine Liebe hat uns der Vater erzeiget, Daß wir Kinder ihn heißen! Und zwar ist dies die Verkündung, Die wir empfingen von ihm und die wir euch wieder verkünden: Daß ein Licht Gott sey, und keine Finsterniß. Wer nun Sagt, er pflege Gemeinschaft mit ihm, und wandelt im Finstern, Der ist ein Lügner, und nicht in der lauteren Wahrheit bestanden« ... »Wandelt, wie Kindern des Lichts es geziemt, unschuldig, unsträflich! Glaubet, duldet und hofft, und liebet redlich einander.« »Meine Kindlein, es ist die letzte Stunde.« Getreulich Laßt uns bewahren das Kleinod, das anvertrauete, theure. Lasset beständig uns seyn in der Lieb', in der Hoffnung, im Glauben, Bis wir nach Oben gehn zum Vater des Lichts und des Rechtes. Also ermahnte mit Ernst und mit weiser Schonung der Lehrer Endete dann und es ward im Thal rings seyrende Stille. Auch den Rohern ergriff die Kraft des Wortes; der Wahrheit Schauder durchblitzten ihn, und die Ahnung höheren Lebens. Aber nicht lang', und gewaltiger noch erhob sich der Schaaren Preisender Psalm. Es posaunten darein der Sturm und die Brandung. Also scholl der Gesang empor zum wölbenden Himmel: Lobet, ihr Himmel, den Herrn! Ihr Höhen der Höhen, erhebt ihn! Lobet ihn, Engel des Herrn! Lobet ihn, all sein Heer! Lobet ihn, Sonn' und Mond! Frohlockt ihm, leuchtende Sterne! Sirius, Rigel und Yed, Azimech, Anear, Arktur! Lob' ihn, du wölbendes Blau! Frohlockt ihm, Wasser der Wölbung! Lobet ihn, Regen und Reif! Preiset ihn, Schloßen und Schnee! Lobet ihn, Donner und Blitz! Frohlock' ihm, prasselnde Windsbraut! Lob' ihn, erhabenes Meer! Brandung, ertöne sein Lob! Lobt ihn, ihr Blumen im Thal! Frohlockt ihm, Häupter der Berge! Lobet ihn, Cedern im Wald! Preiset ihn, Halme der Flur! Lobt ihn, Geschlechter des Meers! Frohlockt ihm, Kinder des Trocknen! Lob' ihn, gegliederter Schleim! Preis' ihn, beseelter Atom! Lobt ihn, ihr Großen im Volk, ihr Hirten und Richter der Leute! Könige, huldiget ihm! Preist ihn, ihr Armen im Volk! Lasset uns loben, ihr Brüder, den Herrn mit feuriger Inbrunst, Ihn mit heroischem Muth, ihn mit unsträflichem Thun! Ihn mit dem letzten entfliehenden Hauch! Mit des brechenden Herzens Leise verwehendem Ach lasset uns loben den Herrn! Also erschollen die Worte des preisenden Psalmes. Dazwischen Brauste die Hymne des Sturms und des Meers vielstimmiger Päan. Als der Gesang nun erstummt und wiederum Schweigen im Thal war, Hub noch einmal der Lehrer empor die gefalteten Hände Betend. Es beteten rings mit gefalteten Händen die Hörer: Vater Unser, der du in den Himmeln wohnest, dein Name Werde geheiligt! Dein Reich zukomm'! Es geschehe dein Wille, Wie in den Himmeln, also auf Erden! Das tägliche Brod gieb Heut' uns! Führ' in Versuchung uns nicht! Erlös' uns vom Bösen! Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit ewiglich, Amen! Also des Herrn hochheilig Gebet. Sanft sprach nun der Lehrer: »Meine Kindlein, empfaht andächtig den Segen des Herrn Herrn!« Eilig erhub sich, was saß und was lag, zu empfahen die Segnung. Da sprach fey'rlichen Tons mit erhabenen Händen der Lehrer: »Segn' und behüt' euch der Herr! Er lasse sein freundliches Antlitz Ueber euch leuchten und sey euch gnädig! Waltend und schirmend Schau' er herab auf euch, und geb' euch seinen Frieden!« Also ward die Gemeinde beurlaubt. Gänzlich geendigt War am Gestade des Meers die seelerhebende Feyer.