Vierter Gesang Kaiphas aber lag, nach Satan's dunklem Gesichte, Noch voll Angst auf dem Lager, von dem die Ruhe geflohn war, Schlief bald Augenblicke, dann wacht' er wieder und warf sich Ungestüm, voll Gedanken, herum. Wie tief in der Feldschlacht Sterbend ein Gottesleugner sich wälzt; der kommende Sieger Und das bäumende Roß, der rauschenden Panzer Getöse Und das Geschrei und der Tödtenden Wuth und der donnernde Himmel Stürmen auf ihn; er liegt und sinkt mit gespaltetem Haupte Dumm und gedankenlos unter die Todten und glaubt zu vergehen; Dann erhebt er sich wieder und ist noch, denket noch, fluchet, Daß er noch ist, und spritzt mit bleichen, zuckenden Händen Himmelan Blut; Gott fluchet er, wollt' ihn gerne noch leugnen. Also betäubt sprang Kaiphas auf und ließ die Versammlung Aller Priester und Aelt'sten im Volk schnell zu sich berufen. Mitten im hohen Palast war ein weiter Saal der Versammlung, Aus des erhabenen Libanon's Hain Salomonisch erbauet. Dort versammelten sich die Priester und Aeltesten Juda's, Mit den Aeltesten Joseph von Arimathäa, ein Weiser Unter der ganzen entarteten Nachwelt des göttlichen Abram's, Von der Zahl der übergebliebenen wenigen Edlen. Still wie der friedsame Mond in der hohen, dämmernden Wolke Ueber uns wallt, so ging in diesen Versammlungen Joseph. Auch kam Nikodemus, ein Freund des Messias und Joseph's. Kaiphas trat jetzt herrisch hervor und ergrimmt' und sagte: »Endlich, Ihr Väter Jerusalem's, müssen wir etwas beschließen Und mit gewaltigem Arm den Widersacher vertilgen; Oder er führet es aus, was er wider uns lange schon aussann, Und wir halten vielleicht heut unsere letzte Versammlung! Ja, dies Priesterthum Gottes, das Gott auf Sinai selber Durch den größten Propheten des Enkels Enkel gesetzt hat, Das in der langen Gefangenschaft selbst Babylon's Thürme, Das in der Waffen Sturm die schrecklichen sieben Hügel Nicht zu erschüttern vermochten, das wird ein sterblicher Seher, Israel, uns, dem Tempel des Herrn zur Schande, vertilgen. Ist nicht Jerusalem sein? Sind nicht die Städte Judäa's Sclavinnen ihres vergötterten Sehers? Entfliehet das Volk nicht Abergläubisch und blind dem Tempel weiserer Väter, Seine verführenden Wunder in weitentlegenen Wüsten Anzustaunen, die Wunder, die Satan durch ihn gethan hat? Und was blendet wol mehr? was ist dem staunenden Pöbel Wunderbarer, als wenn er sogar Gestorbne vom Tode, Oder vielmehr ohnmächtige Kranke vom Schlummer erwecket? Unterdeß sind wir ruhig und warten, wenn uns sein Anhang In der Empörungen Wuth vor seinen Augen erwürgt hat, Daß er uns auch von den Todten erwecke! Ja, Väter, Ihr seht mich Stumm und erstaunend an! Könnt Ihr noch zweifeln? Ja, zweifelt, Zweifelt nur und schlummert! Es rief ihn Juda zum König Niemals aus! Das wißt Ihr nicht! Niemals bestreut' es mit Palmen Ihm den Weg! Nie haben sie ihm Hosianna gesungen! Daß Du statt Hosianna den Fluch des Ewigen hörtest! Daß im betäubten Ohre Dir des Donnerers Stimme Statt des Triumphtons schallte! daß tief in dem Thore des Todes Könige Dir von dem eisernen Stuhl aufstünden, die Kronen Niederlegten, mit bitterem Spott Hosianna Dir riefen! Ja, unwürdige Väter des Volks (verzeihet dies Wort mir, Welches ergrimmt in heiligem Zorn mein wüthender Geist sprach!) Nicht die Klugheit allein, noch viel was Höhres gebeut uns, Gott gebeut uns, ihn schnell von dem Antlitz der Erde zu tilgen! Vormals redete Gott durch offenbarende Träume Unseren Vätern. Entscheidet, ob nicht auch Kaiphas Träume, Die Gott sendet, gesehn hat? Ich lag (voll Todesgraun war Mir die Nacht) auf dem Lager und dachte dem endlichen Ausgang Dieser neuen Empörungen nach. Das dacht' ich und schlief dann Unentschlossen und kummervoll ein. Da war ich in Traume In dem Tempel und eilte, mit Gott das Volk zu versöhnen. Schon floß Blut der Opfer vor mir; ich ging anbetend Schon in das Allerheiligste Gottes; ich hatte den Vorhang Schon eröffnet, da sah – noch beben mir alle Gebeine, Gottes Schreckniß fällt noch auf mich wie tödtend herunter – Aron sah ich im heiligen Schmuck mit drohender Stirne Gegen mich kommen. Sein Auge voll Feuer, von göttlichem Grimm voll, Tödtete! Siehe, der Brust Bild, voll gewaltiger Strahlen, Blitzte wie Horeb auf mich! Der Cherubim Fittige rauschten Fürchterlich her von der Bundeslade! Auf einmal entfiel mir Schwindend mein Hohespriestergewand wie Asch' auf die Erde. »Fleuch!« rief Aron mit schreckendem Ton, »Du des Priesterthums Schande, Fleuch! Elender, Dir sag' ich, daß Du die heilige Stätte Künftig nicht mehr als Priester des Herrn verwegen entheiligst. Bist Du es nicht« – hier sah er mich grimmig mit tödtendem Blick an, Wie man herab auf den Todfeind blickt und lieber ihn würgte – »Bist Du es nicht, Unwürdiger, Du, der jenen Verruchten, Jenen entsetzlichen Mann ungestraft das Heiligthum lästern, Meinen Bruder, Moses, und mich und Abraham schmähen Und die Sabbathe Gottes mit feiger Trägheit entweihn sieht? Geh, Elender, damit Dich nicht schnell, wo Du ferner verweilest, Gottes Gnadenstuhl mit dem heiligen Feuer verzehre!« Also sagt' er. Ich floh und kam mit zerfliegenden Haaren Und mit Asch' auf dem Haupte, gewandlos, entstellt und verwildert Unter das Volk. Da stürmte das Volk und wollte mich tödten. Da erwacht' ich. Drei Stunden voll Qual, drei ängstliche Stunden Hab' ich seitdem wie sinnlos im Todesschweiße gelegen. Und noch beb' ich, noch zittert mein Herz von geheimem Schauer, Und, der Stimme beraubt, erstarrt mir die Zung' im Munde! Er muß sterben! Von Euch, versammelte Väter, erwart' ich, Wie er sterben soll, schleunigen Rath!« Mit starrendem Blicke Stand er hier sprachlos. Endlich erwacht' er wieder und sagte: »Besser tödten wir Einen, als daß wir Alle verderben! Aber auch dieses gebeut die Weisheit: die Tage des Festes Muß er nicht sterben, daß ihn sein sklavischer Pöbel nicht schütze.« Kaiphas schwieg. Kein Laut, noch Geräusch von Redenden wurde Durch die Versammlung gehört. Sie blieben Alle verstummend Sitzen und wie von dem Donner gerührt, hinstarrende Lasten. Joseph sah die herrschende Stille. Da wollt' er für Jesus, Ihn zu vertheidigen, reden; allein ein gefürchteter Priester, Seine Wuth, mit welcher er schnell zu reden hervortrat, Schrecken ihn. Philo war des Priesters Name. Noch hatt' er Nie von Jesus geredet, zu stolz, vor der Reife der Sachen Unentscheidend zu reden. Ihn hielten Alle für weise, Kaiphas selbst; doch haßt' ihn der pharisäische Philo. Der stand auf. Sein tiefes und melancholisches Auge Funkelte. Jetzo sprach er mit zorniggeflügelter Stimme: »Kaiphas! Du wagst es, uns hohe, göttliche Träume Herzuerzählen, als wüßtest Du nicht, daß der Ewige niemals Wollüstlingen erscheinen, daß heimlichen Sadducäern Wol kein Geist was verkündigen wird. Entweder Du leugst uns, Oder Du sahst das Gesicht; Gott ließ so tief sich herunter! Ist da Erste, so zeigst Du Dich Deiner römischen Staatskunst Und des erhandelten Priesterthums werth; und, wär' auch das Letzte, Hoherpriester! so wisse, daß Gott, Verbrecher zu strafen, Sonst auch täuschende Geister zu falschen Propheten gesandt hat. Daß der Sklav' von Jesabel's Baal, daß Ahab verderbe, Daß nicht länger zu Gott das Blut des Getödteten rufe, Steigt ein Todesengel vom Thron und giebt den Propheten Falsche Prophezeiung! und siehe, die rollenden Wagen Trugen den sterbenden Ahab zurück. Er starb, und sein Blut floß Hin in das Feld, wo Nabot erwürgt ward, ins Feld, wo Gott stand, Und der Todesengel vor Gott des Mordenden Blut goß. Aber Dein Traum gebeut ja, den Widersacher zu strafen! Du hast keinen gehabt! doch mit Weisheit hast Du erfunden. Aber zitterst Du nicht, da ich den furchtbaren Namen Eines Todesengels Dir nenne? Vielleicht, daß ein solcher Schon Dein bald zu vergießendes Blut vor des Ewigen Thron wägt! Nicht, als ob ich für schuldlos hielte den schuldigen Jesus! Gegen den Nazaräer bist Du ein kleiner Verbrecher! Du entweihest das Heiligthum nur; er will es zerstören! Ihm ist in der richtenden Wage, die oft Verbrecher, Oft schon hochgethürmte Bezwinger der Völker zu leicht fand, Eh er wurde, sein Blut zum gewissen Tode gewogen! Er soll sterben! und ich, ich will es mit meinen Augen Sehen, wenn er erstarrt! Von dem Hügel, wo er erwürgt wird, Will ich Erde mit Blute bedeckt ins Heiligthum tragen Oder noch rauchende Steine von Blut an dem hohen Altare Niederlegen, Abraham's Volk ein ewiges Denkmal! Niedrige Furcht, die uns beugt, den wankenden Pöbel zu scheuen! Kleinmuth, nicht von den Vätern gelernt! Wofern wir dem Donner, Gottes rächendem Donner zuvorzukommen nicht eilen, Wird mit ihm uns Gott zerschmettern! Mit brechendem Auge Werden wir's sehn, wenn er stirbt, und unrein neben ihm sterben! Fürchtete Der aus Thisba den Pöbel, die Priester zu würgen, Als der schlafende Baal zu keinem Wetter erwachte? Oder vertraut' er ihm mehr, so vom Himmel Feuer ihm sandte? Stehen auch keine Wetter uns bei, so will ich allein mich Unter das Volk hinstellen! Und Weh Dem unter dem Volke, Der sich wider mich auflehnt, sagt, der Leichnam des Träumers Blute nicht Gott zu Ehren! Ihn soll die ganze Gemeine Steinigen, sendet mein schauender Blick ihr Winke zum Tode! Vor den Augen Israel's, vor dem Antlitz der Römer Soll der Empörer sterben! Dann wollen wir stolz im Gerichte Sitzen und lautfeirend zu Gottes Heiligthum einziehn.« Philo sprach dies und ging mit hocherhobenem Arme Vorwärts in die Versammlung und stand und rufte von Neuem: »Seliger Geist, wo Du jetzo auch bist, wenn Du, himmlisch bekleidet, Neben Abraham ruhst und um Dich Propheten versammelst, Oder wenn Du vielleicht in Deiner Kinder Versammlung Würdigest einzukehren und unter Sterblichen wandelst, Moses' Geist! Dir schwör' ich, bei jenem ewigen Bunde, Den Du, gelehrt von Gott, aus donnernden Wettern uns brachtest: Ich will eher nicht ruhn, als bis Dein Hasser erwürgt ist! Als bis ich von des Nazaräers vergossenem Blute Volle Hände zum hohen Altar der Dankenden bringe Und sie über mein Haupt, das lange schon grau war, erhebe!« Also sagt' er und feur'te sich an, zu wähnen, die Gottheit Decke getünchte Gräber nicht auf; doch nannte sein Herz ihn Heuchler! Er fühlt' es und stand mit unverrathendem Auge Vor der Versammlung. Von Grimm und von übermannender Wuth voll, Lehnt' an seinen goldenen Stuhl sich Kaiphas nieder Und erbebte. Ihm glühte das Antlitz. Er schaut' auf die Erde Sprachlos, starr. Ihn sahn die Sadducäer und standen Gegen Philo mit Ungestüm auf. Wie tief in der Feldschlacht Kriegrische Rosse vor eisernen Wagen sich zügellos heben, Wenn die klingende Lanze daherbebt, fliegend dem Feldherrn, Den sie zogen, den Tod trägt, dann blutathmend zur Erd' ihn Stürzt. Sie wiehern empor und drohn mit funkelndem Auge, Stampfen die Erde, die bebt, und hauchen dem Sturm entgegen. Jetzo hätt' in der Wuth sich schnell die Versammlung getrennet, Wäre nicht unter ihnen Gamaliel aufgestanden. Heitre Vernunft erfüllte sein Antlitz. Der Weisere sprach so: »Wenn in diesem Sturme des grimmigen Zorns die Vernunft noch Etwas vermag, ist Weisheit Euch lieb, so höret mich, Väter! Wenn der ewige Zwist stets wieder unter Euch aufwacht, Wenn Pharisäer und Sadducäer, wenn diese Namen Ewig Euch trennen, wie werdet Ihr da den Propheten vertilgen? Doch Gott sendet vielleicht die eifersüchtige Zanksucht Unter Euch, Väter, weil er es seinem hohen Gerichte Vorbehalten, zu sprechen dem Nazaräer sein Urtheil. Lasset, Väter, Gott sein Gericht! Ihr möchtet zu schwach sein, Seinen Donner zu tragen, und unter den mächtigen Waffen, Denen die Himmel erzittern, in niedrigen Staub hinsinken. Schweigt Ihr vor Gott und hört der Stimme des kommenden Richters Still entgegen! Er wird bald reden, und seine Stimme Wird von dem Aufgang hören die Erd' und dem Untergange. Spricht Gott zu dem Gewitter: »Zerschmettr' ihn!« und zu dem Sturme: »Hauche sein sinkend Gebein wie Staub in alle vier Winde!« Oder zum blinkenden Schwert: »Auf, waffne rächende Hände, Trinke des Sünders Blut!« gebeut er der Erd' Abgründen: »Thut Euch auf und verschlingt ihn!« so ist er der schuldige Träumer! Aber wenn er durch himmlische Wunder die Erde zu segnen Fortfährt; wenn der Blinde durch ihn zu der Sonne sein Antlitz Freudig erhebt und mit sehendem Aug' auf den leitenden Vater Staunend blickt (verzeiht mir, wofern ich, entflammt von der Größe Seiner Thaten, vielleicht nach Eurem Sinn zu erhaben Von ihm rede); wenn Tauben das Ohr sich der Stimme des Menschen Wieder öffnet, wenn es die Rede des segnenden Priesters Wieder vernimmt und die Stimme der Braut und die weinende Mutter Und das feirende Chor und die Hallelujagesänge; Wenn durch ihn die Todten dahergehn, gegen uns zeugen, Ach, gen Himmel weinen mit wieder lebendem Auge, Göttlichzürnend auf uns herblicken, ihr Grab uns zeigen Und mit jenem Gericht uns drohn, vor dem sie schon waren; Wenn er, welches noch göttlicher ist, untadelhaft fortfährt, Vor uns zu leben; wenn er mit seiner mächtigen Tugend Wunder thut und Gott gleicht, ach, so beschwör' ich Euch, Väter, Beim lebendigen Gott, sprecht, sollen wir ihn verdammen?« Also sagt' er. Itzt strahlt die erhabene Mittagssonne Ueber Jerusalem nieder. Um die Zeit nahte sich Judas, In die Versammlung der Priester zu gehn. Vor ihm wandelten Satan Eilendes Tritts und Ithuriel her, und sie standen im Saale Neben den Priestern und sahn ungesehn in die tiefe Versammlung. Aber Nikodemus saß und betrachtete schweigend Aller Antlitz. So wie ein Mann, der ein Sünder ist, zitternd Stehet und bleich wird, wenn über ihm nah der Donner des Herrn ruft, Also war die Versammlung. Auch Philo und Kaiphas schienen Vor Gamaliel's Weisheit zu zittern. Mit Furcht und Verachtung Sahe sie Nikodemus, stand auf und wagt' es, zu reden. Hochgebildet, ein Mann von menschenfreundlichem Ansehn, Stand er. Wehmuth und Ernst erfüllte des Denkenden Antlitz, Und die Ruh' des empfindenden, unbefleckten Gewissens Sprach sein ganzes Gesicht. Sein treuer Zeuge, das Auge, Weint' und verbarg nicht die Thränen. Er glaubt', er spräche vor Menschen. Also sagt' er: »Gesegnet sei mir, Gamaliel, ewig Unter den Männern! Gesegnet sei, Du Theurer, die Rede Deines Mundes! Es hat Dich der Herr zum Helden gesetzet Und ein schneidendes Schwert in Deinen Mund Dir gegeben! Noch bebt unser Gebein, das Deine Rede getheilt hat! Noch sinkt unser ohnmächtiges Knie! Noch decket Dunkel Unser Auge! Noch sehen wir Gott in strafenden Wettern, Daß die Empörer wider sein Thun des Staubs sich erinnern, Der sie gebar! Der Gott, der diese Weisheit Dich lehrte, Der ein Herz des Entschlusses Dir und männlichen Muth gab, Schütze, Gamaliel, Dich! Der gottgesandte Messias Sei auch Dein Messias und Deines Samens Messias! Aber Euch, Euch segnen, die Gottes erhabnen Propheten Also verfolgen? Philo, Dich nicht! Dich, Kaiphas, auch nicht! Weinen kann ich vor Euch, wenn anders die Stimme des Weines Eurem Herzen hörbar noch ist, und wenn für die Unschuld Menschlich vergossene Thränen noch Eure Seele bewegen! Jetzo klagt noch der Thränen Stimme, zu retten die Unschuld. Höret sie, Väter! Ist erst ihr heiliges Blut vergossen, O, dann ruft wie die Wetter Gottes erhabner die Stimme Ihres vergossenen Bluts; sie ruft und steigt in den Himmel Zu des Ewigen Ohr. Der wird sie hören und kommen Und im Gericht ohn' Erbarmen um den Getödteten rechten: »Juda, Juda, wo ist Dein Messias?« Und wenn er nicht da ist, Wird er vom Aufgang her bis zum Niedergange vertilgen Alle Männer des Bluts, die seinen Heiligen würgten.« Also trat er zurück. Noch saß mit drohendem Auge Philo da und erbebte vor Wuth und grimmigem Zorne In sich selber und zwang sich aus Stolz, den Zorn zu verbergen. Aber er zwang sich umsonst. Sein Blick war dunkel, und Nacht lag Dicht um ihn her, und Finsterniß deckte vor ihm die Versammlung. Jetzo mußt' er entweder ohnmächtig niedersinken, Oder sein starrendes Blut auf einmal feuriger werden Und ihn wieder mächtig beleben. Es hub sich und wurde Feuriger, und von dem hochaufschwellenden Herzen ergoß sich's In die Mienen empor. Die Mienen verkündigten Philo. Sieh, er sprang auf und riß sich aus seiner Reih' und ergrimmte. So, wenn auf unerstiegnem Gebirg ein nahes Gewitter Furchtbar sich lagert, so reißet sich eine der nächtlichsten Wolken, Mit den meisten Donnern bewaffnet, entflammt zum Verderben, Einsam hervor. Wenn andre der Ceder Wipfel nur fassen, Wird sie von einem Himmel zum anderen waldichte Berge, Wird hochthürmende, nicht absehbare Königsstädte Tausendmal donnernd entzünden und sie in die Trümmer begraben. Philo riß sich hervor. Ihn sahe Satan und sagte Bei sich selber: »O, sei mir zu Deiner Rede geweihet! Wie wir unten im Abgrund weihn, so weih' ich Dich, Philo! Gleich gefürchteten Wassern der Hölle ströme sie wild hin! Stark, wie das flammende Meer! Wie vom Hauch der Donner geflügelt, Die mein Mund spricht, wenn er gebeut! Wie je in dem Abgrund Menschenfeindlich, mit Grimm an seinen unendlichen Bergen Von den Göttern hinuntergeredet ward, daß die Ströme Horchend es lernten und um sich herum den Strömen erzählten: So sprich, Philo! so führe dies Volk im Triumphe gebunden! Also denke! so fließe Dein Herz von Empfindungen über, Derer sich, wär' er ein Mensch, selbst Adramelech nicht schämte! Sprich dem Nazaräer den Tod! Ich will Dich belohnen Und Dein Herz mit der Hölle Freuden, sobald Du sein Blut siehst, Ganz erfüllen und, kommst Du zu uns, Dein Führer werden Und zu den Seelen Dich führen, die Helden waren und würgten!« So sprach Satan für sich, und Seraph Ithuriel hört' ihn. Aber Philo stand da, schaut' ernst gen Himmel und sagte: »Blutaltar, wo Gott das Lamm der Versöhnung gebracht wird, Und Ihr anderen hohen Altäre, wo vormals die Opfer, Gott ein süßer Geruch, sich unentheiligt erhuben! Und Du Allerheiligstes selbst! Du Lade des Bundes! Und Ihr Cherubim, Todesengel! Du Stuhl der Gnade, Wo, von den Menschen unangefeindet, der Ewige vormals Saß und über Verbrecher aus heiligem Dunkel Gericht hielt! Tempel des Herrn, den Gott mit seiner Herrlichkeit füllte! Und Du, Hörer der göttlichen Stimmen, Moria! Moria! Wenn Euch der Nazaräer verwüstet, Euch diese Verworfnen, Diese Männer der Bosheit, geführet von dem Empörer, Mit verwüsten, so bin ich an der Verwüstung nicht schuldig! Bin unschuldig, wenn unsere Kinder mit ängstlichem Blicke Und mit bebendem Knie, mit bangzerrungenen Händen Gehn und den Gott der Väter in seinem Heiligthum suchen, Ihn nicht finden! sich Throne der Nazaräer gesetzt hat, Wo Gott über den Cherubim saß! wenn vor Aller Antlitz Götzensklaven dem Sünder entweihendes Räuchwerk bringen, Wo der Vorhang hing, wo sonst nur der Hohepriester, Betend, mit verhülltem Gesicht, zu dem Gnadenstuhle Hintrat! Laß mich, Gott, den Jammer nicht sehn und mein Auge Eher brechen, als dieser Gräul der Verwüstung Dein Volk trifft! Aber, was ich noch thun kann, dem nahen Verderben zu wehren, Dieses thu' ich vor Gott! Hier steh' ich vor Deinem Antlitz! Hör', Gott Israel, mich, wenn Du je in dem Himmel gehört hast, Was von Dir auf der Erd' ein Mensch in dem Staube gefleht hat! Traf auf Elias' Gebet die gesandten Mörder des Königs Feuer vom Himmel, und fraß es sie weg von dem Gipfel des Karmel's; Riß, da Moses Dich bat, in ihre Tiefen die Erde Korah lebend und Dathan hinab und die Abiramiden: O, so hör', Gott Israel, mich! Ich fluche den Männern, Die Dich schmähn und den Sünder, der Moses' Feind ist, beschützen. Nikodemus, Dein Ende sei, wie das Ende des Träumers! Und Dein Grab, wie das Grab des Empörers, unter den Mördern, Welche fern vom Altar und dem Tempel gesteiniget werden! Hart sei Dein Herz, wenn Du stirbst, ununterwürfig der Gottheit! Thränenlos sei Dein Auge! Das Weinen müss' ihm versagt sein, Willst Du zu Gott Dich sterbend bekehren, weil Du geweint hast, Einen Verruchten zu schützen, und weil Dein dienstbares Auge Wider den Ewigen stritt und unheilige Thränen herabgoß! Auch Du schützest den Träumer, Gamaliel! Finsterniß decke Und entsetzliches Dunkel das Auge Dir! Sitze dann, warte Auf die Hilfe des Nazaräers und schmachte vergebens! Taubheit schließe Dein Ohr! ein schreckliches Ende Dein Leben! Lieg' dann und harre, daß Dich der Nazaräer erwecke! Lieg' und verwes' und harr' umsonst! Und wenn Du dem Pöbel, Der ihn, wie Du, anstaunt, in dem letzten Traume noch sagtest: »Merket darauf, er wird mich erwecken!« so trete der Pöbel Auf Dein Grab und spotte daselbst des Propheten und Deiner! Vor dem Gerichte steh' Dein Geist dann und höre sein Urtheil! Heb' empor den gefürchteten Arm und schlage den Sünder, Schlage Nikodemus, Gott, und vollende die Flüche, Die ich zu Ehren Dir that! Den Andern, der nebst ihm das Knie bog, Leg' auch ihn in den Staub, Gamaliel, hin, wo der Tod wohnt! Aber Deinen grimmigen Zorn, worunter der Erde Berge, gehst Du daher, worunter die Höll' erzittert, Deine Donner, die rings um Dich her, Unendlicher, donnern, Nimm und schlag' den schwärzeren Sünder, den Nazaräer! Ich bin jung gewesen und bin zum Greise geworden, Habe Dir stets nach der Weise der Väter gedient und geopfert; Aber, lässest Du, Gott, den Jammer den Sterbenden sehen, Daß der Empörer von Nazaret siegt, Dein ewiger Bund nichts, Daß nichts mehr Dein Heiligthum gilt und Dein Eid und Dein Segen, Den Du Abraham schwurst und nach ihm den Abrahamiden: So entsag' ich hiermit vor dem Antlitz des ganzen Judäa Deinem Recht und Gesetz, so will ich ohne Dich leben! Ohne Dich soll mein sinkendes Haupt in die Grube sich legen! Ja, wenn Du von der Erd' Antlitz den Träumer nicht wegtilgst, Siehe, so erschienest Du Moses nicht! war es ein Blendwerk, Was er im heiligen Busch an dem Fuße des Horeb erblickte! Stiegest Du zu der Höh' des Sina nicht wunderbar nieder! Keine Posaune klang! kein Donner! so bebte der Berg nicht! Unsere Väter und wir sind seit undenkbaren Zeiten Unter den Völkern der Welt die beweinenswürdigsten Menschen! Weh uns! so ist kein Gesetz! so bist Du Israel's Gott nicht!« Philo sprach's, trat grimmig zurück. Allein Nikodemus Stand mit unverwendetem Antlitz. So wie ein Mann steht, Welcher den Unterdrücker erduldet und in sich den Vorzug Und die Erhabenheit seiner Tugend und Unschuld empfindet; Ernst ist in seinem Gesichte, tief in der Seele der Himmel. Jetzo dachte der göttliche Mann voll Gedanken der Ehrfurcht An die heilige Nacht, wo allein mit ihm der Messias Von der Ewigkeit sprach und von den Geheimnissen Gottes, Wo er in Tiefsinn mit Mienen voll Seele, mit himmlischem Lächeln Neben ihm stand und sprach. Er sah sein Antlitz voll Gnade Und den mehr als menschlichen Geist der göttlichen Augen, Sah die Enthüllung der Unschuld des Paradieses, erhabne, Strahlende Züge des ewigen Bildes, den Sohn des Vaters. Also stand er stillanbetend, zu selig, vor Menschen Sich noch zu fürchten. Mächtiges Feuer, ein Schauer vom Himmel Hub ihn empor. Ihm war, als ständ' er vor Gottes Anschaun, Vor der Versammlung des Menschengeschlechts und dem Weltgerichte. Auf ihn schaute die ganze Versammlung. Sein Auge voll Ruhe, Voll des unwiderstehlichen Feuers der furchtbaren Tugend, Schreckte die Sünder. Sie fühlten ihn grimmvoll. Er zwang sie; sie hörten. »Heil mir, daß mein Auge Dich, Du Göttlicher, schaute! Heil mir, daß ich der Väter Hoffnung, den Retter, erblickte! Welchen zu sehn in dem Hain zu Mamre schon Abraham oftmals Einsam seufzte! den David, der Mann zum Beten geschaffen, Gern aus des Vaters Arm herunter hätte gebetet! Den die Propheten, in Staube gebückt, mit Thränen verlangten, Die Gott sammelt' und zählte! den uns Unwürdigen Gott gab! Ja, Du zerrissest die Himmel umher, Du eiltest hernieder Unter Dein Volk, es zu segnen, Du Eingeborner des Vaters, Oder, wie diese Männer Dich nennen, Du Träumer und Sünder! Ach, unschuldiger Mann, wer sind sie, die also Dich nennen? Und wenn hast Du Lügen geträumt? wenn hast Du gesündigt? Stand er nicht vor dem Gesicht der versammelten Israeliten? Standst Du nicht, Philo, dabei? und rief er nicht also und sagte: Wer kann einer Sünde mich überzeugen? Wo war da, Philo, der grimmige Zorn auf diesen Lippen der Lästrung? Warum standest Du, stand um Dich her Dein Haufen so sprachlos? Erst war überall herrschendes Schweigen und wartende Blicke, Wilde Gesichte voll Freude, Gesichte, von sorgender Furcht voll. Still und verstummend stand die Versammlung und wartete, bis sich Einer erhüb' und wider ihn zeugte. Da aber nicht Einer Unter dieser dichten Versammlung unzählbarer Menschen Wider den Göttlichen aufstand und zeugte, da hub sich die Stimme Vom zusegnenden Volk von allen Seiten gen Himmel, Daß Moria davon, und des Oelbergs waldichte Gipfel Von der Stimm' erbebten, der rufenden, drangen die Blinden Und die vormals Tauben herzu und dankten und jauchzten. Siehe, da kam ein unzählbares Volk, das er wunderbar vormals Speist' in den Wüsten, und eilt' und dankte dem Menschenfreunde. Da rief unter dem Volk mit lauter Stimme der Jüngling, Den er vor Nain's Thoren erweckte, der rief und sagte: »Du bist mehr als ein Mensch! Du bist kein Sünder geboren! Gottes Sohn, der bist Du! Die Hand, die ich gegen Dich strecke, War mir erstarrt! Dies Auge, das weint, Dir, Göttlicher, zuweint, War mir geschlossen! Auch sie, die Dir jauchzend betet, die Seele War nicht bei mir! Sie trugen mich hin zu dem Grabe der Todten. Aber Du gabest der starrenden Hand, Du gabest dem Auge Leben und Feuer! Ich sah von Neuem die Erd' und den Himmel Und die zitternde Mutter bei mir! Du riefest die Seele Wieder zurück! Sie trugen nicht mehr zu dem Grabe den Jüngling! Du bist mehr als ein Mensch! Du bist kein Sünder geboren! Heil mir, Du bist des Ewigen Sohn! der Verheißne! die Wonne Deiner Mutter! die Wonne der Erde, die Du erlösest!« Also rief er. Allein Du standest und sahst zu der Erde. Warum verstummtest Du so vor dem Antlitz des ganzen Judäa, Philo? Doch was erzähl' ich dies hier? Ihr wißt es ja Alle! Hättest Du Augen zu sehn und Ohren zu hören, und wäre Nicht Dein Verstand mit Dunkel umhüllt und Dein Herz voll Bosheit, O, Du hättest in ihm den Sohn des ewigen Vaters Lang' erkannt! Und wärst Du hierzu zu niedrig gewesen, Hättest Du Gott doch gescheut und tief in dem Staube gewartet, Bis ihn vom Himmel herab der Richtende losgesprochen, Oder über sein Haupt dem Untergange gerufen. Religion der Gottheit! Du heilige Menschenfreundin! Tochter Gottes, der Tugend erhabenste Lehrerin, Ruhe, Bester Segen des Himmels, wie Gott, Dein Stifter, unsterblich! Schön wie der Seligen einer! und süß wie das ewige Leben! Schöpferin hoher Gedanken! der Frömmigkeit seligster Urquell! Oder wie sonst Dich die Seraphim, Unaussprechliche, nennen, Wenn Dein ewiger Strahl in edlere Seelen sich senket; Aber ein Schwert in des Rasenden Hand! des Bluts und des Würgens Priesterin! Tochter des ersten Empörers! nicht Religion mehr! Schwarz wie die ewige Nacht! voll Grauns wie das Blut der Erwürgten, Die Du schlachtest und über Altären auf Todten dahergehst! Räuberin jenes Donners, den des Richtenden Arm sich Vorbehalten; Dein Fuß steht auf der Hölle, Dein Haupt droht Gegen den Himmel empor; wenn ungestalt des Verbrechers Seele Dich macht, wenn das Herz des Menschenfeindes Dich umschafft Zur Abscheulichen! Religion! Den lehrtest Du würgen? Ohne den Du nicht wärst, den Deine göttlichsten Kinder Sangen, eh Du zu den Menschen kamst, entheiligt zu werden, Deinen Stifter zugleich und Deinen göttlichen Inhalt, Religion! Den lehrtest Du würgen? Das lehrest Du uns nicht! Das ist ferne von Dir, die Du des Ewigen Kind bist, Friedensstifterin! Heil! Bund Gottes! ewiges Leben! Meine Seele bewegt sich in mir, mein bebendes Knie sinkt; Schwermuth und Mitleid und Angst erschüttern mir die Gebeine, Wenn ich dies Alles in ernsten Betrachtungen überdenke. Und ein Schauer vor Menschen, ein Graun vor Denen, die Gott schuf, Ueberfällt mich, so oft ich es denke, wie wenig Ihr dieses Bei Euch empfindet, wie niedrig Ihr seid, nur menschlich zu fühlen, Wie ohnmächtig, zu sondern die Religion und die Mordsucht! Und wie pöbelhaft klein, die lichten Strahlen der schönen Und der liebenswürdigen Unschuld nur dunkel zu sehen! Zwar was sorget die Unschuld, von Euch gesehen zu werden! Gott sieht sie, der Himmel mit Gott! Sie wird nicht erzittern, Wenn sie der niedrige Sünder verdammt! Wenn Seraphim dastehn Und sie bewundern, ihr hoch von dem Himmel der Ewige lächelt; Wenn dann wir in unserer Heimath niedrigem Staube Stehn und wider sie zeugen, wie klein und verachtungswürdig Stehen wir da und zeugen! Und wenn in dem Weltgerichte, Wenn dereinst vor der ganzen Versammlung erwachender Todter Seraphim gegen uns wandeln und stehn und wider uns zeugen; Wenn die Stimme der Cherubim ruft und, auf uns herdonnernd, Gottes Heilige nennt, Gott redet und die Gerechten Zu sich in hohem Triumph zu seiner Herrlichkeit einführt, O, wie werden wir da den Hügeln flehen: »Bedeckt uns!« Und den Bergen: »Fallt auf uns her!» und den Meeren: »Verschlingt uns!« Und »Vernichte Du uns!« dem Verderben, »daß Die uns nicht sehen, Die wir verdammten! daß sie uns nicht sehn, die schrecklichen Frommen! Daß uns der Vater so furchtbarer Kinder in Zorne nicht anschau'!« Stärke mich, großer Gedanke, Gedanke vom Weltgerichte! Sei mir ein Gottesberg, zu dem ich entfliehe, wenn nun mich, Sterbender Mittler, Dein letzter, letzter Anblick erschüttert. Ach, ich fühl' es zu sehr, wie meine Seele bewegt wird, Welch zweischneidiges Schwert auf meinen Scheitel daherblinkt, Wenn ich Deinen nahenden Tod von ferne betrachte! Ach, vergebens erhöhest Du mir, erhabner Gedanke, Meine Seele! dem fühlenden Herzen, dem Herzen voll Mitleids, Voll von Jammer, voll Angst, sind Deine Donner nicht hörbar. Du sollst sterben, Du göttlicher Jüngling! Du, welchen mein Arm hielt, Als Du ein Knabe noch warst; umschlossen hielt Dich mein Arm da, Drückte Dich an mein Herz mit freudigem, stillen Erstaunen! Um Dich standen die Weisen herum und hörten Dich lehren Und bewunderten Dich! O, damals stand auch der Himmel, Aus den ewigen Pforten zu Legionen gegossen, Um Dich herum und hörte Dich lehren und jauchzte Dir Lieder! Siehe, Du wecktest Todte! Dein Auge gebot den Gewittern, Und die Gewitter gehorchten Dir gern. Da ruhte der Sturmwind. Du erhubest Dich, gingest daher; da sanken die Wasser, Wie Gebirge, vor Dir und wurden Ebnen. Da gingst Du Auf den schweigenden Wassern. Die Himmel sahen Dich wandeln. Du sollst sterben? So stirb denn! Ist's Deines erhabenen Vaters Heiliger Rathschluß, stirb! Ich aber will weinend gehen An Dein Grab, zu dem heiligen Quell der Bethlehemiten, Wo Dich Maria gebar; da will ich weinen und sterben, Bester der Menschen! Du Gottessohn! Du Engel des Bundes! Theurer Jüngling! Mein Ende sei wie Dein Ende! Mein Grab sei Neben dem Grabe dieses Gerechten! nah den Gebeinen, Die in Sicherheit ruhn und dem ewigen Leben erstehen! Doch was säumet mein Fuß, aus dieser Versammlung zu gehen? Heilig und rein, der geh' ich hinaus! Gott hat mich gehöret! Rein des gerechten, unschuldigen Bluts! Nun rufe zu Dir mich, Richter der Welt; denn ich habe kein Theil an dem Rathe der Sünder!« Also spricht er und bleibt noch stehn, fällt nieder und betet: »Der Du vor Abraham warst, Messias, sei Du mein Zeuge An dem Tage des Weltgerichts! Dich bet' ich als Gott an!« Stand dann auf und red'te zu Philo. Sein Antlitz war heiter, Wie der Seraphim Angesicht ist. »Du hast mir gefluchet; Aber ich segne Dich, Philo! Der hat's mich also gelehret, Den ich als Gott anbetete. Philo, vernimm mich und kenn' ihn! Wenn Du nun sterben willst, Philo; wenn jetzt des Unschuldigen Blut Dich Schreckt und auf Dich wie ein Meer sich herabstürzt; Deinem Ohr nun Wie ein Wetter des Herrn der Rache Stimmen ertönen; Wenn Du dann wirst hören um Dich durch das Dunkle dahergehn Gottes Tritt, den eisernen Gang des wandelnden Richters Und der entscheidenden Wagschal' Klang, des blinkenden Schwerts Schlag, Welches er wetzt, sein Geschoß, von dem Blute der Grausamen trunken; Wenn von dem Angesicht Gottes die Todesangst ausgehet, Dich erschüttert, und nun ganz andre Gedanken die Seele Ueberströmen, und um Dein starres, sterbendes Auge Lauter Gericht ist; Du Dich alsdann vor dem tödtenden Richter Windest und krümmst, mit bebender Angst lautweinend zu Gott flehst Um Erbarmung, so höre Dich Gott und erbarme sich Deiner!« Also sagt er und geht durch sie hin. Ihn begleitete Joseph. Aber Ithuriel sah Nikodemus, den göttlichen Mann, gehn. Da erhub sich der Seraph und schwebt' in hoher Entzückung Mit weitausgebreiteten Armen. Des Denkenden Auge Schaute voll Wonne gen Himmel empor, und göttliches Lächeln Hellte die selige Stirn, und unaussprechliche Freude Floß um sein Haupt, da er schwebte. So wie der Himmlischen Einer, Der als Wächter Liebende schützt, die edler sich lieben, Tief verloren in seiner Entzückung, auf blühenden Hügeln, Stehet am ewigen Thron, indem Eloa vor Gott singt Und der tönenden Harfe die höhere Sprache gebietet. Von der Belohnung der Tugend, vom Wiedersehen der Freunde Und der Liebenden singt dann Eloa. Der andere Seraph Stehet entzückt. Die Harfe tönt fort mit geflügelten Stimmen, Schlag auf Schlag, Gedank' auf Gedanke. Der hörende Jüngling Jauchzt und zerfließt im Gefühle der Freuden, die Namen nicht nennen. Also stand Ithuriel da und sprach zu sich selber: »Welche Seligkeit wird nach des Mittlers Tode Dich krönen, Wenn Du noch mehr so erhabene Seelen, o Menschengeschlecht, hast, Und nun bald die Christen so sind wie dieser Gerechte!« Also sagt er und achtet nicht Satan, ihn hören zu lassen, Was er sagt. Doch Satan sah ihn in seiner Entzückung Und empfand den gewissen Triumph des erhabneren Seraph's. Nikodemus ging bei dem Arimathäer und sagte, Als er von ihm sich wandte: »Du aber schämtest Dich seiner, Theurer Joseph!« Das ging ihm durchs Herz. Der frömmere Joseph Hatte geheim schon geweint, daß er unentschlossen verstummt war. Zitternd ging er von Nikodemus, vermochte vor Wehmuth Nicht zu sprechen. Er hub nur den Blick voll Unschuld gen Himmel. Nikodemus ließ die Versammlung in tiefem Erstaunen Und auf den Tag des Gerichts mit Wunden der Seele gebrandmarkt, Wunden, deren Gefühl sie jetzt zu betäuben sich zwangen, Aber die offen einst sind, weit offen, den Tag der Vergeltung Ewig zu bluten, wenn dann nicht mehr der Zeuge betäubt wird, Den der Richter der Welt in das Herz des Menschen gesandt hat. Alle schwiegen. Es hätte sich jetzt die Versammlung getrennet, Wär' Ischariot nicht, des Gehaßten Jünger, gekommen. Judas Ischariot ward hereingeführet. Sie sahn ihn Voll Verwundrung die Reih'n der tiefen Versammlung vorbeigehn Und mit ruhiger Miene dem Hohenpriester sich nähern. Der empfing ihn und neigte sein lächelndes Antlitz auf Judas. Judas spricht insgeheim mit dem Hohenpriester. Der kehrt sich Zu der Versammlung und sagt: »Noch sind in Israel übrig, Die ihr Knie vor dem Götzen nicht beugen. Der Mann ist sein Jünger Und doch muthig genug, das Gesetz der Väter zu halten. Er verdienet Belohnung.« Ischariot nahm die Belohnung. Und erfüllt vom Stolze, daß ihn die Väter so ehrten, Ging er aus der Versammlung. Nur war ihm der Lohn zu geringe. Doch ermuntert' er sich mit der Hoffnung, mehr zu besitzen, Hätt' er mit Weisheit und Eifer die That erst ausgeführet. Philo sah den Vorübergehenden, haßt' ihn. Daß Einer Von den Geringen des Volks an seiner Ehre den Antheil Haben sollte, das quält' ihn. Doch sah er mit winkendem Lächeln Nieder auf ihn und feuert' ihn an, sein Werk zu vollführen. Lange schaut' er Ischariot nach. So schaut dem Erobrer, Eilt er zur Schlacht, der erste der Mörder mit Spott und Triumph nach. Dieser war's, so den Helden gesetzte Grausamkeit lehrte Und in ihm das Gefühl der Menschenliebe betäubte. Jetzo flattert der Traum des ewigen Ruhms um sein Auge; Blühende Lorbeer umwinden des Siegers Stirne. Nur Menschen, Die, den Unsterblichen nachzuahmen, Thiere wie er sind, Hält er schätzbar. Es fliegt der Löwe, Tod zu gebieten. Schon ertönen ihm süß in dem Ohre des eisernen Feldes Dumpfe Gewitter; er hört unerweicht der Sterbenden Winseln Und vergißt, daß auch ihn zu der Liebe das Christenthum einlud, Und der Donner auch ihn mit den Todten dereinst zum Gericht weckt. Judas, vom Aug' und dem Wunsche des Pharisäers begleitet Und in goldene Träume vertieft, ging, Jesus zu suchen. Jesus kommt aus den Schatten des nahen Kidron und wandelt Durch die Palmen im Thal. Er sieht Jerusalem liegen Und den Tempel, sein Bild, sieht seiner Feinde Versammlung Und der Christen erste. »Seht da die Zeugin!« so sprach er Zu den Jüngern, »ich weine nicht mehr um Jerusalem's Kinder. Schaut der Heiligen Gräber! Die Alle hat sie getödtet. Aber von ihren Söhnen sind viel', die werden einst mein sein, Meine Zeugen mit Euch! Jetzt will ich ruhig den Rathschluß Meines Vaters vollenden. Bald wird Euch Alles enthüllt sein. Gehet, Petrus, und Du, Johannes, Beide zur Stadt hin. Euch wird in Jerusalem's Mauer ein Jüngling begegnen; Einen Wasserkrug trägt dieser Jüngling und sieht sich Oft nach Euch um und liebt die beiden Fremdlinge. Folgt ihm, Wo er hingeht. Kommt Ihr ins Haus, so sagt dem Bewohner: Unser Lehrer sendet uns her, das Fest hier zu feiren. Und der redliche Mann wird auf den oberen Saal Euch Eilend führen. Der ist schon bereitet.« Es fanden die Jünger Alles so und ließen das Lamm zu dem Mahle bereiten. Petrus verweilte sich nicht, das Mahl bereiten zu sehen, Eilt' auf den hohen Söller des Hauses und schaute mit Sehnsucht Nach der Seite der Stadt, die auf Bethanien führte, Jesus kommen zu sehn. Da er so mit geflügeltem Blicke Jede Ferne durcheilt, da sieht er die liebende Mutter Seines Messias, begleitet von wenigen Freunden, dahergehn. Müd' und voll Schmerz – sie hatte den Sohn nun Tage gesuchet, Lange Nächte geweint – doch durch den Schmerz nicht entstellet, Ging die hohe Maria, unwissend der eigenen Würde, Die ihr die Unschuld gab und strenge Tugend bewachte, Reines Herzens, vom Stolz nicht entehrt, die menschlichste Seele, Werth, wenn es Eine der Sterblichen war, der Töchter von Eva Erstgeborne zu sein, wär' Eva unschuldig geblieben, Hoch wie ihr Lied, holdselig wie Jesus, und geliebet Von dem Sohne. Sie kam mit Freunden, die immer ihr folgten. Lazarus, den der Messias vor Kurzem vom Tod erweckte, Lazarus, himmlisch gesinnt und gewiß des ewigen Lebens, Ging am Nächsten bei ihr. Sein niederschauendes Auge Schauete Tiefsinn her, mit einer Hoheit vereinet, Die, unaussprechlich der Sprache des Menschen, nur sterbende Christen Fühlen und durch ihr Lächeln im Tode beim Namen sie nennen. Lazarus dachte den Tod und die Auferstehung vom Tode, Da er zu dem Messias, wie zu des Ewigen Anschaun, Aus dem Staube, gefaßt von dem Schauer Gottes, heraufstieg. Seine Schwester, Maria, die fromme Hörerin Jesus', Die, in ihrer Unschuld und Ruh vor ihn hingegossen, Da den ewigen Theil zu seinen Füßen erwählte, Diese folgte dem himmlischen Bruder. Ihr ruhiges Antlitz, War mit Todesblässe bedeckt. In dem Auge voll Wehmuth Hielt sie die rührendste Thräne zurück, die jemals geweint ward. Von Nathanael, ihrem Geliebten, dem Jesus den Namen Des Rechtschaffenen gab, zu ihrem himmlischen Bruder, Welcher gestorben und ihr von den Todten wiedergekehrt war, Zitterten hin und her des heiligen Mädchens Gedanken. Ruhig fühlt sie den kommenden Tod. Um Nathanael's willen, Nur um ihres himmlischen Bruders, um Lazarus' willen, Trauert sie wegen der Blässe, von der die Gespielinnen reden. Neben ihr ging die sittsame Cidli, die Tochter Jairus'. Still in Unschuld waren ihr kaum zwölf Jahre verflossen, Als sie, dem jungen Leben entblühend, heiter und freudig In die Gefilde des Friedens hinüberschlummerte. Todt lag Cidli vor dem Auge der Mutter. Da kam der Messias, Rief sie aus dem Schlummer zurück und gab sie der Mutter. Heilig trägt sie die Spuren der Auferstehung; doch kennt sie Jene Herrlichkeit nicht, mit der ihr Leben gekrönt ist, Nicht die zartaufblühende Schönheit der werdenden Jugend, Noch ihr himmlisches Herz, Dir, edlere Liebe, gebildet. So ging, da sie erwuchs, der Israelitinnen schönste, Sulamith, als die Mutter am Apfelbaume sie weckte, Wo sie die Tochter gebar, in der Kühle des werdenden Tages. Sanft rief sie der schlummernden Tochter, mit lispelnder Stimme Rief sie: »Sulamith!« Sulamith folgte der führenden Mutter Unter die Myrrhen und unter die Nacht einladender Schatten, Wo in den Wolken süßer Gerüche die himmlische Liebe Stand und in ihr Herz die ersten Empfindungen hauchte Und das verlangende Zittern sie lehrte, den Jüngling zu finden, Der, erschaffen für sie, dies heilige Zittern auch fühlte. So geht Cidli. Sie hängt an der Hand der Hörerin Jesus'. Und mit lockichtem, fliegenden Haar, in der Blume des Lebens, Schön wie der Jüngling David, wenn er an Bethlehem's Quelle Saß und entzückt in der Quelle den großen Allmächtigen hörte; Aber nicht lächelnd, wie David, begleitet die sittsame Cidli Semida, den von dem Tode bei Nain der Göttliche weckte. Aber die Mutter Jesus' erhub ihr Antlitz und sahe Petrus stehn. Da eilte sie schnell, den Messias zu finden. Petrus war in den Saal heruntergegangen und kam ihr Mit Johannes entgegen. Sie sahen sie kommen und staunten, Als sie sie sahen. So viel sprach von der Hoheit des Geistes Ihre Bildung! So hatte sie Der mit Würde bekleidet, Der, eh er Mensch ward, Schöpfer war und wieder es sein wird, Wenn er neue, nicht sterbliche Leiber den ewigen Seelen Aus dem Staube der Auferstehung wird heißen hervorgehn! Ihre Begleiterinnen, die unter den Töchtern Judäa's Zwo der liebenswürdigsten waren und werth, von der Mutter Ihres Propheten geliebt und übertroffen zu werden, Gingen neben Maria mit sanfter, vertraulicher Demuth. Wie vor allen Bergen Judäa's Tabor hervorragt, Er, der Zeuge der Herrlichkeit Jesus' – zwar ruhet auch Sion Lieblich vor Gott; zwar nahm den erhabnen Messias der Oelberg Oft, wenn er rang in Gebet; zwar trägt die Stirne Moria's Hoch das Allerheiligste Gottes und zittert darunter – Aber vor allen Bergen Judäa's ist Tabor doch herrlich, Tabor, verbreitet vor Gott, ein Zeuge der hohen Verklärung. Also war unter den heiligen Frauen die hohe Maria. Als sie bei den geliebteren Jüngern Jesus nicht sahe, Blieb sie in Wehmuth stehn. Da sie zu reden vermochte, Wandte sie gegen Johannes ihr Antlitz und lächelte weinend: »Den mein Arm getragen, der oft mit kindlichem Blicke An mein Herz sich geneigt hat – ich zittre, Sohn ihn zu nennen! Denn er ist viel zu erhaben für eine sterbliche Mutter, Viel zu wunderthätig und groß, von Maria geboren Und geliebet zu sein – wo ist, o theurer Johannes, Ach, wo ist er, des Ewigen Sohn? Ich hab' ihn schon lange Ueberall ängstlich gesucht, daß er nicht nach Jerusalem komme, In die entheiligte, wüthende Stadt. Sie wollen ihn tödten! Ach, sie wollen ihn tödten, den meine Hände getragen Haben, meine Brüste gesäugt, der weinenden Augen Mütterlich angeblickt, als er ein blühendes Kind war.« Sanft erwidert der fromme Johannes: »Er hat uns geboten, Hier ihm ein Mahl zu bereiten, das Lamm des Bundes zu schlachten. Bald wird er selbst von Bethania kommen. Erwart' ihn, Maria! Rede mit ihm, wenn er kommt, was dann Dein Herz Dir gebietet, Das so mütterlich ist, so würdig unsers Propheten!« Alle schwiegen, und Lazarus' Schwester, die Hörerin Jesus', Neigte sich sanft an ihre geliebtere Cidli; zu Cidli Trat itzt Semida näher; doch schwieg er und sah zu der Erde. Diese kannte den Schmerz, der lange schon Semida's Herz traf, Und sie blickte seitwärts ihn an und sah die Empfindung Seiner Seel' in dem Auge voll Wehmuth, sahe die Hoheit, Welche mit Zügen der Himmlischen schmückt die leidende Tugend. Da zerfloß ihr das Herz und lispelte diese Gedanken: »Edler Jüngling! Um mich bringt er sein Leben mit Wehmuth, Seine Tage mit Traurigkeit zu! Ach, war ich's auch würdig, Daß Du so himmlisch mich liebst, war's Deine Cidli auch würdig? Lange schon wünsch' ich, die Deine zu sein und von Dir zu lernen, Wie sie so schön ist, die selige Tugend, Dich innig zu lieben, Wie zu der Väter Zeit die Töchter Jerusalem's liebten, Wie ein jugendlich Lamm um Deine Winke zu spielen, Gleich den Rosen im Thal, die der frühe Tag sich erziehet, So in Deiner reinen Umarmung gebildet zu werden, Dein zu sein und Dich ewig zu lieben! Du Frohste der Mütter, Warum gebotest Du doch das himmlische strenge Gebot mir? Aber ich schweig' und gehorche der Weisheit der liebenden Mutter Und der Stimme Gottes in ihr! Dem bin ich gewidmet! Ich bin auferstanden, gehöre zu wenig der Erde, Sterbliche Söhn' ihr zu geben! Nur Du mußt Deine Betrübniß, Deine zärtlichen Klagen, Du edler Jüngling, auch mindern! Würde doch meinem Leben der Trost noch einmal gegeben, Daß ich in Deinem Gesicht das süße Lächeln erblickte, Da Du keine Thränen noch kanntest, als Thränen der Freude, Da Du ein Knabe noch warst, und ich dem schmeichelnden Arme Deiner Mutter entfloh, hinüber in Deinen zu eilen!« Also denkt sie. Es bricht ihr das Herz, sie kann sich nicht halten, Stille Thränen zu weinen. Es sah sie Semida weinen, Ob sie gleich mit dem fließenden Schleier ihr Auge bedeckte. Semida geht still aus der Versammlung, und da er hinauskömmt, Sieht er mit traurigem Angesicht nieder und denkt bei sich selber: »Warum weint sie? Ich konnte sie länger weinen nicht sehen; Denn es brach mir mein Herz! Zu theure, zärtliche Thränen, Schöne Thränen, so still, so zitternd im Auge gebildet! Wäre nur eine von Euch um meinetwillen geweinet; Eine wäre mir Ruhe gewesen! Ich klage noch immer, Immer um sie! Mein Leben voll Qual, mein trauriges Leben Ist noch immer von ihr ein einziger langer Gedanke! O Du, welches in mir unsterblich ist, dieser Hütte Hohe Bewohnerin, Seele, von Gottes Hauche geboren, Du des Erschaffenden Bild, der nahen Ewigkeit Erbin, Oder wie sonst Dich bei Deiner Geburt die Unsterblichen nannten, Red', ich frage Dich, lehre Du mich! enthülle das Dunkle Meines Schicksals! öffne die Nacht, die über mich herhängt! Red', antworte mir! ich frage Dich! Müde, zu weinen, Müde bin ich, zu trauren in dieser Wehmuth mein Leben! Warum, wenn ich sie seh', die vielleicht zur Unsterblichkeit aufstand, Oder, ferne von ihr und nicht um Cidli, sie denke, Warum fühl' ich alsdann im überwallenden Herzen Neue Gedanken, von denen mir vormals keiner gedacht war? Bebende, ganz in Liebe zerfließende, große Gedanken! Warum weckt von der Lippe Cidli's die silberne Stimme, Warum vom Aug' ihr Blick voll Seele mein schlagendes Herz mir Zu Empfindungen auf, die mit dieser Stärke mich rühren? Die sich rund um mich her, wie in hellen Versammlungen, drängen, Jede rein wie die Unschuld, und edel wie Thaten des Weisen? Warum decket der Schmerz mit mitternächtlichem Flügel Dann mein Haupt und begräbt mich hinab in die Schlummer des Todes, Wenn ich, sie liebe mich nicht, den trüben Gedanken entfalte? Ach, dann wall' ich am Grabe, dem ich so nah war, und weine Meinen Jammer. Mir horcht die schauernde Todesstille. Oft will ich dann mit gewaltigem Arm den Kummer bestreiten; Meine Seele versammelt in sich die Empfindungen alle, Welch' ihr von ihrer hohen Geburt und Unsterblichkeit zeugen. Sei, so red' ich sie an, sei wieder Dein, die himmlisch, Die Du bist unsterblich erschaffen! So red' ich ihr Hoheit Und Standhaftigkeit zu; sie aber verstummt, sich zu trösten, Schaut auf ihre Wunden herab und weinet und zittert. Warum bin ich's allein, der, ungeliebet, auf ewig Liebt? Was erhebt sich mein Herz, auch über die edelsten Herzen, Groß und elend zu sein? Was ist es in mir, das noch immer Sie bei dem Namen mir nennt, will ich ihr Gedächtniß vertilgen? Welche Stimme Gottes ist das, die mit heiligem Lispeln Und mit Harmonien, den zärteren Seelen nur hörbar, Meinem Herzen leise gebeut, sie ewig zu lieben? Und so will ich denn ewig Dich lieben, wie schweigend Du mir auch, Wie verstummend Du bist! Ach, da ich es, Cidli, noch wagte, Zitternd zu denken, Du seist mir geschaffen, wie still war mein Herz da! Welche Wonnen erschuf sich mein Geist, wenn Cidli mich liebte! Welche Gefilde der Ruh um mich her! O, darf ich noch einmal, Süßer Gedanke, Dich denken? und wird Dich mein Schmerz nicht entweihen? Du warst, Himmlische, mein! durch keine kürzere Dauer Als die Ewigkeit mein! Das nannt' ich für mich geschaffen! Jeder Tugend erhabneren Wink, der unsichtbar mir sonst war, Lernt' ich durch Deine Liebe verstehn! Mit zitternder Sorgfalt Folgte mein Herz dem gebietenden Wink. Die Stimme der Pflichten Hört' ich von fern! Ihr werdendes Lispeln, ihr Wandeln im Stillen, Ihren göttlichen Laut, wenn Keiner sie hörte, vernahm ich! Und nicht umsonst! Wie ein Kind voll Unschuld, mit biegsamen Herzen, Folgt' ich dem leichten Gesetz der sanftgebietenden Stimme, Daß ich Deinen Besitz, die Du mir theurer als Alles, Was die Schöpfung hat, warst, durch keinen Fehl nicht entweihte. Welche Gabe warst Du mir von Gott! Wie dankt' ich dem Geber, Daß ich, wie auf Flügeln, von Deiner Unschuld getragen, Näher dem Liebenswürdigen kam, der so schön Dich gebildet, Der so fühlend mein Herz und Deins so himmlisch gemacht hat! Wie mit dem Lächeln ihrer Entzückungen Deine Mutter, Da Du geboren warst, über Dir hing, und wie sie sich neigte Ueber Dein Antlitz mit Todesangst, da Du ihrer Umarmung Still entschlummertest, sie den Schall der kommenden Füße Noch nicht hörete, noch nicht die Stimme des Helfers in Juda: Also hat meine Seele sich oft mit jeder Empfindung Und mit jeder Entzückung in ihr, die sie mächtig erschüttert, Auf den großen Gedanken gerichtet: Du seist ihr geschaffen! Ausgebreitet hing auf ihn hin die schauende Seele, Sah ihn ganz, den Gedanken der Ewigkeit, sah von dem Endzweck Ihres Daseins viel in ihm, von Entzückungen trunken, Wie sie selten ins Herz des Menschen vom Himmel strömen. Aber in Traurigkeit, welche kein Maaß, kein endendes Ziel kennt, Und in Schauer namloser Angst, in Schlummer des Todes Löste meine Seele sich auf, wenn ich jenen Gedanken, Jenen andern Gedanken der Nacht und der Einsamkeit dachte. Dann, dann war ich von Allen verlassen! dann war ich einsam! Ach, Du warst mir nicht mehr! Ich war allein in der Schöpfung! O, bei Allem, was heilig ist, um der Tugend und Liebe, Um der Schönheit willen, die Deine Seele voll Unschuld Ueber den Staub der Erd' erhöht, und wenn was noch theurer, Wenn was erhabner noch ist, bei Deinem Erwachen vom Tode Und bei jeder Unsterblichkeit, die Du, mit Lichte bekleidet, Unter des Himmels Bewohnern einst lebest, o, um der Kronen, Um der Tugend Belohnungen willen beschwör' ich Dich, Cidli: Sage, was denkt da Dein Herz? was fühlt's? wie ist es ihm möglich, Dieses mein Herz, das so liebt, mein blutendes Herz zu verkennen? Ach, der große Gedanke, der schauernde, süße Gedanke, Daß sie vom Tod erweckt ist, daß ich erweckt bin vom Tode! Daß wir von Neuem vielleicht nicht sterben! und Beide zum höhern, Besserem Leben .... Doch schweigt, zu kühne, zu feurige Wünsche! Dieser Gedanke führte vielleicht mich zu weit, und ich liebte Sie zu heftig! Wie kann ich zu sehr Die lieben, mit der ich Jenes erhabnere Leben vielmehr, als dies an dem Staube Wünsche zu leben? mit der, es sei dort oder auf Erden, Angefeuert durch sie, ich den ewigen Schöpfer der Himmel, Unseren Schöpfer, noch mehr zu lieben so innig verlange? Aber der göttliche Sohn des Angebeteten, Jesus, Mein Erretter, ist in der Gefahr, getödtet zu werden! Ist es jetzo! Aber ich kann nicht, wie kann ich es glauben, Daß Der sterben werde, der mich von den Todten erweckt hat? Und wie oft entging er nicht schon der Verfolgenden Unsinn! Fehlet' ich dennoch, durft' ich, da diese Gefahren ihm drohen, Meinem Schmerze mich nicht, nicht so hingeben der Wehmuth, So verzeih' Du es mir, Du theurer, göttlicher Retter! Reiß' denn von einem Kummer Dich los, der Dich nur angeht, Traurender, Eines Ruhe nur nahm und vielleicht nicht auf immer! Ganz sei Deine Seele gerichtet auf jenen Ausgang, Den der Ewige Deinem erhabnen Retter bestimmt hat.« Also denkt er, verläßt Jerusalem, eilt zu dem stillen, Einsamen Felsen, der vor Kurzem zum Grab ihm gehau'n ward. Aber die Mutter Jesus' stand auf. »Er kommt nicht, Johannes,« Sagte sie ängstlich, »ich eil' ihm entgegen. Wenn ihn nur die Mordsucht Seiner Feinde nicht schon zu den todten Propheten gesandt hat! Wenn er noch lebet, mein Sohn noch lebet, und wenn ich es werth bin, Ihn noch einmal zu sehn, mit meinen Augen zu schauen, Ach, des Propheten Gestalt und meines Sohnes Geberde, Dann sein gnädiges Antlitz auf seine Mutter noch einmal Würdigt herab zu lächeln, so will ich zitternd es wagen, Hin zu seinen göttlichen Füßen – es hat ja begnadigt Magdale Maria zu seinen Füßen geweinet, Die doch seine Mutter nicht ist – da will ich es wagen, Zitternd mich niederzuwerfen! Ich will sie fest an mich halten, Vor ihm weinen! und wenn mein Auge sich müde geweint hat, Will ich mütterlich ihm in das Antlitz blicken und sagen: ›Um der Thränen willen, der Erstlinge Deiner Erbarmung, Die Du, als Du geboren warst, weintest! um jener Entzückung, Jener Seligkeit willen, die da in mein Herz sich ausgoß, Da die Unsterblichen Deine Geburt in Triumphe besangen! Wenn ich Dir jemals theuer war, und wenn Du zurückdenkst, Wie Du mit kindlicher Huld der Mutter Freude belohntest, Als ich nach bangem Suchen Dich fand an der heiligen Stätte Unter den Priestern, die Dich mit stummer Bewunderung ansahn; Wie ich jauchzend, mit offenen Armen, entgegen Dir eilte, Tempel und Lehrer nicht sah, nur Dich an das Herz gedrückt hielt Und anbetend mein Auge zu Dem, der ewig ist, aufhub! Ach, um dieser himmlischen Freude, der Ewigkeit Vorschmack – Aber Du blickst mich nicht an – um Deiner Menschlichkeit willen, Welche sie Alle begnadet! um jener Entschlafenen willen, Die Du auferwecktest! erbarme Dich meiner und lebe!‹« Also spricht sie und eilt. So fliegt ein großer Gedanke Feurig gen Himmel zu Dem empor, von dem er gedacht ward. Aber der ewige Sohn sah seine Mutter dahergehn, Nicht mit dem menschlichen Auge, mit jenem Auge, mit dem er Jedes Wurmes Geburt, den Staub, auf welchem er wohnet, Den, wo sein Leben verfliegt, und des Seraph's Gedanken vorhersieht. »Ach, ich will mich Deiner erbarmen! Mehr, als die Mutter Ihres Sohns sich erbarmt, will ich mich Deiner erbarmen, Wenn ich auferstehe!« So dacht' er bei sich und nahm dann Einen anderen Weg. Die Abenddämmerung kam jetzt. Alle schwiegen um ihn, auch die ungeseh'nen Begleiter. Also gingen sie still und kamen mit langsamen Schritte Näher hin zu der Schädelstätte. Nicht fern von dem Hügel War ein einsames Grab in hangende Felsen gehauen. Noch kein Todter verweste daselbst. Dies baute der Weise, Joseph von Arimathäa, am letzten Tage des Todes Ueber dem Staub hier zu stehn, und wußte nicht, wem er es baute! Welchen Tempel er baute! und welchem Todten den Tempel! Jesus steht bei dem Grabe, und Blicke voll göttliches Tiefsinns Richtet er auf Golgatha's Höh'. So denket der Gottmensch: »Ach, nun sinken die Lasten des Tags. Mit schlummernden Lüften Kommt die erbetete Nacht, ruht über Gethsemane. Bald wird Wieder erleuchten ein Tag den Hügel, der dämmernd dort aufsteigt, Golgatha! den die Gebeine der niedrigsten Sünder bedecken! Du bist zum Altar geworden! Das Opfer ist willig, Dort geschlachtet zu werden! Es wird bald bluten! Willkommen, Tod für das Menschengeschlecht! Dann wird mein Vater mich sehen Von dem Thron, wo ich war. Die Seraphim werden mich sehen, Und viel' Zeugen von Denen, für die ich sterbe! Willkommen, Tod für die Erben des ewigen Lebens! Zur Rechte des Vaters Saß ich mit Herrlichkeit überkleidet, der Schöpfer der Menschen Und der Freund der Erschaffnen! Ich bin ihr Bruder geworden! Auch mit Herrlichkeit überkleidet, voll schöner Wunden, Will ich mein Leben für sie auf Deinen Höhen verbluten, Golgatha! Dann (hier wandt' er sich um und schaut' auf das Grabmal), Dann will ich hier in dem stillen Gewölbe des kühlenden Grabes Wenige Stunden, wie in den Gefilden der Seligen, schlummern, Einen sanfteren Schlaf als der, den Adam sich dachte, Da das große Räthsel vom Tod ihm selber enthüllt ward Und ihm an einem traurigen Abend der heiligen Wächter Hoher Rathschluß scholl: er sollte sich legen und sterben, Viel' Jahrhunderte schlafen, und über ihm sollten die Füße Seiner Söhne wandeln, er ihre Stimme nicht hören! Aber auch die sind gestorben, und über ihren Gebeinen Hat der Söhne Fuß mit säumendem Schritte gewandelt! Ach, ist unter den Freuden der jauchzenden Ewigkeit eine Meiner Seligkeit zu vergleichen? Sie werden erwachen, All' an einem Tage der Wonne, des lauten Weinens Und des Triumphs, der Feier, der Jubellieder erwachen, Weil mein Leib in dem Mutterschooße der Erde geschlummert, Ich des Menschensohnes Gebein zu dem Leben ohn' Ende Auferweckte! Dann wird des zweifelnden Staubes Besorgniß, Jede Thräne wird schweigen. Der Tod wird werden des Lächelns Und des Triumphs ein süßer Gedanke. Kein drohendes Grab wird Und kein Tod mehr sein auf der neuen Erde Gefilden. Sinn' ich ihm nach, so zittert Entzückung mir durch die Gebeine, Und der Menschheit Empfindung verstummt! Sie kommen und wandeln, Hell, mit weißen Kleidern geschmückt. Viel' tragen auch Wunden, Wie des Menschen Sohn, hellglänzende Wunden; sie jauchzen Jubel dem Sieger und nennen ihn Sohn und nennen ihn Bruder! Wer kann auf Erden sie zählen? wer in den Himmeln? Ihr Nam' ist Tausendmal Tausend! Die Alle sind mein! Das Alt' ist vergangen! Alles hab' ich verjüngt zu der Unschuld der Schöpfung! Doch erst muß Golgatha sterben mich sehen, und mir Ruhstätte dies Grab sein.« Also denkt er und eilt. Ihn fand an Jerusalem's Mauer Judas, der in der Dämmerung stand. Er mischte sich schweigend Unter die Heiligen, bildete schon die Miene der Unschuld In betrügendem, heitren Gesicht; doch schlug ihm sein Herz noch. Aber Ithuriel geht vor ihm her und hört von dem Wipfel Einer Palme dem kommenden Fuß des Messias entgegen, Senkt in den Schatten sich nieder, als Jesus am Baume vorbeigeht, Wandelt unsichtbar neben ihm her und red't, wie die Seele Eines entschlafenden Christen die letzten Empfindungen denket, Sanft, mit leisen Worten, ihn an: »Ischariot's Elend Ist, Allwissender, Deinem Auge vorübergegangen, Und Du kennst des Unwürdigen That. Er hat Dich verrathen; Den Dein Wandel gelehrt, der Deine Wunder gesehen, Dem Dein Mund das Geheimste von jenem Leben enthüllt hat, Den Du würdigtest Jünger zu nennen, er hat Dich verrathen! Noch ertönt mir die fliegende Stimme des hohen Eloa Süß in dem Ohre; noch öffnen sich mir die Lippen des Seraph's, Als er zu Deinem Throne mich rief, zu der Erde zu eilen Und Ischariot's Engel zu sein. Ich verlasse den Sünder, Bin sein Engel nicht mehr! Sein Zeuge, den Tag der Vergeltung, Der will ich sein und wider ihn mit der Stimme der Donner Meine Rede bewaffnen und zwischen den glänzenden Stühlen Derer, die würdiger waren, mit Dir die Erde zu richten, Dunkel hervorgehn, gegen die Nacht am richtenden Throne Meine Hand ausbreiten und sagen: ›Bei Dem, der geblutet, Von der Höhe des Kreuzes herab, sein Leben geblutet Durch die Hand des Geliebten! Ischariot hat sich gebrandmarkt Auf den furchtbaren Tag! Er selber hat das Verderben Ueber sein Haupt gerufen, durch laute Thaten das Schicksal Jener Verworfnen gerufen! Er ist es würdig, gerichtet Und von dem Antlitz des Menschensohns verworfen zu werden, Würdig, die Wege zu wandeln des ewigen Todes! Sein Blut sei Ueber ihm selbst; ich bin unschuldig am Blute des Sünders!‹« Und der Unsterbliche sah in dem Auge des Mittlers, er dürfe Seinem Schmerze noch mehr sich überlassen. Er sagte: »Ach, ganz andre Gedanken, von einer helleren Aussicht, Hatt' ich vordem von dem Jünger des Menschenfreundes! Du solltest, Judas, von seinem Tode durch schöne Wunden einst zeugen, Auch ein Märtyrer sein, die hohen Lieder auch hören, Die wir singen den Ueberwindern! So wärst Du gestorben! Deine Seele, mit Licht bekleidet, hätte Dein Freund dann Bei der Hand in Triumphe daher zum Messias geführet, Zu dem Ersten der Ueberwinder! Ich hätt' in der Ferne Unter den goldenen Stühlen der zwölf Erwählten des Mittlers Deinen erhabenen Stuhl Dir gezeigt! Du wärst in Entzückung Bei des glänzenden Stuhls Anblick und Deß auf dem Throne Ueberflossen! Ich hätte Dich Freund, ich hätte Dich Bruder, Ach, ich hätte mit froher Stimme Dich Seraph genennet! Mein Ischariot hätte mich dann in der Christen Geheimniß Unterrichtet: Was da in seiner Seel' er fühlte, Da der Geist der Propheten auf ihn von dem Himmel herabkam, Da Du den Muth zu sterben empfingst, von dem Geiste gelehret, Betetest unaussprechliche Worte, nicht sündigen konntest, Weil Dein Herz zu der Unschuld des Paradieses verjüngt war! Aber sie sind nun dahin, die Gedanken der frommen Entzückung! Wie ein lächelnder Frühling verblüht, die Blume des Lebens Bald im hoffenden Jünglinge stirbt vor der Reife der Jahre: Also sind sie vorübergegangen. Mein Jünger verlaßt mich! Kurz noch eines Heiligen Schutzgeist, wandl' ich itzt einsam Unter den Engeln, die traurend um mich verstummen. Gebiete, Gott Messias, soll ich mich wieder zum Himmel erheben? Oder bin ich gewürdiget worden, Dich sterben zu sehen?« Jesus wandt' auf den Seraph sein ernstes Antlitz und sagte: »Simon Petrus wird auch gesucht von der Wuth des Verderbers. Sei sein Engel! Es sind zween Hüter Johannes gegeben; Petrus habe sie auch. Er wird die Lieder einst hören, Die den Ueberwindern Ihr singt, und im Tode mir gleichen.« Kaum vernahm es der Seraph, so strahlt' er vor wallender Freude In Orion's Umarmung, der ihren Jünger beschützte. Jesus eilte nunmehr, mit seinen Jüngern das letzte Festliche Mahl zu halten. Er ging viel' hohe Paläste Prächtiger Sünder vorbei, trat jetzt in die stillere Wohnung Eines verkannten redlichen Manns. Sie legten sich schweigend Um das bereitete Lamm des Bundes. Nah am Messias Lag Johannes und lächelte sanft. Viel heiterer schaute Jesus in die Versammlung. Von seinem Angesicht flossen Ruh und Wehmuth und Tiefsinn und Seligkeit in die Versammlung. So ist nach dem Gefühl der ersten Entzückungen Joseph Unter seinen Brüdern gewesen, da jetzo die Thränen, Da die lauten Thränen im sehenden Auge verstummten, Da die Sprache zurück ihm kam, nicht mehr an des Bruders Halse Benjamin hing, und nun sein Vater noch lebte. Singe, mein Lied, den Abschied des Liebenden von den Geliebten Und die Reden der traurenden Freundschaft. Wie damals der Jünger, Der mit dem hohen Jakobus ein Sohn des Donners genannt ward Und in der einsamen Patmos die Offenbarung auch sahe, An der Brust des Messias der vollen Seele Gefühl sprach, Dann zu dem Himmel vom Auge des Liebenswürdigen aufsah: Also fließe mein Lied voll Empfindung und seliger Einfalt. Jesus sprach und schaute voll Wehmuth in die Versammlung: »Mich hat herzlich verlangt, mit Euch dies Mahl noch zu halten, Eh ich leide. Bald sind sie erfüllt, die Worte der Zeugen, Welche von mir verkündiget haben. Ihr kennt den Propheten, Der gewürdiget ward, zu sehn die Erscheinung der Gottheit, Der der Seraphim Stimme vernahm, die Den auf dem Throne Mit dem festlichen Halleluja der Himmel empfingen, Daß von dem Schalle der Lieder des Tempels Schwellen erbebten, Und das Heiligthum ganz von Opferwolken erfüllt ward. Damals war ich zugegen mit meinem Vater. Auch ich ward Heilig! Heilig! genannt. Auch mir erhuben sich Opfer Von den goldnen Altären! Auch mir erbebte der Tempel! Denn ich bin lang' vor Abram gewesen. Eh aus den Wassern Dieses heilige Land mit Gottes Bergen hervorstieg, Eh die Welt war, bin ich gewesen. Doch diesen Gedanken Faßt Ihr in seiner Größe noch nicht! Der himmlische Seher, Welcher der Gottheit Herrlichkeit sah, hat auch in der Zukunft Einen Menschen, wie Ihr seid, gesehn und, vom Geiste gelehret, Also von ihm verkündet: ›Die Schönheit des göttlichen Mannes, Seine Gestalt ist vergangen! Das Lächeln der friedsamen Jahre, Jede Ruh des Lebens ist hin. Das Elend der Sünder Ist ganz über sein Haupt gekommen! Die Menschen verstummen, Wenn sie sehen den Jammer in seiner Seele. Sie wenden Ihm ihr Angesicht weg. Er aber hat unsere Schmerzen, Unser Elend getragen! Wir wähnten, er trüge die Lasten Seiner Schuld, es hätte Gott den Sünder erschüttert; Aber um unsertwillen sind jene Wunden geöffnet, Die er blutet. Wir sind die Verbrecher! Die Hand des Verderbens Hat ihn um unsertwillen ergriffen! Er leidet, daß Friede Ueber uns komme, daß Heil mit seinem Flügel uns decke! Denn wir wandelten Alle den Weg der Irre. Wir Alle Waren elend genug, uns selber Weisheit zu wählen. Darum hat unsere Schuld auf ihn der Rächer geworfen! Er ist unser Versöhner und geht ins Gericht und leidet, Wird bis zum Tode gehorsam und öffnet den göttlichen Mund nicht. Wie ein verstummendes Lamm zu dem Opferaltare geführt wird, Also geht er geduldig daher und schweigt. Nun ist er Aus dem Gericht genommen! Wer kann nun seine Versöhnten Zählen? wer der Heiligen Schaar, die durch ihn gerecht sind? Weil er sein Leben für die Sünder zum Opfer gebracht hat, Werden ihm ganze Geschlechte zur neuen Schöpfung erwachen, Und sein Leben wird Ewigkeit sein!‹« So sagt der Erlöser, Schaut gen Himmel und schweigt. Er hatte lange geschwiegen, Fuhr jetzt fort: »Es ist das letzte Mal, daß wir zusammen Halten dies Abendmahl! Ich werde mit den Geliebten Nun nicht mehr das Gewächs der frohen Rebe genießen, Noch die Lämmer im Thal. Allein in den Hütten des Friedens, Wo viel' Wohnungen sind, dort werdet Ihr Euren Messias Wiedersehen und nebst den versammelten Vätern des Bundes Neue Feste begehn, die Abschiednehmen nicht trennet.« Jesus schwieg und die Jünger um ihn. So schwieg in den Hallen Auf Moria das heilige Volk, da der weiseste Jüngling Unter den Söhnen von Abram, da Salomo bei den Altären Seine Krone vor Dem, der ewig ist, niedergeworfen Und der Weihe Gebet vollendet hatte; da sichtbar Wurde der Tempel erfüllt von den Wolken der Herrlichkeit Gottes, Daß die schauenden Priester nicht mehr zu opfern vermochten Und der Jubelgesang der Halleluja verstummte. Jeder schwieg. Nur daß unterweilen der Betenden Einer, Schnell von heiligem Schauer ergriffen, sein Angesicht aufhub, Gegen die Nacht der Erscheinungen sah, mit bebender Stimme Heilig! Heilig! sprach und die Arme gen Himmel emporhielt. Also schwiegen die Jünger, und also red'te Lebbäus, Da er mit leiser Stimme sich gegen Ischariot wandte: »Ach, nun weiß ich's gewiß! Der Sohn des Menschen wird sterben, Was die übrigen Jünger von seinen Reden auch denken, Die er vom Tode so oft an uns hält! Komm, Ruhe vom Elend, Tod, des müden Wanderers Schlaf, und erbarme Dich meiner, Wenn wie ein Lamm zum Altar der Beste der Menschen geführt wird, Komm dann, mein einziger Trost!« Hier sprach er lauter, und Seufzer Unterbrachen die Rede des Jünglings. Ihn sah der Messias; Dich, Ischariot, auch. Mit menschenfreundlicher Wehmuth Schaut' er in der Versammlung umher und sagte zu ihnen: »Ja, ich muß es Euch sagen! Hier bei meinen Geliebten Ist ein Jünger, der mich verrathen wird, Einer der Zwölfe!« Banges Erstaunen ergriff die Versammlung. Sie fragten ihn Alle: »Herr, bin ich's?« Der Messias erwidert: »Ja, Einer der Zwölfe! Einer von Euch, die mit mir das Mahl des Bundes itzt halten. Zwar (hier deckte sein Antlitz die ernste Miene des Richters), Zwar der Sohn des Menschen geht, wie die Seher verkünden, Seinen erhabenen göttlichen Weg; doch wehe dem Menschen, Der ihn verräth! Es wär' Dir besser, Du wärst nicht geboren!« Jesus schaute voll Ernst. Ihn fragte Judas noch einmal. Jesus erwidert mit leiserer Stimme: »Du sagtest es selber.« Aber Gedanken voll Ruh erheiterten wieder den Mittler, Süße Gedanken vom ewigen Heil. Er stand, das Gedächtniß Seines Todes zu stiften. Itzt sprach er die fei'rlichen Worte, Die so viele Priester der Christen, so viel' der Gemeinen Kühn entweihn und in lauten Gesängen das Urtheil des Todes Ueber sich rufen. Er kennt sie nicht, der göttlicher lebte Und am Kreuze nicht starb, für ewige Sünder zu büßen! All' empfingen von ihm das Brod, das er hatte geweihet, Und den heiligen Kelch. Sie kamen Alle mit Demuth Und in trauernder Stille, von seiner Hand es zu nehmen. Da Johannes sich naht' und auf den glänzenden Kelch sah, Warf er zu Jesus' Füßen sich nieder, küßte sie weinend, Trocknete dann die Thränen mit seiner fallenden Locke. »Laß ihn meine Herrlichkeit sehn!« sprach Jesus und schaute Zu dem Vater empor. Johannes erhub sich und sahe In der Tiefe des Saals der Seraphim helle Versammlung. Und die Seraphim wußten, daß er sie sahe. Johannes Stand in Entzückung verloren. Er schaute Gabriel's Hoheit Starr, mit Erstaunen. Er schaute des himmlischen Raphael Glänzen Und verehrt' ihn. Er sah auch Salem in menschlichem Schimmer Und mit ausgebreiteten Armen entgegen ihm lächeln; Und er liebte den Seraph. Er wandte sich um und erblickte In des Messias ruhigem Auge die Spuren der Gottheit; Und er sank verstummend ans Herz des erhabnen Messias. Gabriel aber erhub sich mit leisen Lüften und sagte Feurig zu Jesus: »Umarme mich auch, wie Du Diesen umarmtest, Mittler Gottes!« Ihm sagt der Messias: »Du dienst mir am Thron einst Meiner Herrlichkeit und stehst auf der glänzenden Stufe, Wo Eloa stand, an dem Allerheiligsten Gottes!« Gabriel betet' ihn an. Zuletzt kam Judas und warf sich Wie Johannes zu Jesus' Füßen. Ihm sagte der Gottmensch: »Judas, steh auf!« und gab ihm den Kelch, des Todes Gedächtniß. Er empfing ihn mit Ruh. Ihm sah der Messias ins Antlitz, Ward erschüttert im Geist und sprach mit erhabener Stimme: »Alle kenn' ich, die ich mir auserwählte; doch Einer Wird mich verrathen! Ich sag' es Euch itzt, daß Ihr glaubt, wenn's geschehn ist. Und daß Ihr wißt, wie ich Den belohne, welcher getreu bleibt, So vernehmet von mir die Würde der Ueberwinder: Wer, wen ich send', aufnimmt, der nimmt mich selbst auf; wer aber Also mich aufnimmt, nimmt auch Den auf, der mich gesandt hat! Diese Kron' empfängt kein Verräther! Ich sag' es noch einmal: Einer von Euch wird gewiß den Sohn des Menschen verrathen!« Jeder sahe den Andern von Neuem mit sorgender Angst an. Petrus winket Johannes. Der neigt sich ans Herz des Messias. »Herr, wer ist es?« So fragt mit sanfter Stimme Johannes. »Dem ich dies Brod eintauche, dem ich's mit vertraulicher Liebe Und mit Bruderfreundlichkeit gebe, der ist es, Johannes!« Also sagt der Messias und reicht den Bissen voll Freundschaft Judas Ischariot hin. Johannes sah dies und bebte. Aber aus Menschenliebe schwieg er vom nahen Verräther. Judas ging mit Ungestüm fort. Die Nacht war gekommen. Ihn umgaben die Schrecken der Nacht. Mit starrendem Blicke Schauet' er in die Finsterniß aus und sprach zu sich selber: »Also weiß er's gewiß! Nun wird's der sanfte Johannes, Der stets lächelt, wenn man um ihn zugegen ist, sagen, Alles sagen, was ihm an dem Herzen Jesus' vertraut ist. Alle werden es wissen! Es sei! Die neuen Beherrscher Müssen erst fliehn, eh sie Könige werden! Vielleicht, daß Johannes Bald sein Lächeln verlernt, und in Banden Petrus nicht kühn ist! Und (hier glüht' er von selbst, hier wirkte der zündende Traum nicht), Und selbst Jesus, wie streng, wie hochgebietend befahl er: Judas, steh auf! So gebietet er nicht dem Liebling Johannes! Zwar den Königen wird nicht befohlen! Ich will sie noch sehen, Eh sie Könige sind; in der Fessel will ich sie sehen! Aber ihr Freund will sterben! Was ist das? Welch ein Gedanke Ist das Sterben für Den, der selber Todte geweckt hat? Sterben? Will er mein Herz nur erweichen? Sei Du nicht zu menschlich, Leidendes Herz! Wenn er stirbt, so war's nichts zeigender Zufall, Daß er so oft den Feinden entging; so ist er ein Träumer Und von Gott nicht gesandt! Auch unsere Priester sind Weise, Sind Geweihte des Gottes der Götter. Sie haßten ihn immer, Und sie handeln nach Moses' Gesetz! Ich bin ihr Vertrauter. Aber er wird nicht sterben! Doch will ich ihn sehn in der Kette, Wie er da redet! Vielleicht, daß er dann der geliebteren Jünger Hohe Würde vergißt und den niedrigen Judas auch ansieht! Doch ich muß eilen! Es warten auf mich Jerusalem's Herrscher.« Also denket er, eilt zu des Hohenpriesters Palaste. Und die Versammlung war itzt ganz heilig. Wie damals der Frommen Heiliges Volk in reinerer Schöne dem Antlitz des Siegers, Dessen Wunden nun glänzten, erschien, da die Jugend der Christen, Von dem Grab Ananias', der Gott log, wiedergekommen, Kein Unedler mehr war, zu entweihn der Heiligen Einmuth. Jesus, seiner Größe gewiß und wegen der Nähe Seiner Versöhnung ins Helle der Ewigkeit ausgebreitet, Sprach mit göttlicher Hoheit und Ruh zu seinen Erwählten: »Nun ist der Sohn des Menschen verherrlicht, und ob er gleich Mensch ist, Dennoch ist Gott auch verherrlicht durch ihn! Da durch ihn des Himmels Höchstes Geheimniß, die Gottheit durch ihn den Menschen enthüllt wird, Wird der Vater ihn auch durch Erbarmung ohn' Ende verklären. Bald wird er ihn den Menschen in seiner Schönheit entdecken! Eure Traurigkeit unterbricht mich. Was weinet Ihr, Kinder? Ja, es ist wahr, ich werd' Euch verlassen! Ihr werdet mich suchen Und nicht finden. Ihr könnet den Weg, den ich gehe, nicht gehen. Aber weinet nicht mehr. Ihr werdet mich wieder erblicken! Kinder, ich geb' Euch ein neues Gebot, ein Gebot, das edler, Viel erhabener ist, als was die Satzungen lehren: Liebet Euch unter einander! Wie Euer Mittler Euch liebte, Also liebet Euch unter einander! Dann wiss' es der Erdkreis, Daß Ihr mein seid, wenn Ihr so unter einander Euch liebet!« Simon Petrus stand auf, trat näher zu Jesus und sagte: »Herr, wo gehest Du hin?« »Du kannst mir jetzo nicht folgen!« Sprach der Erlöser, »einst folgest Du mir, die Wege zu wandeln, Die ich wandle.« Hierauf erwiderte Petrus mit Feuer: »Warum soll ich Dir jetzt nicht folgen? Ich lasse mein Leben Für Dein Leben!« »Du ließest Dein Leben? Ich sag' es noch einmal: Simon, Du wirst vor des Tags Anbruch mich dreimal verleugnen!« Jesus war aufgestanden. Er knieete nieder, zu beten. Neben ihm knieten die Jünger. »Seid Ihr auch Alle zugegen?« Sprach der Erlöser mit Wehmuth. »Hier sind wir!« sprachen die Jünger. »Eines Stimme hör' ich nicht mehr! Seid Ihr Alle zugegen?« »Judas Ischariot fehlt!« antwortete zitternd Lebbäus, Sank dann nieder. Der Mittler erhub sein Antlitz gen Himmel, Betete mit erhabener Stimme: »Die Stund' ist gekommen, Deinen Eingebornen in seiner Schönheit zu zeigen. Zeig' ihn nun, Vater, daß Du durch ihn verherrlichet werdest! Unter seine Gewalt gabst Du die Sterblichen alle, Daß er sie auferwecke vom Tod und ewiges Leben Ihnen gebe. Das aber ist ewiges Leben, Dich, Vater, Der Du der Ewige bist, und den Du gesandt hast, erkennen, Jesus, den Sohn und den Herrscher! Ich sehe, Vater, im Geiste Schon die Fülle der ganzen Vollendung. Ich hab' auf der Erde Dich verherrlichet, habe vollführt der Gottheit Rathschluß. Nun erwarten mich Kronen zu Deiner Rechte! Du wirst mir Wieder die Herrlichkeit geben, die mein war, eh wir erschufen. Deinen gefürchteten Namen hab' ich den Erwählten verkündigt Aus den Sündern. Du gabest sie mir. Sie haben die Weisheit, Die ich sie lehrte – ich bin ihr Zeuge – mit Treue gehalten! Nun erkennen sie auch, daß, was ich habe, von Dir ist; Denn ich habe sie Alles gelehrt, was Du selber mich lehrtest. Also haben sie's aufgenommen, die göttliche Wahrheit Tief in das Herz gefaßt, daß ich von dem Vater gesandt bin. Vater, ich bitte für sie – für die Welt nicht – weil sie auch Dein sind, Weil wir in jedem Besitz der Seligkeiten vereint sind! Vater, ich bitte für sie; denn auch durch sie bin ich herrlich! Ich verlasse die Erde nun, komme zum Throne des Himmels, Vater, zu Dir zurück; sie aber bleiben auf Erden, Sehn noch lange der Sünder Müh und fühlen ihr Elend. Laß sie, heiliger Vater, der hohen Erkenntniß getreu sein, Die sie haben werden von Dem, der jetzo versöhnt ist. Laß sie eins sein, wie wir, ein Haus voll Brüder! Ich sorgte Selber für sie, da ich noch gleich ihnen Mensch war. Ich wachte Ueber ihren unsterblichen Geist. Hier sind sie, mein Vater! Keinen hab' ich verloren; nur hat der Sohn des Verderbens Mich verlassen und ist den Propheten ein Zeuge geworden. Nunmehr komm' ich zu Dir! Das sag' ich, da ich bei ihnen Noch auf der Welt bin, daß sie an meine Herrlichkeit denken Und sich freuen, wie ich mich freue! Sie haben die Worte Deines Lebens gehört. Der Sünder hat sie gehasset, Wie er mich haßte. Nicht bitt' ich, daß Du der Erde sie nehmest; Schütze sie nur vor ihrem Verfolger, dem Geist des Verderbens! Denn sie gehören den Sündern nicht zu. Sie wandeln in Unschuld, Wie ich wandle. Die Welt hat kein Theil an Deinen Versöhnten. Heilige sie in Deiner Wahrheit! Dein Wort ist die Wahrheit! Wie Du in die Welt mich gesandt hast, so send' ich sie wieder, Lasse mein Leben für sie, damit sie rein und geheiligt, Ausgesöhnter, vor Dir erscheinen. Doch bitt' ich, o Vater, Nicht für die Jünger allein! Der neuen Schöpfungen Kinder Werden einst, wie aus dem Morgen der Thau, durch ihr Wort mir geboren. Auch für diese bitt' ich, mein Vater, daß Alle sie eins sein, Wie wir eins sind, und daß die ganze Erd' es erkenne, Daß Du mich, Vater, sandtest! Ich habe das ewige Leben, Meine Herrlichkeit Denen gegeben, die Du mir geschenkt hast, Daß sie eins sein wie wir, zu einem göttlichen Endzweck Alle vollendet, und daß die Sünder der Erd' es vernehmen, Jesus sei von dem Himmel gesandt! Gott liebe die Kinder Seiner Versöhnung, wie er den Erstling der Söhne geliebt hat! Vater, es sollen meine Versöhnten zu mir sich versammeln, Daß sie sei'n, wo ich bin, und meine Herrlichkeit sehen, Jene, die Du mir, Liebender, gabst, eh die Himmel entstanden! Dich verkennet die Welt, gerechter Vater; ich aber Kenne Dich! Den Erwählten hab' ich enthüllt das Geheimniß Meiner Sendung und Deiner Gottheit und will's noch enthüllen, Daß die Liebe, mit der Du mich liebtest, ihr Herz auch ergreife Und den unsterblichen Geist nur sein Versöhner erfülle.« Nun erhub sich der Mittler, entgegen zu gehn dem Vater Ueber Kidron in das Gericht. Ihm folgten die Jünger. Als er näher den Bach und das nächtliche Rauschen des Oelbaums Lauter vernahm, da stand er an einem Hügel und sagte: »Gabriel, in der Tiefe des Gartens, am steigenden Berge, Ist ein einsamer Ort, von zwanzig Palmen umschattet; Gegen die hohen Wipfel der Palmen senkt sich vom Himmel Gleich herhangenden Bergen die Nacht; dort versammle die Engel!« Also sagt' er und nahete sich erhabneren Thaten, Als seit der Engel Geburt, dem Anbeginne der Erden Und der Sonnen geschahn, auf jeder Unendlichkeit Schauplatz Jemals geschahn! Er nahte sich still den göttlichen Thaten. Aeußerliches Geräusch und Lärm, süßtönend dem Eiteln, Klein genug, zu folgen des Helden Thaten, der Staub ist, War um den hohen Messias nicht und nicht um den Vater, Als er dem Unding einst die kommenden Welten entwinkte.