Die Lehrstunde Der Lenz, ist, Aëdi, gekommen; Die Luft ist hell, der Himmel blau, die Blume duftet, Mit lieblichem Wehen athmen die Weste, Die Zeit des Gesangs ist, Aëdi, gekommen! »Ich mag nicht singen, die Zeisige haben Das Ohr mir taub gezwitschert! Viel lieber mag ich am Aste mich schwenken, Und unten in dem krystallenen Bache mich sehn.« Nicht singen? Denkest du, dass deine Mutter Nicht auch zürnen könne? Lernen musst du, der Lenz ist da! Viel sind der Zaubereyen der Kunst; Und wenig der Tage des Lenzes. Weg von dem schwankenden Aste, Und höre, was einst vom Zauber der Kunst mir sang Die Königin der Nachtigallen, Orphea. Hör', ich beb' es zu singen, Aber hör', und sing es mir nach. Also sang Orphea: Flöten musst du, bald mit immer stärkerem Laute, Bald mit leiserem, bis sich verlieren die Töne; Schmettern dann, dass es die Wipfel des Waldes durchrauscht! Flöten, flöten, bis sich bey den Rosenknospen Verlieren die Töne. »Ach ich sing' es nicht nach, wie kann ich! Zürne nicht, Mutter, ich sing' es nicht nach. Aber sang sie nichts mehr Die Königin der Nachtigallen? Nichts von dem, was die Wange bleich macht, Glühen die Wang', und rinnen, und strömen die Thräne macht?« Noch mehr! noch mehr! Ach dass du dieses mich fragtest, Wie freut mich das, Aëdi! Sie sang, sie sang auch Herzeusgesang! Nun will ich das jüngste Bäumchen dir suchen, Den Spross dir biegen helfen, Dass du dich näher sehen könnest im Silberbach. Auch dieses liess erschallen Die Liederkönigin, Orphea: Der Jüngling stand, und flocht den Kranz, Und liess ihn weinend sinken! Das Mädchen stand, vermocht' es über sich Mit trocknem Blick den Jüngling anzusehen. Da sang die Nachtigall ihr höheres, Ihr seelenerschütterndes Lied. Da flog das Mädchen zu dem Jüngling hin! Der Jüngling zu dem Mädchen hin! Da weinten sie der Liebe Wonne!