Maria Magdalena redet die andern Weibesbilder an (Trocheische Ode.) Komm Maria komm/ bestreiche Mit mir noch zu guter Letzt Die verblaste Liebes-Leiche/ Die wir neulich beygesetzt/ Daß der Leichnam in der Erde Nicht zu Staub vnd Asche werde, So will ich ihn balsamiren 1 / Er sol unvergessen seyn/ Vnd mit Tulipanen 2 zieren Den beliebten Leichen-Stein/ Rosen/ Liljen und Narzissen Sollen üm den Sarg entsprissen, Aber wol! der Himmel lachet/ Kombt jhr Schwestern/ säumt euch nicht/ Eh die Welt zu Feld sich machet Vnd das volle Liecht einbricht/ Last uns eilen in die Höle Mit dem heiliggrünen öle. Was nemt ihr euch doch für/ ihr vnbedachten Frauen? Das ist ja wider Zucht/ des Mannes Leib beschauen; Was unterfangt ihr euch? die Nacht ist niemands Freund/ Die Sonne schläffet noch/ der halbe Monde scheint/ Man hat euch Weg und Steg 3 mit Centnerlast verriegelt/ Pilatus Petschafft-Ring hat Thür und Thor versiegelt/ Die Posten sind besetzt/ der kühne Römer wacht/ Ist euch schon ausser Sinn der strengen Waffen Macht und schwartzen Adler 4 Flug? Wolt jhr euch selber schänden? Es kan nicht möglich seyn/ die Liebe muß euch blenden/ Die tolle Lieb hat euch Gemüt und Sinn bethört/ Die liebe Liebe macht/ daß ihr nicht seht noch hört. Pfui! schämet ihr euch nicht/ daß ihr so gantz vermessen Des Herren Wort und euch gestellet in Vergessen? So richtet zwar ein Mensch/ der Menschen Vrtheil hegt und nach dem Augenmaß den Himmel überlegt. Sie gehen schüchter fort; wie die gescheuchte Hinde/ Die kaum des Jägers Pfeil und leichtgefüsten Winde Entschlupfet und entwüscht/ durch Büsch und Wälder setzt/ Die nunmehr Stamm und Strauch nach ihrer Meinung hetzt. So zaget dieses Volk; es brennet in der Kühlen/ Erschrikt im Fall/ der West wil mit den Blättern spielen/ Der ungefärbte Schein der Himmelsliebe macht/ Daß man Ehr/ Gut und Blut/ und Noht/ und Tod verlacht. Sie kommen an das Grab/ es kam auch hergefahren Die Feuerrohte Sonn 5 mit auffgeflamten Haaren/ Die mit verklärtem Haubt des Himmels Gunst entdekt/ Die Goldgestralte Lufft und alle Welt erwekt. Ein Engel fährt herab/ der durch den Weg gezogen/ In ungebähnter Bahn/ der hellgestirnten Bogen/ Die/ so das Grab verwacht/ die liegen da bestürtzt/ Als welchen gleich der Tod den Lebens-Rest gekürtzt. Der Jüngling schwinget auf die Silberblanken Flügel/ Weltzt ab 6 des Grabes Stein/ zerreisset Brief und Siegel/ und setzet sich darauf. O güldne Friedens-Zeit 7 / Die Engel rasten nun mit Sternen außgekleidt! Sein Liechtbemaltes Haubt war gleich den schnellen Blitzen/ Die auf den dikken Wald viel Wolkenkeile sprützen/ Wann ietzt der Donner rollt 8 ; der Purpurwangen Licht Ist wie der schöne Stern/ der Tag vnd Nacht zerbricht. Das runde Silber hing an den gekräusten Lokken/ Sein Kleid 9 das gleichte sich den kalten Himmels-Flokken. Die Weiber stehen da entgeistert und halb todt/ Besprachen sich also: Hilff Gott der bittern Noht! Wer wil uns doch den Stein/ der übergroß 10 / abheben? Kein Weib vermag es nicht vnd kostet es das Leben. Ist doch der Stein hinweg/ kein Kriegsknecht mehr verwacht Die Grufft/ sie haben sich bestürtzt darvongemacht. Was säumen wir? Last uns mit Blumwerk erst bestreuen Des Grabes Thür/ darnach mit starken Specereien Den Cörper balsamirn; Vermöge treuer Pflicht/ Wir kriegen solchen Herrn und Meister nimmer nicht. Ach/ Ach der Hertzensnoht! das Grab ist öd und wüste/ Ach rauffet euer Haubt 11 / jhr Weiber/ schlagt die Brüste/ Schlagt eure Brüste doch/ stimt Klagelieder an/ Es wiederschall hiervon des Gartens grüner Plan. Ach/ Ach ihr treues Volk! ihr Grabbegleiterinnen/ Bestreuet euer Haar mit Asche/ last es rinnen üm den entblösten Hals/ Ach heulet nach vnd nach/ Es flisse Wangen ab der Threnenreiche Bach. Die Magdalena läufft/ den Jüngern zu verkünden/ Wie daß des Herren Leib im Grabe nicht zu finden. Inmittelst stehen da zween Engel außgeschmükt Mit gülden Stück/ ihr Kleid ist durch und durch gestikt. Die fromme Schaar weiß nichts vor Zittern anzufangen/ Läst jhr betrübtes Haubt tief in die Asche hangen/ Der Liechtbegläntzte Printz 12 / der hohen Hofstadt Held/ Gantz freudig diesem Volk diß Osterneu vermeldt. Fußnoten Maria Magdalena führet allerhand Arten der Verse/weil sie als ein betrübtes Weibesbild bald in diese/bald in jene Gedancken geräht. 1 Diese Gewohnheit haben die Jüden von den Egyptiern entlehnet/ von welchem Herod. im 2. Buch. Schindler in seinem Wörterbuche sagt auß der Wurtzel טנח/ daß sie solche Salben zubereitet auß Myrrhen/Alöen/ Wildhonig/ Saltz/ Wachs/ Jüdenleim und Hartz. 2 Dieses ist bey Heyden und Christen üblich gewesen/daß man die verstorbenen und dero Gräber mit allerhand Blumen außgeschmükket. Virg. im 6. Buche vom Eneas: – – – manibus date lilia plenis, Purpureos spargam flores animamque nepotis His saltem accumulem donis . Prudentius in dem Lobgesange bey Leichbegängnissen. Nos tecta fovebimus ossa Violis et fronde frequenti Titulumque et frigida saxa Liquido spargamus odore . 3 Es sind die heiligen Vätter der Meinung/ daß das Grab nicht allein mit Pilatus Daumringe/ sondern auch mit des Geistlichen Gerichts Petschafft/ üm mehrer Glauben sey versiegelt worden. Nicephorus sagt/ der Stein sey mit eisernen Stäben vor deß Grabesthür eingefüget worden/ wie denn Beda meldet/daß zu seiner Zeit die Löcher noch an dem Steine zu sehen gewesen. 4 So werden in weltlichen Schrifften die Fahnen genennet. Lucanus im ersten Buche von der Pharsalischen Schlacht: – – – infestisque obvia signis Signa, pares aquilas . – – – und die Fändriche Adlerträger/ Cæsar l.3. de bello civ. In eo prælio cum gravi vulnere esset affectus aquilifer . 5 Wiewol hier scheinet/ als wenn die Evangelisten widereinander weren/ so ist doch solche nur scheinliche Streitigkeit von unserseits Gottsgelehrten herrlich verglichen worden. Denn die Weiber nach Mitternacht außgangen/ als der Himmel anfangen zu grauen/die Sonne gemach sich mercken lassen und dennoch Finsternis mit untergelauffen. Ist also nach Marcus Aussagung die Sonne aufgangen/ nach Lucas frü/nach Johannis Düster gewesen/ Die quippe surgente, aliquæ relictæ tenebrarum tantò magis extenuantur, quantò magis oritur lux. Wie S. August. schon zu seiner Zeit diesen Streit abgeleinet/ besitze hiervon D. Gerharden/ Calixtum/ Walthern und andere. 6 Nicht daß der Herr Christus könte auß dem Grabe hervorgehen/ massen er schon auferstanden war/ wie Prudentius singet: Inde est quod omnes credimus, Illo quietis tempore, Quo gallus exultans canir, Christum rediisse ex inferis . Sondern daß die Weiber die Engelischen Osterprediger hören/ und denẽselben Glauben geben köntẽ/ wie Justinus, Hieronymus, Chrysostomus und andere heilige Vätter wider unsere Widersacher bezeugen. 7 Sedebat Angelus regnantem indicans, qui in nativitate stando bellaturum significabat . 8 Der Poët hat wollen das starke und bewegliche Rollen deß Donners vorstellen. Bey hiesieger Gelegenheit weiset er den Leser in die 4 Lobrede deß tiefsuchenden Schottelii/ in welcher er die Lieblichkeit/ Pracht Majestät/ Anmut/ Klang/ unserer Mutterzunge dermassen heraußstreichet/ daß sie es auch allen Sprachen weit zuvorthut. 9 Er war so weiß/ daß er die Augen verblendete/Luth. 10 Daß der Stein groß gewesen/ bezeugen die Evangelisten sattsam. Dahero es der Syrer gegeben/ sie habẽ jhn vor geweltzet/ worzu Joseph von Arimathia und Nicodemus jhre Diener gebrauchet. 11 Diß haben die Weiber bey Beklagung der Verstorbenen im Gebrauch gehabt/ wie bey dem Virgilius/Ovidius/ Catullus und andern zu sehen. 12 Denn unter diesen zween Engeln ist auch der gewesen/ welcher den Grabstein abgeweltzet.