XXV Der Papst, der von den »Unglücksprophezeiungen« Fra Girolamos und seinen geharnischten Predigten »wider den Antichrist« (womit er Alexander Borgia meinte) durch seine Spitzel vernahm und erfuhr, wie er die Gemüter der Gläubigen erschüttere, trommelte nervös mit den Fingerknöcheln an das Fenster seines Arbeitszimmers im Vatikan. Dieser Savonarola! Ein Lügner! Ich hätte mich für die Kirche nicht eingesetzt? Habe ich nicht persönlich für Santa Maria del Popolo eine Orgel und einen Altar gestiftet und die rissige Decke in Santa Maria Maggiore erneuern lassen? Und habe ich nicht die Macht der Kirche befestigt, indem ich die Engelsburg mit Festungswerken, Gräben, Schießscharten, großen und kleinen Türmen versehen habe? Die Engelsburg, das Zentrum des Vatikans, ist uneinnehmbar! Unverrückbar steht Petri Felsen, auf dem sie errichtet ist. Ich könnte aber einigen reichen Bankiers und Handelsherren hier in Rom, die aus Florenz stammen, die Hölle heiß machen, indem ich ihnen mit Konfiskation ihres Vermögens drohe, falls sie nicht ihren ganzen Einfluß bei ihren Florentiner Mitbürgern aufbieten, diesen wahnsinnigen Dominikanerpater zu ducken und unschädlich zu machen. – Es kam ihm aber noch ein lustiger, ein listiger Gedanke, den Pater zu bekämpfen, und er mußte so lachen, daß er sich in einen Sessel fallen ließ. Das Volk liebt gräßliche Prophezeiungen, ob sie nun eintreffen oder nicht. Ihm gruselt gern. Wir werden jemand nach Florenz schicken, der noch viel entsetzlichere Unglücksfälle voraussagt als dieser biedere Hund Gottes. Und er schickte einen gutmütigen, dicken, etwas asthmatischen Franziskanerpater, Domenico da Ponzo, nach Florenz und erwirkte ihm die Erlaubnis, von der Domkanzel zu predigen. Prophezeite nun Fra Girolamo in der Kirche eine Wassersnot, so weissagte Fra Domenico, schwer atmend, gleich darauf im Dom eine baldige Sintflut. Weissagte Fra Girolamo den Untergang Italiens und den Einzug eines fremden Königs in Italien, eines neuen Cyrus, so tat es Fra Domenico nicht unter einem Weltuntergang. Der Franziskaner vermochte aber noch ein übriges, die Florentiner über Fra Girolamo aufzuklären. Woher Fra Girolamo seine Prophezeiungen und Weisheiten hat, das will ich euch sagen: ganz einfach durch den Bruch des Beichtgeheimnisses. Die Brüder seines Ordens erzählen ihm von den Beichten ihrer Beichtkinder, und er hat dann diesen leichtgläubigen Schafen leicht erzählen, was wunders er von ihnen wisse. Und so kommt er in den Geruch der Allwissenheit. E vero –? Das Volk lief von Fra Girolamo zu Fra Domenico und von Fra Domenico zu Fra Girolamo und wußte bald nicht mehr aus und ein vor lauter Trübsal, bis Piero di Medici das Auftreten beider Prediger für eine Zeitlang verbot. Die Florentiner vertrieben Piero di Medici, der ihr Herr gewesen war nach Lodovico. Fra Girolamo hatte seine Herrschaft als teuflisch und tyrannisch gegeißelt und gepredigt, daß Florenz eine freie Republik sein müsse, in der das Volk sich selbst gebiete und gehorche. Er arbeitete selbst eine Verfassung aus und legte sie der Signoria vor, die sie auch akzeptierte. Das Motto war: Popolo e libertá! Und in allen Gassen von Florenz gab bald ein Echo das andere: Popolo e libertá!