Die falsche Scham Graulockig ein Mann und ein blöndlicher Fant, Die gehen spazieren am sonnigen Strand, Der Ältere spricht zu dem jüngeren Wicht: »Was schneidest du für ein betrübtes Gesicht?« Der klagt ihm, wie er ein Weib hielt wert, Dem neulich er fruchtlos die Liebe erklärt, Und wie nun verletzt seine stolze Brust, Daß er den Mund nicht zu halten gewußt! Und jener spricht: »Des Fährmanns Magd, Siehst du, die über dem Strome ragt, Gering und arm und der Zierde bar, Und siehst auch mein ergrauendes Haar? Glömm mir ein Fünklein Lieb zu ihr, Laut rief' ich es von der Stelle hier, Rief's laut in der Wellen tönenden Gang, Mich dünkt' es der allerschönste Gesang! Hoch schlug mir in meiner Jugend das Herz, Und feurig schweifte das Aug allwärts; Fromm hab ich so manches Geständnis gemacht, Die ein' hat geweint und die andre gelacht. Bei einer nur hab ich das Wörtchen verschluckt, Wie sehr es auch sterbend im Herzen gezuckt. Ich glaube, sie ahnt' es und lächelte fein; Doch weiß ich nicht, sang's in ihr ja oder nein. Und grämlich schwieg ich und ging in die Welt, Schlug auf, brach ab mein Wanderzelt; Auch oftmals kam ich wieder ins Land, Wo stets ich die lächelnde Dame fand. Der Sommer war warm und der Winter kalt, Die Zeit verging, und wir wurden alt; Als ich zum letzten Mal sie sah, Lag sie im Leichenhemde da. Die Augen starrten mich offen an, Weil niemand liebend sie zugetan, Doch auf den Lippen, bleich und tot, Lag lieblich lächelnd noch der Spott. Er schien zu sagen: 'O grober Mann, Der so mit Worten geizen kann!' Ich ärgerte und kränkte mich, Daß ich beschämt von dannen schlich!«