Trauerweide 1 Es schneit und eist den ganzen Tag, Der Frost erklirret scharf und blank, Und wie ich mich gebärden mag – Es liegt ein Mägdlein ernstlich krank. Das Rosengärtlein ist verschneit, Das blühte als ihr Angesicht, Noch glimmt, wie aus der Ferne weit, Der Augen mildes Sternenlicht. Noch ziert den Mund ein blasses Rot Und immer eines Kusses wert; Sie läßt's geschehen, weil die Not Die Menschenkinder beten lehrt. »Ich lieb auch deinen lieben Mund, Lieb deine Seele nicht allein – Im Frühling wollen wir gesund Und beide wieder fröhlich sein! Ich lieb auch deiner Füße Paar, Wenn sie in Gras und Blumen gehn; In einem Bächlein sommerklar Will ich sie wieder baden sehn! Auf dem besonnten Kieselgrund Stehn sie wahrhaftig wie ein Turm, Obgleich der Knöchel zartes Rund Bedroht ein kleiner Wellensturm!« Da scheint die Wintersonne bleich Durchs Fenster in den stillen Raum, Und auf dem Glase, Zweig an Zweig, Erglänzt ein Trauerweidenbaum!