Herbstlied Laßt uns auf alle Berge gehen, Wo jetzt der Wein in Strömen fließt, Und überall am nächsten stehen, Wo sich der Freude Quell ergießt, Uns tief in allen Augen spiegeln, Die durch das Rebenlaub erglühn, Laßt uns das letzte Lied entriegeln, Wo noch zwei rote Lippen blühn! Seht, wie des Mondes Antlitz glühend Im Rosenscheine aufersteht, Indes die Sonne, freudesprühend, Den Leib im Westmeer baden geht! Und an der Jungfraun einer Wange Bricht sich des Mondes blasse Glut, Indes, erhöht vom Niedergange, Erglänzt der andern Purpurblut. O küsset schnell die Himmelszeichen, Eh sich verdunkelt die Natur! Mag dann der Abglanz auch erbleichen: Im Herzen glimmt die schönre Spur! Mag sich, wer zu dem süßen Leben Der Lieb im Lenz das Wort nicht fand, Der holden Torheit nun ergeben, Den Brausebecher in der Hand! Wohl wird man edler durch das Leiden Und strenger durch die herbe Qual; Doch hoch erglühn in heißen Freuden, Das adelt Seel und Leib zumal! Und liebt der Himmel seine Kinder, Wo Tränen er durch Leid erpreßt, So liebt er jene drum nicht minder, Die er vor Freuden weinen läßt. Und sehnen bleiche Gramgenossen Sich nach dem Grab in ihrer Not: Wem hell des Lebens Born geflossen, Der scheut noch weniger den Tod! Taucht euch ins Bad der Lust, ins klare, Das euch die kurze Stunde gönnt, Auf daß für alles heilig Wahre Ihr jede Stunde sterben könnt!