19 Unverhofft nach trüben Tagen Ist der heitre Lenz erschienen, Und die aufgewachte Erde Überhaucht ein zartes Grünen; Und mit bunten Sonnenschirmen Mädchen in den Gärten gehen, Wanderer vorüberziehend Nach den schönen Blumen spähen. Unter all den hellen Fenstern, Die der Sonne offen stehen, Ist ein einziges verschlossen Vor dem lauen Frühlingswehen. Eine Hyazinthe duftet Vor den blendenden Gardinen; Aber eine kranke Jungfrau Atmet bange hinter ihnen. Ihr zu Häupten sitzt die Mutter Und die Schwester ihr zu Füßen, So, verhaltend bittre Tränen, Einen Dritten leis sie grüßen. Und in ihren Blicken liest er, Daß der Herbst hat wahr gesprochen, Daß die Hoffnung ist vernichtet Und die Lilie gebrochen! – So den stillen Tod zu sehen In den lichten, himmelblauen Augen eines kranken Liebchens: Wahrlich, 's ist ein seltsam Schauen, Wenn die weißen Todesrosen Gar so stolz und sieghaft prangen Auf der Liebsten ausgeglühten, Bleichen, bleichen Marmorwangen! Blühe, milde Grabesblume! Blühe und verblühe selig! Noch ein kurzer, heißer Sommer, Und auch ich bin überzählig! Wie die linden Maienlüfte Deine Blüte sanft entblättern, So wird meine Krone fallen In des Herbstes rauhen Wettern!