Nacht 1 Nun bin ich untreu worden Der Sonne und ihrem Schein; Die Nacht, die Nacht soll die Dame Nun meines Herzens sein! Sie hat eine düstere Schönheit, Ein bleiches Nornengesicht, Und eine Sternenkrone Ihr dunkles Haupt umflicht. Heut ist sie so beklommen, Unruhig, voller Pein; Sie denkt wohl an ihre Jugend – Das muß ein Gedächtnis sein! Es streicht durch alle Täler Ein Stöhnen, klagend und bang; Wie Tränenbäche rieseln Die Quellen vom Bergeshang. Die schwarzen Fichten sausen Und wiegen sich her und hin, Und über die feuchte Heide Verlorene Lichter fliehn. Den Sternen bringt ein Ständchen Das dumpf erbrausende Meer, Und über mir zieht ein Gewitter Mit klingendem Spiele daher. Es will vielleicht betäuben Die Nacht den ewigen Schmerz? Vielleicht an alte Sünden Denkt sie mit reuigem Herz? Ich möchte gern mit ihr plaudern, Wie man mit dem Liebchen spricht – Umsonst, in ihrem Grame Sie sieht und höret mich nicht. Ich möchte sie gerne fragen Und werde doch immer gestört: Ob sie vor meiner Geburt schon Wo meinen Namen gehört? Sie ist eine alte Sibylle Und kennt sich selber kaum; Sie, ich und der Tod und wir alle Sind Träume von einem Traum! Ich will mich schlafen legen, Ein Morgenwind schon zieht; Ihr weißen Rosen im Kirchhof, Singt mir ein Wiegenlied!