Nachricht an den Grafen von Stollberg-Wernigerode wegen des Rinderhirtens Johann Christoph Grafes in Schwiebus, zween Meilen von Züllichow 1766. Der Rinderhirte lebt noch dort, Wo er mir Früchte gab und Kränze; Nicht Gram, nicht Mangel trieb ihn fort, Er zählte sechs und vierzig Lenze, Vielleicht seit seinem Kinderlauf, Vielleicht auch drüber oder drunter. Sein Auge blickt nicht reizend auf, Ist nicht beflammt, nicht groß, nicht munter, Sein Lippenpaar verlocket nicht Zur Lüsternheit nach einem Kusse – O Graf! Sein ganzes Angesicht Empfing nichts von dem Honiggusse Der Grazien, die an der Braut Des Fürsten, der Dich Vater nennet, Mund, Auge, Stirn und Brust gebaut. In dieses Menschen Miene kennet Man nichts von dem, was die Natur Ihm mitgegeben zum Geschenke, Als er der Dunkelheit entfuhr. Man sieht nicht, daß er besser denke, Wie mancher, den sie schön gemacht. Er scheinet uns so gar zuwider, So bald er freundlich thut und lacht. Und doch verdient er funfzig Lieder Von wegen seiner Frömmigkeit. Die Tugend hat von seinen Thaten Gewiß noch keine nicht gescheut. Den Weg, auf den die Spötter traten, Vermied er immer, und die Bahn Der Gottsvergeßnen und die Freuden Der Jünglinge, die Lust auf Lust Verschlucken und ihr Auge weiden An Dingen die vergänglich sind. Er spannte sein ererbtes Rind Am Pflug, den er sich selber machte, Genoß, was Feld und Garten brachte, War stets zufrieden, war vergnügt Mit seinen selbstgezeugten Rüben Bis Rußlands Völker uns bekriegt Und manchen Landmann fortgetrieben. Da ward sein kleines Glück zerstört. O Menschenfreund! Du hast sein Klagen Mit unverschloßner Brust gehört, Und ihn zu retten beygetragen. Jezt drängt ein nachbarlicher Feind Sein frommes Herz zu neuer Klage; Reiß ihn heraus, Du Tugendfreund! Er wendet seine Lebenstage Zu mancher Schnizwerkarbeit an, Wenn er im Winter nicht die Erde Mit scharfem Pflug durchwühlen kann. Hilf, Gönner! daß er glücklich werde! Sein Feind, sein Widersacher nimmt Ihm einen Theil von seinem Erbe. Er ist auf seine Stadt ergrimmt, Laß zu, daß er in Deiner sterbe, Und glaube, daß der Hirte frei, Nicht unterthänig, nicht gebunden An irgend einem Herren sey. Empfinde, was Du oft empfunden, Wenn Du denjenigen erquickt, Der bittend Dir durchs Herz geblickt.