An meinen Freund, den Akteur H** Den 10. Jul. 1775. Mein lieber H**, glaube künftig Dem Munde, dem's die Freundschaft heißt, Wenn er Dich warnen will, bescheiden und vernünftig, Und sey nicht mehr ein stolzer Geist, Sey nicht ein Trozkopf, weils nicht immer Nach Deinem Wunsch und Sinne geht; Sey furchtsam bei des Glückes Schimmer, Denn wenn die Sonn am höchsten steht, Ziehn Ungewitter sich zusammen – Gedenke stets an meinen Rath, Nie wieder eine Stadt deswegen zu verdammen, Weil der und jener nicht nach Deiner Hoffnung that, Und weil nicht tausend Hände lärmen Beim Auf- und Abtritt in dem Spiel. Wer wird sich um den Schall der Lobgeklatsches bärmen! Hast Du der Kenner sein Gefühl Der klugen Leute Ruhm erstrebet, Was frägst Du nach des Pöbels Preis, Der seine Stimme laut erhebet Und nicht den Grund zu sagen weiß, Warum er klatscht und bravo schreyet, Warum er kalt ist, oder heiß, Warum er sich betrübt, kränkt, ärgert und erfreuet – Sey über Viel hinweg, verdopple Deinen Fleiß, Verfeinre Deine Kunst, und reiße keine Possen Zum Lachen für die Gallerie. Leg alles ab, was mich verdrossen; Es kostet Dich ja keine Müh Dem Pfade der Natur beständig treu zu bleiben, Mit guter Art ihr nachzugehn; Wie wird es mich erfreun, wenn große Richter schreiben: Der H** spielet wahr und schön – Du hasts in Deiner Macht, es wird in Deinem Willen, In Deinem Folgewillen stehn, Die besten Wünsche zu erfüllen, Die Deine Freunde für Dich thun – Vor allen Dingen ists vonnöthen, Im Glück und Mißglück voll Gelassenheit zu ruhn, Und nimmer die Geduld zu tödten, Und nimmer die Bescheidenheit, In guter und in böser Zeit. –