An den Herrn Kanonikus Gleim Halberstadt, den 29. Septbr. 1761. Sie eilt, wir müssen sie haschen O Freund, die fliehende Zeit, Komm zum befruchteten Garten, Der Herbst hat Freuden für uns. Brich diese lockende Aepfel: Sie lächeln unter dem Laub, Wie Wangen blühender Mädchen, Für Dich gereifet, hervor. Die schlanken, neidischen Aeste, Für Deine Griffe zu hoch; Hilf mit dem hüpfenden Fuße Der Hand, und pflücke die Frucht. Du hast sie. Lohnender Arbeit Verrichtung nennen wir Lust. Wie viel bestrebten sich Hände Nach Deinem Herzen umsonst! Sieh diesen höckrigten Apfel: Wie seine Brüder geblüht Hat er in währender Bildung, Und dennoch ward er ein Zwerg. In seinem Fleische genähret Ward der fortfressende Wurm: So wächst mit kommenden Tagen Im Knaben Bosheit herauf, Der nicht vom Hauche des Lebens, Als ein kaum werdender Mensch, Zu großen schönen Gedanken Beseelt geworden, wie Du. Sieh der hartschäligen Nüsse Herunterfallen vom Baum: Ihn zwingt der schlagende Jüngling, Sonst würf er keine herab. So schließt der Geizige treulich Ans Herz gesammeltes Gold, Verschließt die kargende Rechte Dem Armen, welcher ihn fleht. Darbt im Besitze des Reichthums, Schmeckt nie den köstlichen Wein, Und nie den süßeren Nektar Der Freundschaft, die er nicht fühlt. Laß ihm die magere Wollust. Er ruh auf todtem Metall: Wir, in der deckenden Laube, Beneiden Könige nicht. Genieß mit Augen des Geizes Das bald hinsterbende Grün Im Garten unter den Bäumen. Schon macht der nächtliche Reif Die Blätter alle zu Kranken: So reißt die mächtige Zeit, Und ein durchdringendes Fieber Den Reiz vom Menschen dahin. Spät in dem Sommer des Lebens Sind wir, sie fliehen zu schnell Die Stunden, brauche sie frölich, Uns macht das Alter zu Eis.