An Palemon, als sie die goldene Feder vermißte (Den 6ten des Christmonaths 1761.) Sie ist verlohren! Ach! ein böser Geist entführte Die goldne Feder mir – du göttlicher Apoll! Wo klagender Gesang dich je zum Mitleid rührte, So sage mir, wo ich sie wieder finden soll. Nicht in den Flügeln weisser Schwäne, In schwarzen Raben nicht. Kein Vogel in dem Reich Des Flügelvolks hat Federn, die ihr gleich An Pracht und Dauer sind. O! höre meine Thräne, Die in der Seele niederfällt! Laß einen Traum Orakelsprüche sagen, Laß dich noch einmahl in der Welt Von mir als wie zu Delphos fragen! Freund! also klagte, redend mit Apollen, Die Muse heimlich meinen Gram. Im trüben Auge, aus der vollen Argwöhnisch denkenden umwölkten Seele, kam Kein heitrer Blick auf eine Reihe, Die um mich saß. O! wann selbst Thyrsis, meine Wahl, Mein Wunsch, und mein Gesang, wann er selbst dazumahl Gekommen wär mit dir, wenn du und er mir neue Versicherung der Freundschaft vorgesagt; So hätte doch mein Auge noch geklagt. Ich saß im Gram versenkt; und wann ich nun erwachte, So rief ich in dem Thon der Wuth: Amint, hat das entwandte Gut, Versteckt hats seine Hand, daß er mich klagend machte! O du! der grossen Venus Kind, Du Amor! strafe den Amint; Nimm deinen Köcher, flieg' und spiele Vor seinem Angesicht mit Pfeilen, und wenn er Wie Mars nach einem greift und scherzet: Ach wie schwer! 1 So sprich: Behalt ihn nur und fühle! Dies sagt ich zu Cytherens Sohn; Und seine Mutter, meine Freundin, blickte Befehl auf ihren Knaben schon; Ich sahe, daß sie ihn verschickte. Doch bald kam er zurück, sah traurig, sprach zu ihr: Man muß sich vor dem Jüngling scheuen; Er giebt nicht acht aufs Spiel, merckt nicht auf Tändeleyen, Auch nimmt er keinen Pfeil von mir. Fußnoten 1 Die Dichterin zielt auf die bekannte Ode Anacreons.