Ueber die Begierde des Säuglings 1764. Ob Weizen reift zu Semmel oder Kuchen, Darüber sorgt der Säugling nicht, Der einen Busen weiß zu suchen, Und lallend mit der Amme spricht. Er bittet nicht um Regen oder helle Vom Lerchenchor durchsungne Luft, Wenn selbst die halbversiegte Quelle Zum Jupiter um Nässe ruft, Er kennet keine Güter, des Bestrebens, Des Wunsches seiner Seele werth, Ihm ist das ganze Glück des Lebens Die volle Brust, die ihn ernährt. Nach ihr verlangt er heißer als die Schaaren Der Römer bey dem Marc Anton Nach Wasser, als sie schmachtend waren, Und kämpfend vor den Parther flohn. An diese Brust fällt er mit größerm Geize Als ein verliebter Jünglingsmund An Lippen, die durch ihre Reize Sein junges Herze machten wund. Und wenn er nun dies erste Glück verlieret Und seinen ersten Kummer weint, Wird seine Mutter tief gerühret, Mit ihm zur Traurigkeit vereint. Es dünkt ihr hart, den Säugling so zu quälen, Und doch ists ein nothwendig Muß: So weislich läßt der Himmel fehlen Uns Größern oft den Ueberfluß. Er thät es nie, wenn nicht Sein Auge wüßte, Was jedem Menschen nützlich sey, Er nimmt die Nahrung unsrer Lüste Und legt uns etwas Beßres bey.