Lied an Se. Fürstl. Durchl. den jungen Prinzen von Anhalt, Enkel des regierenden Herrn Grafen von Wernigerode zum Ersten Jahrstage Den 9. Januar 1769. Prinz, der von Seiner Mondenzahl Den ersten Umlauf hat vollendet, Und sich in Seiner Lieblingswahl Zu schönen Kleinigkeiten wendet, O zarte Frucht von hohem Stamm, Jezt spielst Du noch mit goldnen Pferden Und nimmst Dein kunstgemachtes Lamm, Und willst ein Schäfer werden. Bald aber, wenn Du größer wirst, Bey vorgekeimeten Verstande, Begreift Dein Geist, daß Du der Fürst, Der Erbe bist von einem Lande, Worinnen Milch und Honig fleußt: Dann werden Schmeichler Dich umgeben, Die Deinen witzbegabten Geist Bis an die Stern erheben. Dann sey auf Deiner Hut, o Kind, Bey dem Gesange der Sirenen, Die lieblich und betäubend sind, Und oftmals in den Fürstensöhnen Die besten Seelen schlimm gemacht; Sie gleichen jener bunten Schlangen, Die listig und mit Redepracht Das erste Weib gefangen. Laß nicht in Deiner jungen Brust Den Trieb zur stolzen Herrschsucht steigen! Sey sanft, und finde Deine Lust, Wenn Du Dich fürstlich kannst bezeigen, Großmüthig, zärtlich, voll Gefühl Des Mitleids und der Menschenliebe, Des Mitleids und der Menschenliebe, So daß Dein Herz im Kinderspiel Schon fromme Pflichten übe. Jedoch warum ermahnt mein Lied Dich, der zu Tugenden geschaffen, Das größte Beyspiel vor sich sieht: Dein Vater, welcher einst in Waffen, Und jezt im Frieden als ein Christ Des Himmels Augen wohlgefallen, Lehrt Dich, so bald Du denkend bist, Auf ebnem Pfade wallen.