An Herrn Professor Sulzer, über das Bild seiner verstorbenen Gattin (Zu Berlin im April 1761.) O Freund! in deinem Blick seh' ich noch Klagen. So laut dein Herz auch dem Vergnügen ruft, So laut hörts noch in sich den Kummer sagen: Dort liegt sie in der Gruft! Ach klage nur! ganz ist sie deiner Schmerzen Ganz deiner unumschränkten Trauer werth: Welch Antlitz! O! welch Bild vom besten Herzen! Das nun der Wurm verzehrt! Der heitre Tag, den keine Wolk umhüllet, Wie lächelt er von ihrer Stirn herab? 1 Und jeder Blick, wie mit Gefühl erfüllet Der Liebe, die ihn gab! Ihr holder Reiz! der Tod nahm ihn zum Raube; Der schöne Mund! nicht mehr für deinen Kuß! Aus ihm entfloh ihr schöner Geist dem Staube, Zu himmlischem Genuß! Drey Töchter blieben nur, die durch ihr Lallen Dich tiefer ritzten in der bangen Brust, So wie im Lenz die Rosenblätter fallen, Verwelkte deine Lust! Zwölfmal hat schon der Mond in vollem Lichte Dir zugesehn, wenn schwärzer, als die Nacht, Der tiefe Gram von deinem Angesichte Den Schlaf entfliehn gemacht! Hör einmal auf, und wende deine Blicke Vom Grab, geneuß des Lebens kurzen Traum! Ach! ohne Liebe bleibt im größten Glücke Das Herz ein leerer Raum! Such unter allen Schönen, die dem Lande Die Liebe gab, dir eine Tochter aus, Gezeichnet von der Tugend mit Verstande, Zur Zierde für dein Haus! Sanft, wie ein Lamm, das in der Mittagsstunde Fromm auf dem Schooß der jungen Cloe spielt, Sey sie, und trag ein Herz in ihrem Munde Das nur für dich gefühlt. Fußnoten 1 Das Bildniß der seeligen Frau Professorin hieng in dem Zimmer, wo sie schrieb.