Gedanken an Herrn Gleim über den Herrn von Kleist, nach einem abendlichen Spatziergange im Walde bey Berlin Dort, wo die Nacht, auf hundertjährgen Eichen, In einem heilgen Dunkel thront, Klagt melancholisch über ihre Leichen Die Taube, die den Wald bewohnt. Nach Futter war sie ausgeflogen, Indeß der Sturm herauf die Wolke trug, Und mit Eißkugeln, die ein halbes Pfund gewogen Den Baum beschoß, und ihre Jungen schlug! Dort giengen wir, und Gram, wie ihn die Taube Dem dunkeln Hayn auf dürren Aesten girrt Gram einer Braut, die in noch grüner Laube, Mit ihrem Herzen bey den Todten irrt, Gieng Freund! in dir! – – Durch jene Krümmen Der dickbelaubten Bäume hörtest du In ihren Blättern tausend sanft gerauschte Stimmen, Und jede Stimme rief dir traurig zu! Hier ging er einst an deinem Arm, und fester Noch an dein Herz geschlungen! ach! hier gieng Dein Freund, der zärter noch, als eine Schwester Mit seinem Geist an deinem Geiste hieng! Hier fühltest du mit ihm zugleich das Schöne Der Schöpfung; o, hier standet ihr, Wie zwo vom besten Vater gleich gebohrne Söhne Und spracht von Gott. Hier, sagst du, war es; hier! Ach! jede Wunde weinend auszuwaschen; Bey ihm zu knien, bey der Todes Angst Durch Seufzer seinen Geist noch aufzuhaschen Dies ist der Trost, nach welchem du verlangst. O welch ein Schmerz! o welche Freundes-Thränen! Ganz finstrer Kummer war dein Angesicht. So stumm sitzt, sich an seiner Urne lehnen Die Freundschaft deren Auge Klagen 1 spricht. Freund, keine Seufzer bringen dir ihn wieder! Und spieltest du des harten Schicksals Ohr Des Orpheus allerflehentlichste Lieder Auf einer Steinbezwingbaren Leyer vor! Doch, riefst du zu den heiligen Gebeinen Ihn nicht zurück den hingeflognen Geist! Die Zeit, o Freund, muß dich zu trösten weinen; Die Ewigkeit mißgönnt' ihr deinen Kleist! Fußnoten 1 Herr Bernhard Rode mahlte damals an dem Gemählde über den Tod des Herrn von Kleist, welches in der Garnison-Kirche zu Berlin zu sehen ist. Die Figur der Freundschaft hat den Beyfall der Kenner erhalten.