Die Wassersnoth bei Frankfurth an der Oder im April 1785 Vom Gebirge strömte das Verderben – Ins Gefilde weit und breit, Saat und Blumenkeime wollten sterben Unterm Wasserwogenstreit, Zarte Lämmer, junge Busenkinder Heischten Rettung aus der Fluth – Hungerleiden brüllten magre Rinder, Die des Landmanns einzig Gut In der niedern Armuthehütte waren, Größer schien die Wassersnoth Als ein Feldzug fremder Kriegesschaaren, Der mit Schwerd und Feuer droht Und mit Plünderung dem platten Lande, Das sein Rauschen hört und zagt, Wenn der Zug vom äußern Gränzenrande Schrecken vor sich hergejagt – Jenem Waffenrasseln widerstehet Heldenklugheit, Heldenmuth; Aber wenn sich fürchterlich erhöhet Ausgetretner Ströme Wuth, Kann der König selber nicht gebieten, Der mit siegesreicher Hand Sieben Jahre lang dem Waffenwüten Vieler Feinde widerstand. Rettung nur war möglich, war zu wagen, Und wenn sie gelang, alsdann War kein Dichter stark genug, zu sagen Wonne, die der Held gewann. Leopold, ein junger, Menschenlieber Guelfensohn, hat es gewagt – Menschlich Mitleid riß ihn mächtig über Alle Warnung laut gesagt. Ueber alle Todesfurcht erhaben, Sprang er in den Kahn, und sprach: »Rudert rüstig fort, ihr Schifferknaben, Folgt der Jammerstimme nach, Die so kläglich Hülfe fodert drüben, Hört die Todesangst und eilt! Schon zu lange seyd ihr kalt geblieben, Habt zu lange schon geweilt, Habt nur hier die Wellen angegaffet, Die der Brücke Halbtheil schon Angegriffen und hinweggerasset – Fürchtet nicht dies Wasserdrohn, Ich bin Mensch, wie ihr zur Welt gekommen, Wagt doch, was ich wagen kann, Seht, da wo die Häuser weggeschwommen, Kommts auf Menschenrettung an –« Also sprach der Fürstensohn und brannte Von Begierde, da zu seyn, Wo sich zu dem Sturmgebieter wandte Nothgedrängter Menschen Schreyn. Bald hinüber war die Fahrt gelungen, Als ein Windstoß sie ergriff, Ach, von einer Welle Wuth gedrungen, Scheiterte das kleine Schiff An der Wurzel einer alten Weide Und die wilde Fluth verschlang Frankfurts Stolz und Ruhm und Augenfreude! Mit dem Wassertode rang Leopold nur wenige Minuten. Seine Seele stieg empor Schöner als durch vieler Wunden Bluten In der Heldenseelen Chor – Und die Bürger und die Musensöhne Und die Kriegesmänner all Klagen Ihn, und ihre Klagetöne Wiederholt der Wiederhall, Daß es alle Lüfte hören müssen, Und ein Künstler groß und mild 1 Macht der Folgezeit die That zu wissen Durch der Thatbeginnungs-Bild. Fußnoten 1 Herr Daniel Chodowiecky.