9. Die deutschen Denker an die deutschen Dichter Wohl reiht ihr Reim an Reime Und fügt zum Wort das Wort, Doch eurer Saaten Keime Uns dünken sie verdorrt – Verdorrt, noch eh die Sichel Der Zeit sie jäh durchkracht Und so dem deutschen Michel Die Arbeit leichter macht. Denn ach, euch ging verloren Der Dinge Gang und Grund, Ihr hört mit tauben Ohren Und sprecht mit stummem Mund. Doch wehe eurer Scheitel Am Tage des Gerichts, Denn was ihr singt ist eitel, Und was ihr sagt ist nichts! Und doch, ging je vor Zeiten Der Sänger mit dem Sieg, Dann gilt es heut zu streiten In einem heilgen Krieg. Denn nicht um Hof und Heerde Schlägt unser Herz und schwillt: Heut ist's die ganze Erde, Der unser Sterben gilt! Seit Urbeginn schon gährte Es tief im Schooss der Zeit Und jede Stunde nährte Den grausen Widerstreit. Doch heute erst entrauchte Die Lohe ihrem Schacht Und blutig überhauchte Sie das Gewölk der Nacht. Und weh, das Glück zerschellte, Was ganz war, brach entzwei, Und durch die Lande gellte Ein einzig lauter Schrei. Mit Mehlthau übernetzte Das Feld sich weit und breit Und es begann der letzte, Der Bürgerkrieg der Zeit. Nun rast er durch die Auen Und spielt sein wildes Spiel Und uns durchrinnt ein Grauen, Bedenken wir sein Ziel. Die Tafel der Gesetze Zerbarst wie sprödes Glas, Die Tugend ward zur Metze, Die Liebe ward zum Hass. Die Wahrheit liegt im Staube, Die Hoffnung sitzt und weint, Gestorben ist der Glaube Und ach, das Herz versteint! Des Wahnsinns Schlangen zischen Und Alp thürmt sich auf Alp Und wüst erschallt dazwischen Der Tanz ums goldne Kalb. Doch nahn schon Gottes Boten Und ihre Stimme spricht: Lebendig sind die Todten Und nahe das Gericht! Der Erdball wankt und zittert, Des Himmels Wolken drohn Und durch die Lande wittert Der Hauch des Todes schon. Ihr aber, die zu Wächtern Des Heiligthums bestellt, Ihr habt euch den Verächtern Des Himmels zugesellt; Denn wenn der Donner rollte, Verschlosst ihr euer Ohr, Und wenn die Brandung grollte, Wer war's, der sie beschwor? Ihr stammelt wie die Kinder, Dass niemand euch versteht, Und jeder Reimverbinder Ist heute ein: Poet! Sich selbst singt er im Liede Und macht es sich bequem, Als wäre der ewige Friede Schon mehr als ein Problem! Doch nun genug der Schande, Auf, auf! und greift zur Wehr Und wandert durch die Lande Und rudert übers Meer! Streift ab die blumigen Ketten Und folgt uns in den Krieg, Denn noch sind sie zu retten Die Ehre und der Sieg! Und dräut auch manche Wolke Euch schwarz am Horizont, O haltet treu zum Volke, Ihr habt's noch nie gekonnt! Nach ihm streckt seine Krallen Siebenfach die Noth; Der schrecklichste von allen Ist doch der Kampf ums Brot! Zerknechtet und zerknetet, Es kennt sich selber nicht; Drum singt und wacht und betet: Mehr Licht, o Gott, mehr Licht! Und kehrt der Friede wieder Dereinst nach Kampf und Streit, Dann singt: Das Lied der Lieder, Das ist das Lied der Zeit!