Arno Holz Dafnis Lyrisches Portrait aus dem 17. Jahrhundert Carmina non prius audita/ Musarum sacerdos/ Virginibus puerisque canto. Horatius Flaccus. Des berühmbten Schäffers Dafnis sälbst verfärtigte/ unter dem Titul OMNIA MEA fürmahls ans Licht gestellte und von ihme mit einem lästerlichen Nohtwendigen Vorbericht an den guht-hertzigen Leser lihderlich verunzihrte/ höchst sündhaffte Sämbtliche Freß- Sauff- und Venus-Lieder/ vermehrt und verbässert durch vihle biß anhero noch gäntzlich ohngetrukkt gewesene/ benebst angehänckten Auffrichtigen und Reue müthigen Buß-Thränen/ vergossen durch den sälben Auctorem / nachdäme dihser mit herein gebrochenem Alters Gebrest auß einem Saulo zu einem Paulo geworden/ gesammblet/ colligiret/ sowie mie einem nüzzlichen Fürwermärck versorgt über die besondre Lebensümbstände des selig Verblichnen/ allen Christlichen Gemühtern zu dihnlicher Abschrekkung bekant gegeben/ inssondre der schwanckenden Jugend/ durch Selamintem . Konstantinopul & Leipzig/ getrukkt in dihsem Jahr. Nothwendiger Vorbericht an den guhthertzigen Leser Wer in seiner grünen Jugend hat wohl nie den Pegasum geritten? Dihses ädle Thier ist seit Olims Zeiten/inssondre seit der lihbe Herr Opitius uns durch seine kluge aber zihrliche Leyer von denen schrökklichten Schulmeistren befreyt hat/ dermahßen hergenommen worden/ die Pritzschenmeistrische Poëtastri und Wortefolterer haben sich mit Reveräntz zuvermälden/so Hümpelweis an seinen Schwantz gehänckt/ daß es fast Verwundrens ist/ wie das geqwählte Lufft-Pferd nicht schon lengst seinen letzten Othem von sich gegäben. Dannenhero hätte auch ich es fürgezogen/ meine schlächten Mißgebuhrten billig unter der Banck vermodern zu lassen/ alß meine wenige Fehder durch den Trukk ans Licht zu gebären/ wenn einige lose Leute/ die ihre Weißheit mehr dem Ovidio alß denen Scriptoribus Sacris verdancken/ meine einfältige Wihsen-Lider nicht schon auff allen Märckten und in den Schäncken sängen. Sich auf dihse Ahrt bey der Posterität fortzupflantzen/ erachte ich aber for eine eusserste Gefahr. Der Vinum terribile zu Teutsch Land-Wein verkehrt seine Momus -Brüder nicht blohß zu stinckente Huren-Jäger und Ehebrecher/ er bewegt sie auch gleichsahm nur all zu offt/ unter die zihrlichste Inventiones ihr eigen albres Gemächte zu mängen; wordurch dan auß einem vihlleicht lob-würdigsten Pindus -Rösgen im Huy eine Sau-Distel geworden. Homerus / der Kayser aller griechischen Tichtmeister/ wäre so heut seinem eignen Eumaeo gleich/ hätte er es for klüglich erachtet/ uns seine ohnstärbligte Arien nur durch die Gurgeln solcher sich blizz-blazz voll gesoffen habenter Susannen -Brüder zu vermachen; und gar von des ohnvergleichlichen Maro göldener Eneïs wäre kein Fäzzgen mehr gantz/ wenn dihser Venu sinische Adler aller Boeten es sich nicht hätte verdrüßen lassen/ seine mit zihmlichem Fleiß verfärtigte Libligkeiten – wie beym Plinio gebührlich nach zu läsen – Syllaba for Syllaba in gleichsahm wäckserne Täfelgens zu ezzen. Kortz/ ich will itzt meine boetische Kinder/ nachdäme ich ihre Vatterschafft vor der gelährten Welt nun doch nicht mehr abstreitten kan/ allen der Teutschen Boeterey vernünfftigen Lihbhaberen zu sonderbahrlichem Gefallen herfür und an den Tag gegäben sehn/ nicht wie sie zu ihren Zincken/ Krumbhörnern und Cythren jene söffische Nacht-Raben im Blauen Frosch oder im Nakkten Bauch brüllen/ sondern wie ich sie fürmahls in meinem blühenden Frühling/ als Justgen noch ihren Zahn hatte und Pärlindgen noch an jener Ekke wohnte/ nicht ohne Vergnügen gemacht habe. Ob wohl ich über die erste Kützel-Jahre lengst hinauß bün/ ob wohl dihses schwartze Falten-Kleid/ daß schon Lutherum gezihrt/ dihsen schorbigten Mahden-Sakk nunmehro gnädigst fast ins dreissigste Jahr däkkt – die Pesth-Zeit darbey ein-berechnet – so bekänne ich doch gern/ daß ich stähts mit grosser Lust frölig war. Der blawe Himmel/ die kleine weisse Anemonen/ der Bäche Silber-Fluß/ der bundten Fehder-Singer Hertz-zwingente Musica sind mir sälbst heute/wo mein Fuhß bereits wanckt und die Hahre auff meinem Haubte beginnen gezählt zu werden/ noch ümmer allzeit recreationes animi. Und möchte ich drümb spähter auch ins hellische Fewer geworffen und zu Aschen verbrännt werden – ich weiß es wohl/ der for uns am Creutze gehangen/ wird daß nicht zu lassen – so stipulirte ich trutzdem: ich halte dihse Ahrt Fröligkeit for eine rächte Gemühts-Artzeney! Johanna Catharina Barbara/ der ich von meinen sächzehn Söhnen – vier läben noch – die erste sihben dancke/ habe ich auff ihrem Hügel äben sovihle Rohsen-Stökke gesäzzt und mein altes Hertz freut sich/wenn morgens im Junio bey lihblich herfürbrechenter Morgen-Röhte das runde Himmels-Naß vergleichbahr fast Pärlen dran hanget. Sollt ich drümb drauern/ daß sie schon sälig ist? Der HERR hat sie mir gegäben/der HERR hat sie mir genommen/ der Nahme des HERRN sey gelohbt! Marianne Charlotte Elisabeth! Deine Hände auff mir ruhten weich und dein zahrter Leib schänckte mir von meinen Söhnen – von meinen Töchtern räde ich nicht – die nächsten sechs. Ümb dein Grab stehn Lilgen und über ihm/ abens im Mandel-Baum/ wenn der silbre May-Mohnd gleichsahm wie auß unsrem kleinen Kürchlein scheint/ singt der Vagel Kiwitt. Sollt ich mich drümb mit Thränen blagen/ daß du schon Oben auff mir wartest? Der HERR hat dich mir gegäben/ der HERR hat dich mir genommen/ der Nahme des HERRN sey gelohbt! Concordia Beate Emerentia! Du gebahrst mir die übrige drey/ und so der HERR will/ druckstu mir mahl die Augen zu. Sollt ich schon itzt mich drümb verschrökken? Ich weiß/ daß mein Erlöser lebt! »Meinen JESUM lass ich nicht; weil er sich for mir gegäben/ so erfordert meine Pflicht/ Kletten-weis an ihm zu kläben. Er ist meines Läbens Licht/ meinen JESUM lass ich nicht!« Möchte aber einem nihdrichten/ nichtsnüzzichen Zoilo / auß dessen unlihblichen Phrasibus der gestern getrunckene Broihan rülpst/ beyfallen/ daß ich mich dermahlß zu vergnügt gezeigt und daß/ wie dem Aeschylo seine Tragödien allzusehr nach der Bouteille geschmäkkt/ so meine Bucolica nach der Venus röchen/ so recriminire nur/ daß schon Salomo in seinem Canto Canticorum nicht die Buhlerin Abisag vermeynt hat/ sondern das Newe Jerusalem. Also habe auch ich nie die zerlumpte und außgeflikkte Pauren-Magd/ des Marsyas Tochter/ Mopsa auß Frygien vermeynt/ sondern stähts nur die Dame Sophia; zu Teutsch die Aedle Weißheit! Mollinchens Cädern-Leib/ der Nivula vollkommentliche Brüste/ Laurettens Spihl-Krystalle sampt aller übrigen verlihbten Materie / sowie jene haarichte Wald-Gespenster und verwunderliche Meer- Monstra waren mir nur Repositoria Apollinis. Nicht/ weil ich mich dardurch in das Concept einer geschikkten Person sezzen wollte/ sondern auß Modestie. Denn jene ungesalzzte Witzdölpel und Bappihr-Beschmizzer/jene neue eingebüldete Klüglinge/ die da meynen/man könne alles/ auch ohne das kluge Alterthum/gleichsahm auß seinem eigenen Cerebello zihn/ sähe ich mit dem berühmbten Scaliger lihber for Pikkelhäringe/ denn for Boeten an. ( C'est entre nous!) Alle gescheute und civilisirte Gemühter werden solche tölpische Ertz-Bärenheutter mit grohßer Hertzhafftigkeit verlachen. Es ist ein tieffer Sinn/ daß die Gracien nakkend gehn. Hoffe demnach gäntzlich/ man wird meine wohl-gemeinte Metaphores nicht for grohbe Realia nähmen und in meinem schlächten Buche nichts fünden/ waß GOTTES Wort oder der Augspurgischen Confession zurwihder lieffe. Die mir von Natur ankläbenten Fehler habe ich nie zu verbergen gedrachtet/ aber ich bün kein dorckelnder Silen und halte den Parnass nicht for einen Sau-Koben. Sollten jedoch wihder Verhoffende die Pharisäische Mükken-Fänger und Sadduceische Cameel-Verschlukker/ dihse Ornamenta Germaniae / die nicht mehr Hirn in ihrem Kopff haben alß eine Märtens-Gantz/ auß einem vihlleicht zu nachdrükklichen Bey-Wort die Occasion suchen/ mich mit ihren verleumbdischen und stachlichten Ottern-Zungen auß dem majestätischen Musen -Saal unter die Sakk-Pfeiffer und Orgel-Dreher zu drängen/ so dörfften dihse Licht scheuente Anonymi / dihse höchst gelährte Kaninichen sich füglig fürsehn for ihr auff geworffenes Wurst-Maul; sintemahlen es eine besondere Force meines Naturells ist/ daß ich die göldene Heer-Trompete nicht minder zu blahsen verstähe/ wie die buchserne Flöhte. Die Guhtwilligen aber/ denen ich mit Verschweigung ihrer Vorzüge nichts an ihrer Würde entzogen haben will/ wollen bedäncken/ daß die Versche/ die ich hihr alß Errores juventutis mich nicht scheue ihrem Judicio zu unterbreiten/ blohß meine schlächten sind. Die guhten habe ich for mir sälbst behalten. Adieu!