13. O du lieber, linder Sommerabend, Bist so süss wie zarte Frauenhuld, Wenn dein tiefgeheimer Zauber labend Mich in wunderholde Träume lullt. Bin ich singend über Land gezogen Wohl den ganzen Tag im Sonnenschein Und nun schreit ich durch den Thoresbogen In die altersgraue Stadt hinein. Von den holzgeschnitzten Giebelspitzen Sich schon längst der letzte Schimmer stahl, Nur die hohen Kirchenkreuze blitzen Golden noch im späten Abendstrahl. Kinder auf den Treppensteinen hocken, Spielen Haschen oder Blindekuh, Und dazwischen läuten fromm die Glocken Von den Thürmen Feierabendruh. Wer sich abgemüht in Tagesschwüle, Ruht im Schoosse seiner Lieben aus; Herzerquickend duftet ihm die Kühle, Wie ein frischgepflückter Blumenstrauss. Rollt kein Wagen mehr, es schlägt kein Hammer, Denn der Werkeltag ist längst verrauscht; Lämpchen knistert schon in stiller Kammer, Drin der Nestling Mutters Märchen lauscht. Immer stiller wird es auf den Gassen, Immer heimlicher die Dämmrung winkt, Bis das Giebeldach die silberblassen, Mondgewebten Flimmerstrahlen trinkt. Wo in marktumpflanzten Lindenbäumen Funkenwürmchen hin und wieder fliegt, Wandeln Liebende in süssen Träumen, Hand in Hand und Arm in Arm geschmiegt. Mit den alten, halbverwaschnen Runnen Und dem steingehaunen Reckenbild Steht am Rathhauseck der Rolandsbrunnen, Der aus hundert Röhren tönend quillt. Auf bemoostem Rande sitz ich nieder, Und ich schaue in die Fluthenpracht, Und ich lausche auf die Wiegenlieder, Bis mein Herz zur guten Ruh gebracht. Und da hör ich, wie auf leisen Sohlen Blonde Engel durch die Gassen gehn, Und ich blinzle ab und zu verstohlen, Um die blonden Engel auch zu sehn. O du lieber, linder Sommerabend, Bist so süss wie zarte Frauenhuld, Wenn dein tiefgeheimer Zauber labend Mich in wunderholde Träume lullt!