Ein Tantalus Nino ist todt. Heut in der Frühe fand Sein Herr auf dürft'gem Lager ihn entseelt, Die Miene sanft, wie eines Schlafenden, Doch alles Rütteln, aller Zuruf war Umsonst. Zu seiner Tagesfrone stand Er nicht mehr auf. Undank, der Lohn der Welt, Auch dir, du frommer Knecht, ward er zu Teil. Denn von den Deinen, denen Jahre lang Du treu gedient, ward eine Träne kaum Dir nachgeweint, kein Grabgesang ertönt: In steinigem Acker wirst du eingescharrt Und morgen schon vergessen. Ich nur widme Bewegt dir einen Nachruf. Denn du warst Zwar nur ein Pferd, doch gut und sanft und wohl Auch hübsch in deiner Jugend, bis die Last Der Arbeit dir das glatte Fell verdarb Und dir der Rücken einsank. Dies zwar ist Gemeines Pferdelos. Dich aber traf Ein schlimmres, denn du warst ein Tantalus. Dein Herr, der Fruttajuol, ein wackrer Mann, Doch ahnungslos für Pferdeseelenschmerz, An jedem frühen Morgen spannt' er dich Vor seinen Karren, drauf in Körben frisch Ein mancherlei Gemüse lag, Salat, Kohl, Artischocken, Petersilie, auch Spinat und würz'ger Fenchel und was sonst Gott in Italiens Gärten wachsen läßt. Dann hui! und omm! und Peitschenknall, auch wohl Ein Peitschenhieb, und auf der Straße fort Zogst du die grüne Ware für den Tisch Der Villen, hieltst vor jeder Türe still Und hörtest hinter dir die Köchin feilschen Mit deinem Herrn um Leckerbissen, die Du nie gekostet. Wenn die Hausfrau dir, Mitleidig gegen jegliches Getier, Ein Weißbrot spendet' und zuweilen auch Ein Stücklein Zucker, dankbar nahmst du's hin Und seufzend doch – ach, nur ein Tropfen war's Auf heißen Stein! Wie hättst du erst geschwelgt Im saft'gen Grünzeug, dem du vorgespannt! Und wieder hui! und omm! und weiter ging's Den Leidensweg. Sic vos non vobis –! klagte Dein vorwurfsvoller Blick. Nun ruhst du aus Von ungestillter Sehnsucht, und ein andrer, Nicht braun wie du und auch so mager nicht, Ein muntrer Scheck zieht den Gemüsekarren, Noch ganz vergnügt. Ich aber seh' voraus, Was seiner harrt, und seufze mitleidsvoll: Auch du bist von des Tantalus Geschlecht!