Vor dem Jugendbildnis meiner Mutter O hätt' ich damals dich gesehn, Als so du in die Welt geschaut, So morgenklar, so jugendschön, Noch mit dem Leben unvertraut; Noch unterm schwarzen Haar so licht Die Mädchenstirne, weiß und glatt, So blau das Auge, das noch nicht Getrübt ein Strom von Tränen hat; Und dieses liebliche Profil, Der schalkhaft feingeschürzte Mund, Bereit zu munterm Witzesspiel Und sinn'gem Wort in ernster Stund'! Mir ist, ich seh' dich am Klavier, Wie du die alten Lieder singst Und dann im weißen Kleid, wie hier, Im Tanz die kleinen Füße schwingst. Und wieder, wie du ernst bemüht Am Schreibtisch sitzest stundenlang, Von Robert Burns ein kleines Lied Nachdichtend, froh, wenn dir's gelang. Und alles, was dich rings umgibt, Hast du mit Anmut angestrahlt. Gewiß war auch in dich verliebt Der Maler, der dies Bild gemalt. O hätt' ich jemals dich gesehn Leibhaftig so, du lieb Gesicht! Doch nein! wär' mir so wohl geschehn, Wärst du meine Mutter nicht. Nun kannt' ich deine Züge nur Nicht morgenklar und jugendfroh, Gefurcht von mancher Leidensspur, Doch schön erschienst du mir auch so. Vorüber zog die Jugendzeit Lang eh' dein Herzensglück du fandst, Hast, eh' mein Vater dich gefreit, Längst nicht gespielt mehr und getanzt. Doch dir im Herzen sang und klang Noch stets das Lied der Jugend hell, Und sprudelnd dir vom Munde sprang Des Witzes und des Frohsinns Quell. Und zärtlich in des Sohnes Ohr Hast Liebesworte du gehaucht, Die hör' ich wieder, wenn empor Dein Bild vor meiner Seele taucht. Ich höre, wie du gute Nacht Mir sagtest, wenn aus fernem Land Heimkehrend ich so wohlgemacht Mein Bett im Mutterhause fand, Und seh' dein Auge übergehn, Wenn meine Kinder du geküßt. Da schienst du mir so hold und schön, Wie jung du nie gewesen bist. Nun ward ich selber alt wie du; Nur noch ein Weilchen athm' ich hier, Doch bis ich geh' zur letzten Ruh', Was an mir jung bleibt, dank' ich dir.