[In dem weißen Seidenhut] In dem weißen Seidenhut Könnt' ich heut noch dich betrachten, Wie wir damals frischverlobt Unsre Brautvisiten machten! Reizend war der Hut und fest Unterm Kinne zugebunden, Nicht dem grauen Hütchen gleich, Jenem übermüt'gen runden. Und so ehrbar winkten mir Deine sechzehnjähr'gen Augen, Ganz wie fragend: Sollten wir Nicht zur Hausfraunwürde taugen? Und wie dann dein Kindermund Ernsthaft mich zur Rede setzte, Weil ich bei den Tanten oft Gar zu tolle Sachen schwätzte! Doch ich überführte dich, Als nach Hause fuhr der Wagen, Daß wir beide musterhaft Angemessen uns betragen. Während deine Reden, Kind, Höchst gesetzt und weise waren, Schien ich selbst ein Sausewind, Kaum von hochzeitlichen Jahren. Muß nicht unsern Herzensbund Auch der ärgste Zweifler segnen, Wenn wir so der Jahre Kluft Überbrückend uns begegnen? Gar zu gerne wollt ich wissen, Was aus diesen Zügen spricht, Wie so schnell mich hingerissen Dieses reizende Gesicht. Manche sah ich, Blond' und Braune, Mir in Jugendblüte nahn; Warum wandelte die Laune, Sie zu lieben, nie mich an? Konnt' ich nicht in Fülle schauen lles, was das Herz begehrt: Sanfte Lippen, stolze Brauen, Weißen Hals, umhalsenswert? Dennoch wie am Zauberfädchen Lockte mich in raschem Gang Stets sich nach dies schlanke Mädchen, Eh' noch ihre Stimme klang; Eh' ein Hauch aus ihrer Seele Schüchtern sich zu meiner stahl, Und ich wußte: Die erwähle! Ach, dir bleibt ja keine Wahl. Jetzt, da ich bei Nacht und Tage Ihr Gesicht studieren mag, Bleibt die große Rätselfrage Dunkel wie am ersten Tag. Doch entsag' ich gern dem Wissen; Schauen ist die höh're Pflicht. Fort das Grübeln! Laß dich küssen, Unerforschlich süß Gesicht!