Im Advent Die längsten Nächte. Drüben hinterm Vorgebirg Von San Vigilio schläft noch in den Tag hinein Frau Sonn' und kann sich nicht entschließen aufzustehn. Zeit wär' es längst. Doch sie, wie eine Königin, Die weich sich dehnt im seidnen Bett und gähnend denkt, Es eile nicht, von ihrem goldnen Thron herab Ihr Weltreich zu regieren, schläfrig blinzelt sie Nur schwach hervor aus grauer Wimper, zieht sodann Das Nebeldeckbett hoch sich übers Angesicht Und schlummert weiter. Auch hernach, wenn endlich sie Beginnt ihr Tagwerk, nur im Schlafrock schleicht sie dann Mit ungestrählten Haaren, sehr unaufgeräumt Des Wegs dahin, im Wolkenmantel dicht vermummt, Als friere sie. Denn ach, nur eine Fabel ist Das ewig blaue Firmament Italias! Auf ihrer Stirn auch spukt gar oft zur Winterszeit Ein Schatten grauer Schwermuth. Ihre Kinder dann In kellerkalten Häusern, wo kein Ofen brennt, Ums Reisigfeu'r am Herd trübsinnig kauern sie, Vor Frost erschauernd. Stumm im kleinen Käfig sitzt Die Drossel. Auch am Rocken jetzt und Webestuhl Erklingt kein Ritornell und kein Rispetto mehr, Und vorwurfsvoll ertönt nur noch des Mäuschens Pfiff, Da ein Polentabröckchen kaum ihm übrig bleibt. – Doch nur Geduld! Nach kurzen Wochen, hingedehnt Im Nebelhalbtraum, denkt Frau Sonne wiederum Vor Scham erglühend ihrer alten Schuldigkeit Und holt, was lang versäumt ward, um so eifriger Nun wieder ein. Den Reif vom Laube schüttelt sie Den Lorbeern und Oliven, lockt mit warmem Hauch Krokus und blaue Veilchen schon im Februar Hervor auf allen Wiesen. An den Reben sacht Beginnt's zu knospen. Ja sogar ein Vögelchen, Wenn glücklich es dem Blei des Jägers winterlang Entgangen, denkt bereits an neues Nesterbau'n Und zirpt und wirbt um eine Braut. Und ähnlich so Ergeht's dem Dichter. Sacht in seinem Busen schon Rührt sich Gesang, wenn früh am Tag er wohlgemut Auf luft'ger Höhe wandelt, nur im leichten Rock Und, was das Beste – denn verhaßt vor allem sind Ihm diese nordischen Gräuel –, ohne Gummischuh'!